Israel lichtet weiter die Reihen der Hisbollah-Führung. Derweil dauern die Kämpfe im Libanon wie auch im Gazastreifen an. US-Außenminister Blinken bemüht sich im Nahen Osten um Deeskalation.
Israel bestätigt Tötung mutmaßlichen Nasrallah-Nachfolgers
Das israelische Militär hat die Tötung des vermuteten Nachfolgers von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bestätigt und setzt seine Angriffe auf die proiranische Miliz im Libanon fort. Haschim Safi al-Din wurde vor etwa drei Wochen bei einem Angriff auf das Hauptquartier des Hisbollah-Geheimdienstes in einem Vorort der Hauptstadt Beirut getötet, teilte das Militär am Abend mit. Die Schiiten-Miliz hat seinen Tod bisher nicht bestätigt.
Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant betonte derweil bei einem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken am Abend, die Hisbollah werde auch nach Abschluss der «gezielten Operationen» im Libanon so lange weiter bekämpft, bis die Miliz aus dem Grenzgebiet vertrieben sei und die geflohenen Bewohner im Norden Israels sicher zurückkehren könnten.
Die israelische Armee erklärte, dass Safi al-Din Mitglied im Schura-Rat der Hisbollah war, dem höchsten militärisch-politischen Gremium der Hisbollah. Dieses Gremium sei verantwortlich für Entscheidungsfindung und politische Gestaltung der Terrororganisation. Bei dem Luftangriff in Libanons Hauptstadt vor etwa drei Wochen seien neben Safi al-Din auch Ali Hussein Hasima getötet worden, der Befehlshaber des Geheimdienstes der Hisbollah. Er sei für zahlreiche Angriffe auf israelische Soldaten verantwortlich gewesen.
Blinken setzt Nahost-Gespräche fort
Währenddessen setzt US-Außenminister Blinken seine Nahost-Reise fort. Bei einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Jerusalem forderte er dazu auf, die Gelegenheiten zu nutzen, die sich nach der Tötung des Hamas-Anführers Jihia al-Sinwar im umkämpften Gazastreifen ergeben. Dies könnte zur Freilassung der israelischen Geiseln aus der Gewalt der mit der Hisbollah verbündeten Hamas sowie zum Ende des Kriegs in Gaza führen, zitierte ihn sein Sprecher Matthew Miller. Blinken betonte die Bedeutung, neue Wege für die Zeit nach dem Krieg zu suchen, damit Palästinenser und Israelis dauerhaft sicher leben können.
Blinken hat die israelische Regierung aufgefordert, mehr humanitäre Hilfe für die notleidende Zivilbevölkerung im abgeriegelten Gazastreifen zuzulassen, wie sein Sprecher mitteilte. Netanjahus Büro hat in seiner Darstellung des Gesprächsverlaufs nicht darauf reagiert. Die israelische Militärbehörde Cogat, zuständig für Palästinenserangelegenheiten, teilte mit, dass in den letzten acht Tagen allein 237 Lastwagen mit Hilfsgütern in den besonders von Mangel betroffenen Norden Gazas eingefahren seien. Hilfsorganisationen zufolge reicht dies jedoch nicht aus, um die hungernde Bevölkerung zu versorgen.
Wieder Tote im Libanon
Inzwischen sind im Libanon erneut mehrere Menschen bei israelischen Angriffen ums Leben gekommen. Das libanesische Gesundheitsministerium gab bekannt, dass bei einem Angriff im Nordosten des Landes fünf Menschen getötet und zehn weitere verletzt wurden. Bei einem anderen Angriff in Nabatija im Südlibanon wurden laut Behördenberichten fünf Menschen getötet und 21 weitere verletzt. Das israelische Militär forderte am späten Abend erneut Evakuierungen in den südlichen Vororten Beiruts, die als Dahija bekannt sind.
Israels Luftwaffe hatte bereits am Nachmittag Gebäude in dieser Gegend angegriffen. Die Hisbollah setzte ihrerseits den Beschuss Israels fort. Israels Armee teilte mit, dass etwa 140 Geschosse vom Libanon aus abgefeuert wurden. Einzelheiten wurden zunächst nicht genannt.
