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Konsulatsschließungen: Iran bestellt Geschäftsträger ein

Die deutsche Reaktion auf die Hinrichtung eines deutschen Staatsbürgers im Iran fällt härter aus als von vielen erwartet. Der Iran bestellt den deutschen Geschäftsträger ein.

Iran verurteilt die Schließung seiner drei Konsulate in Deutschland und bestellt aus Protest den Geschäftsträger der deutschen Botschaft in Teheran ein.
Foto: Gregor Fischer/dpa

Der Iran hat die Schließung seiner drei Generalkonsulate in Deutschland verurteilt und aus Protest den Geschäftsträger der deutschen Botschaft einbestellt. Die Entscheidung von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Iranern sowie Deutschen konsularische Dienstleistungen in Deutschland zu verweigern, sei «ungerechtfertigt», so das iranische Außenministerium in einer Presseerklärung auf dem Internetportal «Iran Nuances». Ob die Regierung Teheran daneben noch weitere Maßnahmen ergreift, ist unklar. Beobachter in Teheran rechnen jedoch mit härteren Schritten.

Die Bundesregierung hatte zuvor die Schließung der Vertretungen in Frankfurt am Main, Hamburg und München mit zusammen 32 konsularischen Beamten als Reaktion auf die Hinrichtung des deutsch-iranischen Doppelstaatsbürgers Djamshid Sharmahd verkündet. Baerbock begründete den Schritt mit dem «menschenverachtenden Agieren» der iranischen Führung. «Dass nun im Lichte der jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten die Ermordung erfolgte, zeigt, dass ein diktatorisches Unrechtsregime wie das der Mullahs nicht in der normalen diplomatischen Logik agiert», sagte die Grünen-Politikerin. Das iranische Außenministerium nannte den Protest der Bundesregierung gegen die Hinrichtung eine Einmischung in innere Angelegenheiten.

Nur einmal zuvor greift die Regierung zu solch einer Maßnahme

Die Reaktion auf die Hinrichtung ist härter als erwartet. Die betroffenen Konsularbeamten verlieren ihr Aufenthaltsrecht und müssen ausreisen, es sei denn, sie haben andere Aufenthaltsgründe wie eine EU-Staatsbürgerschaft. Die Botschaft in Berlin bleibt geöffnet und kümmert sich weiterhin um die konsularische Betreuung der 300.000 Iraner in Deutschland. Das Auswärtige Amt gibt keine Auskunft über die Anzahl der Mitarbeiter an der Botschaft.

Die Bundesregierung hat bisher nur einmal zu einer derart drastischen Maßnahme gegriffen: Nach dem Angriff auf die Ukraine wurden vier russische Generalkonsulate geschlossen, jedoch mit Verzögerung. Die Entscheidung wurde erst 15 Monate nach der Invasion im Mai 2023 als Reaktion auf die Ausweisung Hunderter deutscher Staatsbediensteter getroffen und erst zum Jahreswechsel 2023/24 umgesetzt.

Etwa 300.000 Iraner in Deutschland

Die Hinrichtung von Sharmahd wurde von der iranischen Justiz am Montag bekannt gegeben. Im Frühjahr 2023 wurde er nach Terrorvorwürfen in einem umstrittenen Prozess zum Tode verurteilt. Die Bundesregierung, Angehörige und Menschenrechtler wiesen die Anschuldigungen gegen ihn entschieden zurück.

Baerbock betonte, dass die Bundesregierung den Iran stets vor ernsthaften Konsequenzen im Falle von Hinrichtungen gewarnt habe. Sie forderte die Freilassung der deutschen Staatsbürger, die noch immer inhaftiert sind, deren genaue Anzahl vom Auswärtigen Amt nicht bekannt gegeben wird.

Neuer Tiefpunkt in den deutsch-iranischen Beziehungen

Die deutsch-iranischen Beziehungen, die ohnehin schon massiv eingeschränkt waren, haben mit der Schließung der Generalkonsulate einen neuen Tiefpunkt erreicht.

Schon nach dem Todesurteil gegen Sharmahd hatte das Auswärtige Amt zwei iranische Diplomaten des Landes verwiesen. Der Iran reagierte daraufhin mit der Ausweisung der gleichen Anzahl deutscher Diplomaten. Dies ist ein gängiges Vorgehen in solchen Situationen.

Die Europäische Union berät auch über mögliche zusätzliche Sanktionen gegen den Iran. Es könnte sich dabei um Personen handeln, die in Verbindung mit Hinrichtungen, Inhaftierungen oder Gerichtsverfahren stehen, die von der Bundesregierung als nicht rechtsstaatlich angesehen werden. Baerbock hat erneut gefordert, dass die EU die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation einstuft.

Baerbock hatte «schwerwiegende Folgen» angekündigt

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Baerbock hatten die Hinrichtung bereits am Montag scharf verurteilt. Baerbock ließ zunächst den Leiter der iranischen Botschaft in Berlin ins Auswärtige Amt einbestellen. Staatssekretärin Susanne Baumann übermittelte ihm in einem Gespräch den «scharfen Protest gegen das Vorgehen des iranischen Regimes».

Derzeit ist kein iranischer Botschafter in Berlin. Der vorherige Botschafter ist im Rahmen eines regulären Personalwechsels abgereist und es ist noch kein Nachfolger eingetroffen. Nach der Tötung Sharmahds ist es unwahrscheinlich, dass bald ein neuer Botschafter entsandt wird.

Auswärtiges Amt warnt vor Reisen in den Iran

Der deutsche Botschafter in Teheran, Markus Potzel, wurde von Baerbock zu «Konsultationen» nach Deutschland zurückbeordert. Er hat den Iran inzwischen verlassen. Wann er zurückkehrt, ist ebenfalls völlig offen.

Das Auswärtige Amt warnt davor, in den Iran zu reisen, und hat deutsche Staatsangehörige bereits aufgefordert, das Land zu verlassen. Es ist unklar, wie viele Deutsche sich noch im Land befinden. Eine niedrige dreistellige Anzahl hat sich auf der Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amts registriert.

Sharmahd kam im Alter von sieben Jahren nach Deutschland

Sharmahd wurde 1955 in Teheran geboren, kam im Alter von sieben Jahren nach Deutschland und wuchs in Niedersachsen auf, wo er in der Landeshauptstadt Hannover jahrelang einen Computerladen betrieb. Im Jahr 2003 zog er schließlich nach Kalifornien in den USA, wo er politisch aktiv war.

In den USA war Sharmahd in der iranischen Exil-Oppositionsgruppe «Tondar» (Donner) aktiv. Die iranische Staatsführung wirft der monarchistischen Organisation vor, für einen Anschlag im Jahr 2008 in der Millionenstadt Schiras mit mehreren Todesopfern verantwortlich zu sein. Die Vorwürfe lassen sich unabhängig nicht überprüfen – Hinterbliebene der Toten hatten Sharmahds Exekution gefordert.

Kritiker bezeichneten den Prozess gegen Sharmahd als grob unfair. Er durfte keinen eigenen Anwalt wählen, und sein Aufenthaltsort blieb bis zuletzt unbekannt. Geständnisse, die im Staatsfernsehen ausgestrahlt wurden, könnten unter Folter erzwungen worden sein. Den Vorsitz im Sharmahd-Prozess hatte Abolghassem Salawati, auch bekannt als «Richter des Todes», der von den USA und der Europäischen Union mit Sanktionen belegt wurde.

dpa