Eine Bodenoffensive Israels im Libanon war erwartet worden. Nun sind erste Soldaten in den Süden des Landes eingedrungen. Der Angriff richtet sich gegen Einrichtungen der Hisbollah.
Israel beginnt im Libanon Bodenoffensive gegen Hisbollah
Israel hat im Libanon gegen die Hisbollah-Miliz eine Bodenoffensive begonnen. Das teilte die Armee am frühen Dienstagmorgen auf der Plattform X mit. Vor einigen Stunden habe man «mit begrenzten, lokalisierten und gezielten Bodenangriffen auf der Grundlage präziser Geheimdienstinformationen gegen terroristische Ziele und Infrastruktur der Hisbollah im Südlibanon» begonnen. Diese Ziele der proiranischen Schiiten-Miliz befänden sich in grenznahen Dörfern und stellten eine unmittelbare Bedrohung für israelische Gemeinden in Nordisrael dar.
Die israelische Luftwaffe und die Artillerie unterstützten die Bodentruppen mit präzisen Angriffen auf militärische Ziele in diesem Gebiet, wurde berichtet. Die Armee unternimmt alles, was notwendig ist, um die Bürger Israels zu verteidigen und die Bewohner Nordisraels in ihre Häuser zurückzuführen. Die Operation wird parallel zu den Kämpfen im Gazastreifen gegen die Hamas und in anderen Gebieten fortgesetzt. Die Soldaten wurden in den vergangenen Monaten für den Einsatz trainiert. Israel strebt an, die Rückkehr von 60.000 Israelis zu ermöglichen, die seit Monaten durch die Hisbollah-Angriffe aus Gebieten entlang der Grenze vertrieben wurden.
Am frühen Dienstagmorgen wurden auch Raketen auf Israel abgefeuert. Die Armee gab auf Telegram bekannt, dass etwa zehn Geschosse in der Gegend von Meron im Norden Israels abgefangen wurden. Einige sind auf offenem Gelände abgestürzt. Außerdem hat die Luftabwehr kürzlich eine Drohne Dutzende Kilometer vor der Küste Zentralisraels abgefangen, so hieß es weiter.
Der Konflikt zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon hat sich kürzlich dramatisch verschärft. Das israelische Militär greift seit Tagen massiv Ziele im Nachbarland an, darunter Waffenlager der Hisbollah. Der Libanon meldet Hunderte Tote und Verletzte. Am Freitag wurden bei einem gezielten israelischen Luftangriff der Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah und weitere Hisbollah-Kämpfer getötet.
Offensive gegen Hisbollah-Einrichtungen gerichtet
Laut einem Bericht des israelischen Senders Kan soll die Offensive vor allem gegen Einrichtungen der Eliteeinheiten der Hisbollah gerichtet sein. Eine Bodenoffensive zielt nicht auf die Eroberung von Gebieten ab, sondern auf die Zerstörung militärischer Ziele.
Israel hatte die USA nach Angaben der US-Regierung über begrenzte Einsätze des Militärs an der libanesischen Grenze informiert. Israel habe mitgeteilt, dass die Operationen sich auf «die Infrastruktur der Hisbollah in der Nähe der Grenze» konzentrierten, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller.
Auch die Hisbollah schießt seit den neu entfachten intensiven Kämpfen an manchen Tagen Hunderte Raketen auf Israel. Die Miliz hat nach Ausbruch des Gaza-Kriegs ihre sogenannte «Solidaritätsfront» eröffnet und Tausende Raketen auf Israel abgefeuert. Sie will ihre Waffen erst niederlegen, wenn der Krieg im Gazastreifen beendet wird.
Zehntausende Libanesen sind aus ihren Dörfern und Städten geflohen. Viele bleiben in der Hauptstadt Beirut und schlafen auf Matratzen an der Küstenpromenade der Mittelmeerstadt, da Unterkünfte fehlen. Die jüngste Eskalation wird bei vielen der rund neun Millionen Einwohner des Landes Erinnerungen an den letzten Krieg zwischen Israel und der Hisbollah vor 18 Jahren wecken.
Libanesische Armee zog Soldaten von Grenze zurück
Vor Beginn der israelischen Bodenoffensive wurden laut Militärkreisen libanesische Soldaten von der Grenze zurückgezogen. Einige Soldaten wurden von der sogenannten Blauen Linie abgezogen, wie die Deutsche Presse-Agentur aus libanesischen Armeekreisen erfuhr. Der Libanon ist hoch verschuldet, was auch dazu führt, dass die regulären Streitkräfte unterfinanziert und insgesamt schwach sind. Es mangelt an Ressourcen, die Ausrüstung ist veraltet und selbst die Lebensmittel sind knapp. Einigen Beobachtern zufolge kann die Armee derzeit nur dank der Militärhilfen der USA existieren, die seit 2006 mehr als drei Milliarden US-Dollar umfassten.
Am Montag hatte sich erstmals nach der Tötung Nasrallahs die Spitze der islamistischen Miliz zu Wort gemeldet und ihre Kampfbereitschaft signalisiert. «Wir wissen, dass der Kampf lang dauern könnte und sind auf alle Möglichkeiten vorbereitet», sagte der stellvertretende Hisbollah-Chef Naim Kassim in einer im Fernsehen übertragenen Rede. «Wenn Israel sich entscheidet, eine Bodenoffensive zu starten: Wir sind bereit.» Wer die Hisbollah anführen soll, sagte er nicht.
Die Hisbollah sowie die islamistische Hamas im Gazastreifen gehören zur sogenannten «Achse des Widerstands», einem von der Führung in Teheran unterstützten Netzwerk im Kampf gegen den Erzfeind Israel.