Die Miliz, die mit dem Iran verbündet ist, plant, ihre Angriffe nur dann zu beenden, wenn eine Waffenruhe für Gaza vereinbart wird. Trotz Verhandlungen unter Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars gibt es seit Monaten keine Fortschritte. Selbst die Tötung von Hamas-Chef Sinwar in der vergangenen Woche hat bisher nichts daran geändert.
Israel: Erreichen alle unsere Feinde
Man habe der Kommandostruktur der Hisbollah «schweren Schaden» zugefügt, sagte der für den Nordabschnitt Israels zuständige Kommandeur, Ori Gordin. «Überall, wo wir in Kämpfe verwickelt waren, haben wir uns durchgesetzt. Wir sind entschlossen, jeden Tunnelschacht, jeden unterirdischen Bereich und jedes Waffenlager zu erreichen – um sie zu zerstören oder zu beschlagnahmen», wurde Gordin in einer Mitteilung der Armee zitiert.
Nach der Bestätigung des Tods von Safi al-Din sagte Generalstabschef Herzi Halevi, Israel werde alle seine Feinde erreichen. «Wir haben Nasrallah, seinen Nachfolger und den größten Teil der Hisbollah-Führung erreicht. Wir werden wissen, wie wir jeden erreichen können, der die Sicherheit der israelischen Bürger bedroht», zitierte ihn die «Times of Israel». Nach Angaben der Armee hatten sich zum Zeitpunkt des Angriffs auf das Hauptquartier der Miliz vor rund drei Wochen mehr als 25 Mitglieder des Hisbollah-Geheimdienstes dort befunden.
Safi al-Din – in umgeschriebener Fassung auch als Safieddine bekannt – gehörte als Chef des Exekutivrats schon lange zu einer der wichtigsten Figuren innerhalb der Führung der Miliz. Er war etwa 60 Jahre alt – sein genaues Alter ist unbekannt. In den 1980er Jahren soll er im Iran ausgebildet worden sein. Er war mütterlicherseits Nasrallahs Cousin und laut der Zeitung «Asharq al-Awsat» der Vater des Schwiegersohns des mächtigen iranischen Generals Ghassem Soleimani, der 2020 im Irak durch einen US-Drohnenangriff getötet wurde.
Während Nasrallah nicht im Libanon war, übernahm Safi al-Din die Rolle des Generalsekretärs, wie das israelische Militär mitteilte. Er leitete Terroranschläge gegen Israel. Die USA erklärten ihn 2017 zusammen mit Saudi-Arabien zum Terroristen. Sie machen ihn unter anderem für ein Selbstmordattentat auf das Hauptquartier der US-Marineinfanterie in Beirut verantwortlich, bei dem 1983 insgesamt 241 US-Soldaten getötet wurden.
Safi al-Din rief zur Vernichtung Israels auf
Israels Militär tötete abgesehen von Nasrallah bisher vor allem Militärkommandeure, nicht aber Angehörige der oberen politischen Ränge der Miliz. Die Organisation mag die schwersten Schläge seit Jahrzehnten erlitten haben, den Konflikt mit Israel dürfte sie aber – wenn auch deutlich geschwächt – fortsetzen. Im vergangenen Jahr hatte Safi al-Din gesagt: «Es mag einen Krieg, zwei Kriege, drei Kriege» dauern und «mehrfache Konfrontationen» erfordern, aber letztlich müsse Israel vernichtet werden.
Israel bleibt entschlossen, sich gegen seine Feinde zu verteidigen. Nachdem Anfang Oktober die Revolutionsgarden, Irans Elitestreitmacht, etwa 200 ballistische Raketen auf das Land abgefeuert hatten, drohte Israel mit Vergeltung. Es ist jedoch unklar, wann und wie Israel gegen den Iran zurückschlagen wird. Nach der Veröffentlichung von US-Geheimdienstinformationen über Israels Vergeltungspläne ermittelt das FBI. Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter.