Medienberichten zufolge drangen Bodentruppen und Spezialeinheiten in Dschenin ein, das als Hochburg radikaler Palästinenser gilt.
Israel startet Militäreinsatz im Westjordanland nach Waffenruhe

Kurz nach Beginn der Waffenruhe im Gazastreifen hat Israel einen umfangreichen Militäreinsatz gegen militante Palästinenser im Westjordanland eingeleitet. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Ramallah wurden bei dem Einsatz in der Stadt Dschenin zehn Menschen getötet und mindestens 40 verletzt. Der Militäreinsatz, der jüngste in einer Reihe von Razzien der israelischen Armee im Westjordanland in den vergangenen Monaten, diene der «Bekämpfung des Terrorismus» und werde «umfangreich und bedeutsam» sein, erklärte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
Laut Medienberichten drangen Bodentruppen und Spezialeinheiten in Dschenin ein, das als Hochburg radikaler Palästinenser gilt. Es gab auch Drohnenangriffe. Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde, die zuvor mehrere Wochen lang selbst gegen Militante im Einsatz waren, zogen sich nach palästinensischen Angaben zurück.
Gewalt nimmt zu
Das Vorgehen der israelischen Streitkräfte in Dschenin erfolgt zu einer Zeit, da sich die ohnehin schon gespannte Lage im Westjordanland angesichts eines Erstarkens militanter Palästinenser und zunehmender Gewalt radikaler israelischer Siedler gegen palästinensische Zivilisten drastisch verschärft hat.
Am Montag, einen Tag nach Inkrafttreten einer Waffenruhe im Gaza-Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas, hatte Israels Generalstabschef Herzi Halevi gesagt, man müsse in den kommenden Tagen auf umfangreiche Anti-Terror-Einsätze im Westjordanland vorbereitet sein, «um den Terroristen zuvorzukommen und sie festzunehmen, bevor sie unsere Zivilisten erreichen».
Einen Tag später kündigte Halevi seinen Rücktritt als Armeechef an und begründete dies unter anderem mit dem Versagen des Militärs, Israel vor dem Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober 2023 mit rund 1.200 Todesopfern zu schützen. Das Massaker wurde zum Auslöser des Gaza-Kriegs. Die seit 2007 im Gazastreifen herrschende und im Verlaufe des Krieges durch die israelische Armee geschwächte Hamas habe ihre Bemühungen zur Bewaffnung radikaler Palästinenser im Westjordanland verstärkt, um eine weitere Front gegen Israel zu eröffnen, sagten Analysten der «New York Times».
Netanjahu: Gehen gegen «iranische Achse» vor
Der israelische Regierungschef Netanjahu sagte zum Einsatz in Dschenin, man gehe überall dort vor, wohin die «iranische Achse» reiche. Zu Irans Verbündeten zählen neben der Hamas die von Israel ebenfalls militärisch geschwächte Hisbollah im Libanon sowie die Huthi-Miliz im Jemen.
Seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 stieg die Zahl der im Westjordanland getöteten Palästinenser nach palästinensischen Angaben auf 828. Angeheizt wird die Lage durch die Gewalt radikaler jüdischer Siedler.
Israelische Siedler greifen Dörfer an
Nach dem Inkrafttreten der Feuerpause in Gaza wurden Dutzende palästinensische Häftlinge im Austausch gegen drei Hamas-Geiseln aus israelischen Gefängnissen freigelassen. Viele von ihnen kehrten ins Westjordanland zurück, wo es zu wiederholten Angriffen radikaler israelischer Siedler auf palästinensische Dörfer kam. Laut israelischen Medienberichten setzten vermummte Siedler in den Dörfern Gebäude und Fahrzeuge in Brand.
Während des Sechs-Tage-Krieges 1967 eroberte Israel unter anderem das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem. Etwa eine halbe Million israelische Siedler leben dort teils neben drei Millionen Palästinensern. Einschließlich Ost-Jerusalems beläuft sich die Zahl sogar auf 700.000 Siedler. Im Jahr 2016 bezeichnete der UN-Sicherheitsrat die Siedlungen als Verstoß gegen internationales Recht und forderte Israel auf, alle Siedlungsaktivitäten in den palästinensischen Gebieten zu stoppen.
Hamas ruft zu «Generalmobilisierung» auf
Der frisch vereidigte US-Präsident Donald Trump hob jedoch einen Tag nach Beginn der Gaza-Feuerpause die Sanktionen gegen radikale Siedler im Westjordanland auf, die von der Regierung seines Vorgängers Joe Biden verhängt worden waren. Dies beinhaltete die Blockierung von Vermögenswerten in den USA sowie das Verbot für US-Bürger und alle Personen in den USA, Geschäfte mit sanktionierten Organisationen und Personen zu tätigen. Auch die Europäische Union hatte Sanktionen gegen radikale Siedler verhängt.
Nachdem Trump die Sanktionen aufgehoben hat, äußerte das palästinensische Außenministerium in Ramallah die Befürchtung, dass es nun zu noch mehr Gewalt jüdischer Siedler im Westjordanland kommen könnte. Die Hamas rief unterdessen die Bevölkerung zur «Generalmobilisierung» und zu Konfrontationen mit den israelischen Sicherheitskräften und Siedlern auf. Angesichts des israelischen Militäreinsatzes in Dschenin forderte auch die Organisation Islamischer Dschihad die Bewohner des Westjordanlands dazu auf, sich «diesem kriminellen Einsatz mit allen Mitteln zu widersetzen».
Verletzte bei Messerangriff in Tel Aviv
Derweil wurden bei einem Messerangriff in der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv am Abend laut dem israelischen Rettungsdienst vier Menschen verletzt. Der Täter wurde Medienberichten zufolge von einem Passanten erschossen. Die Polizei sprach von einem terroristischen Angriff. Laut der «Times of Israel» war der aus Marokko stammende Mann, der eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung in den USA besessen habe, am Samstag als Tourist nach Israel eingereist. Die Hamas pries ihn als Märtyrer und stellte seine Tat als Reaktion auf den israelischen Militäreinsatz in Dschenin dar.
Laut der Zeitung, haben Beamte der Grenzpolizei in der Nacht drei Palästinenser erschossen, die sie in einem Flüchtlingslager bei Jerusalem mit Steinen beworfen hätten. Während eines Einsatzes der Sicherheitskräfte hätten Dutzende Palästinenser angefangen zu randalieren. Die Polizisten hätten sich bedroht gefühlt und das Feuer eröffnet.