Nach den Angriffen auf sein Atomprogramm hatte der Iran mit Konsequenzen gedroht. Nun wird Teheran konkret: Die internationale Überwachung der Nuklearanlagen soll auf Eis gelegt werden.
Iran will Zusammenarbeit mit Atomenergiebehörde aussetzen
Der Iran plant, vorübergehend die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) auszusetzen. Laut dem Staatssender IRIB hat das Parlament in Teheran diesen Beschluss gefasst. Zwei entscheidende Gremien müssen noch zustimmen: der iranische Sicherheitsrat und der Wächterrat – ein bedeutendes islamisches Gremium im Staat. Der Sicherheitsrat wird als wichtigstes politisches Entscheidungsgremium im Land angesehen, das unter der Leitung des Religionsführers Ajatollah Ali Chamenei steht.
Das Land will der Entscheidung zufolge solange keine IAEA-Inspektoren ins Land lassen, bis die «Sicherheit» der nuklearen Anlagen gewährleistet ist. Dazu müsse die Organisation die Angriffe der USA und Israels auf die Nuklearanlagen verurteilen und das iranische Atomprogramm anerkennen, sagte Parlamentspräsident Mohammed Bagher Ghalibaf.
Laut IAEA sind derzeit immer noch Inspektoren im Land tätig. Der IAEA-Direktor Rafael Grossi betonte bereits am 13. Juni, dem Tag des israelischen Angriffs auf den Iran, dass Atomanlagen niemals aufgrund der sehr realen Gefahr eines schweren radiologischen Unfalls angegriffen werden sollten.
Die IAEA möchte nach den Angriffen auf das iranische Atomprogramm vor allem den Verbleib von beinahe waffenfähigem Uran überprüfen. Die internationale Behörde in Wien spielt eine wichtige Rolle bei der Überwachung des iranischen Atomprogramms. Ihr Ziel ist es sicherzustellen, dass der Iran ausschließlich zivile, friedliche Atomtechnologie nutzt und keine Atomwaffen entwickelt. In den letzten Jahren hat der Iran jedoch den Zugang für IAEA-Inspektoren immer stärker eingeschränkt.
Scharfe Kritik aus Teheran an der IAEA
Der Iran hatte die IAEA nach den US-Angriffen auf Nuklearanlagen im Zuge des Krieges mit Israel scharf kritisiert und der Organisation Untätigkeit vorgeworfen. Die Angriffe seien «unter der Gleichgültigkeit oder gar Mitwirkung» der IAEA erfolgt. Irans Atomorganisation erklärte, dass trotz der «bösartigen Verschwörungen der Feinde» Irans Nuklearprogramm nicht gestoppt werde. Die IAEA gilt auch als Kontrollinstanz des Atomwaffensperrvertrages (NPT).
«Jahrelang haben wir uns bemüht, der Welt zu zeigen, dass wir dem Atomwaffensperrvertrag verpflichtet sind und ihn dementsprechend auch umsetzen (…) doch leider konnte auch dieser Vertrag weder das Land noch das zivile Nuklearprogramm des Landes schützen», sagte der iranische Außenminister Abbas Araghtschi zur Rechtfertigung laut IRIB.
IAEA-Chef: Atominspektoren müssen Arbeit im Iran fortsetzen
IAEA-Chef Grossi hatte zuletzt von Teheran die Wiederaufnahme der Kooperation mit seinen Inspektoren gefordert. Dies sei ein «Schlüssel zu einer erfolgreichen diplomatischen Einigung, um den Streit um die iranischen Atomaktivitäten endgültig beizulegen», wurde Grossi in einem IAEA-Lagebericht am Dienstagabend zitiert.
Mehr als 400 Kilogramm Uran
Laut einem Bericht der IAEA besitzt der Iran mehr als 400 Kilogramm Uran mit einem Reinheitsgrad von fast 60 Prozent, der für Waffen geeignet ist. Das Uran wurde bisher in den Anreicherungsanlagen in Natans und Fordo hergestellt. Diplomaten zufolge könnten damit Atomwaffen hergestellt werden, wenn das Material weiter auf 90 Prozent angereichert würde. Teheran betont, dass es keine Atomwaffen entwickeln will, aber in vielen Ländern wächst die Besorgnis, dass der Iran der Fähigkeit zur Herstellung von Kernwaffen immer näher kommt.
Der Iran hatte auch das internationale Regelwerk gegen die Verbreitung von Nuklearwaffen infrage gestellt. Die Attacken auf iranische Atomanlagen hätten dem bestehenden rechtlichen System «einen fundamentalen und irreparablen Schlag versetzt», sagte Botschafter Resa Nadschafi am Rande einer Sondersitzung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien.
Der Vertrag verbietet Staaten ohne Atomwaffenarsenal, solche Waffen herzustellen oder zu erwerben. Gleichzeitig gewährt das Abkommen allen Ländern das Recht, Atomtechnologie für friedliche Zwecke zu nutzen.