Pakistan kündigt Vergeltung an, nachdem Indien Ziele in Kaschmir angreift. Die Region befürchtet einen neuen Krieg.
Indien greift pakistanische Ziele an, Eskalation der Spannungen zwischen Atommächten droht
Nach den tödlichen Angriffen Indiens auf pakistanische Ziele hat das attackierte Land Vergeltung angekündigt. «Pakistan hat jedes Recht, eine angemessene Antwort auf diese von Indien verhängte Kriegshandlung zu geben, und eine angemessene Antwort wird auch gegeben», sagte der pakistanische Premierminister Shehbaz Sharif. Zuvor hatte Indien in der Nacht mehrere Ziele in Pakistan und im pakistanisch kontrollierten Teil der Unruheregion Kaschmir angegriffen – als Reaktion auf einen Terroranschlag in der Unruheregion vor rund zwei Wochen.
Bewaffnete Angreifer töteten am 22. April auf einer Bergwiese in einer Urlaubsgegend nahe der Stadt Pahalgam 26 Menschen im indisch kontrollierten Teil – hauptsächlich indische Touristen. Neu-Delhi beschuldigt Pakistan der Beteiligung, was Islamabad bestreitet. Mit dem indischen Angriff in der Nacht zu Mittwoch (Ortszeit) verschärfen sich die jüngsten Spannungen zwischen den beiden Atommächten erheblich. In der Region wächst die Besorgnis vor einem neuen Krieg zwischen den beiden Ländern.
Auch Indien beklagt Opfer und droht
Nach dem Angriff gab das pakistanische Militär an, dass es acht Tote und 33 Verletzte gab. Das Außenministerium hat keine genaue Zahl genannt, aber bestätigt, dass Frauen und Kinder unter den Opfern waren. Vorher hatten Geheimdienstkreise von einem toten Kind in der Stadt Bahwalpur im Osten Pakistans berichtet.
Auch in Indien gab es Opfer zu beklagen: Laut Armeeberichten wurden mindestens drei Zivilisten im von Indien kontrollierten Teil von Kaschmir durch pakistanischen Beschuss getötet. Die pakistanische Armee hat willkürlich über die Kontrolllinie geschossen. Die indische Armee wird angemessen auf den Beschuss reagieren. Die Kontrolllinie gilt als De-facto-Grenze und teilt Kaschmir zwischen den beiden Atommächten.
Indien: Ziele sind «terroristische Infrastruktur»
Das indische Verteidigungsministerium in Neu-Delhi teilte mit, die Streitkräfte hätten als Reaktion auf den Anschlag vor rund zwei Wochen mehrere Ziele in Pakistan und im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs angegriffen, «von denen terroristische Angriffe gegen Indien» ausgegangen seien. Bei den Zielen handele es sich um «terroristische Infrastruktur».
Das Militär Pakistans berichtete über Raketenangriffe. Geheimdienstkreise in Pakistan meldeten den Abschuss von zwei indischen Kampfjets. Eine Bestätigung seitens Indiens lag zunächst nicht vor.
Den indischen Angaben zufolge wurden neun Ziele angegriffen. «Pakistanische militärische Anlagen waren nicht das Ziel.» Das Verteidigungsministerium nannte die eigenen Aktionen «zielgerichtet, maßvoll und nicht eskalierend». Indien habe bei der Auswahl der Ziele und der Methode der Ausführung beträchtliche Zurückhaltung geübt, hieß es.
Pakistanische Geheimdienstkreise und die Armee Pakistans hatten zuvor gemeldet, dass die Städte Kotli und Muzaffarabad im pakistanischen Teil der Himalaya-Region Kaschmir sowie die Stadt Bahwalpur in der Provinz Punjab angegriffen wurden. In Bahwalpur wurde eine Moschee getroffen.
Nach den Angriffen aus Indien hat Pakistan seinen Luftraum für 48 Stunden geschlossen. Ein Sprecher der zivilen Luftfahrtbehörde bestätigte dies gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Der Flugbetrieb der Flughäfen Islamabad und Lahore bleibt bis auf weiteres eingestellt.
Guterres sehr besorgt
UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich nach den Angriffen «sehr besorgt».«Die Welt kann sich eine militärische Konfrontation zwischen Indien und Pakistan nicht leisten», sagte er laut einer Mitteilung seines Büros am Dienstag (Ortszeit). Er rief beide Atommächte zur militärischen Zurückhaltung auf.
US-Präsident Donald Trump äußerte seine Hoffnung, dass der Konflikt zwischen den beiden Atommächten nicht weiter eskaliert. «Ich hoffe nur, dass es sehr schnell endet», sagte Trump bei einer Veranstaltung im Weißen Haus mit Blick auf den Angriff.
Langer Streit um Himalaya-Region
Seit dem Anschlag vor etwa zwei Wochen haben sich beide Länder mit Sanktionen überzogen, wiesen Staatsbürger des jeweils anderen Landes aus und reduzierten die diplomatischen Beziehungen. Experten betrachteten besonders Indiens Entscheidung als bedeutend, den sogenannten Indus-Wasservertrag mit dem Nachbarn auszusetzen.
Der Vertrag regelt die Nutzung des Wassers sowohl auf der Seite des Indus als auch seiner Nebenflüsse. Islamabad bezeichnete die Aussetzung des Vertrags als eine kriegerische Handlung und drohte mit entsprechenden Gegenmaßnahmen.
Die Region Kaschmir im Himalaya ist zwischen Pakistan und Indien aufgeteilt – beide beanspruchen jedoch das gesamte Gebiet für sich. Die Wurzeln des Konflikts reichen bis in die Kolonialzeit zurück. Im Jahr 1947 entließen die Briten den indischen Subkontinent in die Unabhängigkeit und teilten ihn auf. Neben dem überwiegend hinduistischen Indien entstand aus der Teilung der neue Staat Pakistan für Muslime. Die gewaltsame Teilung hat bis heute eine erbitterte Rivalität genährt. Seit ihrer Unabhängigkeit haben beide Länder drei Kriege gegeneinander geführt, zwei davon um Kaschmir.