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Irans Atomanlagen zerstört? Geheimdienst widerspricht Trump

«Totale Auslöschung» oder doch nur um ein paar Monate zurückgeworfen – in welchem Zustand ist das iranische Atomprogramm? Ein Geheimdienstbericht zieht die Aussagen von US-Präsident Trump in Zweifel.

Es gibt widersprüchliche Angaben dazu, wie weit das iranische Atomprogramm zurückgeworfen wurde.
Foto: Uncredited/Maxar Technologies via AP/dpa

Die iranischen Atomanlagen sind durch die US-Bombardierung vom Wochenende einem Geheimdienstbericht zufolge weniger stark beschädigt worden als US-Präsident Donald Trump und Israels Premier Benjamin Netanjahu angegeben haben. CNN und «New York Times» berichteten unter Berufung auf den Bericht, das Atomprogramm sei nur um einige Monate zurückgeworfen worden. Trump wiederum hatte davon gesprochen, die Anlagen seien komplett zerstört. 

Laut den Medien handelt es sich um eine erste geheimdienstliche Einschätzung. Demnach war das US-Bombardement gegen Irans unterirdische Atomanlagen nicht vollständig erfolgreich. Beide Medien beziehen sich auf Beamte, die mit dem Bericht des militärischen Geheimdienstes (DIA) vertraut sind. Sie betonen jedoch, dass weitere Untersuchungen zu anderen Schlussfolgerungen führen könnten.

Trump: «Fake News»

US-Präsident Trump widersprach den Medienberichten heftig. Er wies sie als «Fake News» zurück und schrieb, man habe die Atomanlagen «vollständig zerstört». Beim Nato-Gipfel in Den Haag sagte Trump vor Journalisten: «Ich glaube, es war eine totale Auslöschung.» Er sprach von einer «perfekten Operation». Den beiden Medien unterstellte er, die Regierung schlecht aussehen lassen zu wollen.

Der Geheimdienstbericht geht der «New York Times» zufolge davon aus, dass der Iran seinen Bestand an angereichertem Uran vor den Angriffen an andere Orte verlegt hat. Trump widersprach: «Ich glaube, sie hatten keine Chance, etwas herauszuholen, weil wir schnell gehandelt haben.» 

Er behauptet, dass er bald Informationen aus Israel über das genaue Ausmaß der Aktion erhalten wird, auch weil Netanjahu Leute vor Ort hat.

Kurz darauf veröffentlichte das Weiße Haus eine Mitteilung der Israelischen Atomenergiekommission. Wenig später veröffentlichte auch das Büro von Ministerpräsident Netanjahu den Text. Darin wurde erklärt, dass der US-Angriff auf die Anlage in Fordo die Infrastruktur zerstört und die Urananreicherung unbrauchbar gemacht habe. Es wurde angenommen, dass die amerikanischen und israelischen Angriffe das iranische Atomprogramm um viele Jahre zurückgeworfen hätten. Dieser Erfolg könnte von Dauer sein, solange Teheran keinen Zugang zu Kernmaterial erhält.

Was sagt Israel?

Auch die israelische Armee geht davon aus, dass die Angriffe das iranische Atomprogramm um Jahre zurückgeworfen haben. Nach derzeitiger Einschätzung der Armee wurde das Atomprogramm der Islamischen Republik erheblich beschädigt, wie der israelische Militärsprecher Effie Defrin sagte. Aus Sicht des Militärs sei es jedoch noch zu früh, um die Auswirkungen auf das iranische Atomprogramm zu beurteilen. Diese würden noch untersucht.

Am vergangenen Wochenende haben die Vereinigten Staaten an der Seite Israels in den Konflikt mit dem Iran eingegriffen und iranische Atomanlagen angegriffen.

IAEA legt sich nicht auf zeitliche Perspektive fest

Laut der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) hat der Iran möglicherweise die Möglichkeit, die Atomanlagen wieder aufzubauen. „Ich kann mich jedoch nicht auf einen zeitlichen Horizont festlegen“, sagte Behördenchef Rafael Grossi. Er betonte, dass das Land über das erforderliche technische Wissen und die nötige industrielle Kapazität verfüge. Einige Teile der iranischen Atom-Infrastruktur hätten zudem die Angriffe überstanden.

Zur Frage, ob die Angriffe Israels und der Vereinigten Staaten das Atomprogramm um Jahre oder nur um Monate zurückgeworfen hätten, wollte sich Grossi nicht äußern. «Ich mag den Ansatz nicht, dies wie mit einer Sanduhr zu betrachten», sagte er. Nun gehe es darum, mit dem Iran an langfristigen Lösungen zu arbeiten.

Einige Inspektoren der IAEA blieben trotz der Angriffe Israels und der Vereinigten Staaten im Iran, konnten jedoch die Atomanlagen nicht besuchen. Die IAEA möchte hauptsächlich den Verbleib von beinahe waffenfähigem Uran im Iran verifizieren.

IAEA: Atom-Inspektionen hat oberste Priorität

Laut Grossi hat die Wiederaufnahme der Nuklear-Inspektionen im Iran nun oberste Priorität. Er gestand jedoch ein, dass die Untersuchung von kriegsbeschädigten Anlagen schwierig sei.

Das Parlament in Teheran hatte zuvor beschlossen, dass die Zusammenarbeit mit der IAEA in Wien vorübergehend ausgesetzt werden soll, wie der Staatssender IRIB berichtete. Doch dafür müssten noch zwei wichtige Gremien zustimmen: der iranische Sicherheitsrat und der Wächterrat. Grossi äußerte sich nicht explizit zu diesem möglichen Schritt.

Laut einem IAEA-Bericht verfügt der Iran unter anderem über mehr als 400 Kilogramm Uran mit einem Reinheitsgrad von fast 60 Prozent, der fast waffenfähig ist. Dieses Uran wurde bisher in den Anreicherungsanlagen in Natans und Fordo hergestellt. Nach Aussage von Diplomaten könnten damit einige Atomwaffen hergestellt werden, wenn das Material weiter auf 90 Prozent angereichert würde. Teheran besteht darauf, keine Atomwaffen herstellen zu wollen, aber in vielen Ländern wächst die Besorgnis, dass die Islamische Republik immer näher an die Fähigkeit heranrückt, Kernwaffen herstellen zu können.

dpa