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Hunderttausende protestieren in Israel gegen Justizreform

Die höchst umstrittene Justizreform in Israel schreitet trotz massiver Widerstände weiter voran. Regierungschef Netanjahu reist am Mittwoch nach Berlin – auch dort erwartet ihn Kritik.

Protest in Tel Aviv gegen die von der israelischen Regierung geplante Justizreform.
Foto: Ilia Yefimovich/dpa

Vor einem Berlin-Besuch von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu haben in Israel erneut Hunderttausende gegen eine Justizreform demonstriert. Allein in der Küstenmetropole Tel Aviv zogen am Samstagabend etwa 200.000 Demonstranten mit blau-weißen Flaggen durch die Straßen. In Haifa waren es nach Medienberichten etwa 50.000. Auch in Städten wie Jerusalem, Beerscheba und Eilat gab es Kundgebungen. Nach Plänen der rechts-religiösen Regierung soll es dem Parlament künftig möglich sein, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufzuheben. Außerdem soll die Politik mehr Einfluss bei der Ernennung von Richtern erhalten.

Netanjahu ist nach Angaben seines Büros von Mittwoch bis Freitag in Berlin, zum ersten Mal seit seiner Rückkehr an die Regierung. Geplant ist auch ein Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Demonstranten wollen nach Medienberichten am Mittwoch versuchen, die Abreise des konservativen Regierungschefs aus Israel zu stören. Am Donnerstag ist erneut ein «Tag des Zorns» mit Protesten geplant. Auch in Berlin muss Netanjahu mit Kritik rechnen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich bereits besorgt geäußert.

Berichte über festgenommenen Reporter

Die Polizei nahm Medienberichten zufolge am Samstag kurzzeitig einen Reporter der Zeitung «Haaretz» fest, der sich auf den Weg zu der Kundgebung in Tel Aviv machen wollte. Demnach gab es Beschwerden über einen Tweet, in dem der Journalist Netanjahu als «Diktator» bezeichnete und ihm abriet, nach Berlin zu reisen. Israels Präsident Izchak Herzog hatte sich vor wenigen Tagen erstmals öffentlich gegen die Pläne ausgesprochen. Trotzdem könnten Kernelemente der Reform bereits in den nächsten Tagen das Parlament passieren.

Kritiker sehen die Gewaltenteilung in Gefahr und warnen, Israel könnte sich in eine Diktatur verwandeln. Der Historiker Yuval Noah Harari («Eine kurze Geschichte der Menschheit») warf der Netanjahu-Regierung vor, einen «Staatsstreich» zu planen. Das Gesetzesvorhaben könnte Netanjahu auch in einem Korruptionsprozess in die Hände spielen, der seit längerer Zeit gegen ihn läuft. Die Regierung argumentiert dagegen, das Höchste Gericht übe derzeit zu viel politischen Einfluss aus. Die Reform stärke die Demokratie.

dpa