Israels Armee will die Finanzstrukturen der proiranischen Schiiten-Miliz im Libanon zerstören. Angeblich sollen in einem Bunker unter einer Klinik in Beirut Hunderte Millionen Dollar versteckt sein.
Israel greift erneut südliche Vororte Beiruts an
Die südlichen Vororte der libanesischen Hauptstadt Beirut wurden erneut von israelischen Luftangriffen getroffen. Laut dem libanesischen Gesundheitsministerium sollen dabei mehrere Menschen ums Leben gekommen sein. Israels Militär hat die Bewohner bestimmter Gebäude aufgefordert, zu evakuieren, und setzt weiterhin die Finanzstrukturen der proiranischen Hisbollah im Land unter Druck. Armeesprecher Daniel Hagari gab bekannt, dass unter einem Krankenhaus im Süden Beiruts ein Bunker gefunden wurde, in dem die vom Iran unterstützte Schiiten-Miliz Bargeld und Gold im Wert von Hunderten Millionen Dollar versteckt hatte. Es konnte nicht unabhängig überprüft werden.
Derweil wird US-Außenminister Antony Blinken zum Auftakt einer erneuten Reise in den Nahen Osten heute zunächst in Israel mit Regierungschef Benjamin Netanjahu und Staatspräsident Izchak Herzog zusammentreffen. Dort und in weiteren Ländern der Region wolle er «intensive Gespräche» über eine Beendigung des Krieges im Gazastreifen, die Freilassung der israelischen Geiseln und die Linderung des Leidens palästinensischer Zivilisten führen, schrieb Blinken auf der Plattform X. Unterdessen setzt die israelische Armee ihre Kämpfe gegen die Feinde des Landes in Gaza und im Libanon fort.
Armeesprecher: Sind nicht im Krieg mit Libanons Volk
Armeesprecher Hagari forderte die libanesische Regierung und internationale Organisationen auf, nicht zuzulassen, dass die Hisbollah das unter der al-Sahel-Klinik im Süden Beiruts gebunkerte Vermögen für Terrorzwecke und Angriffe auf Israel nutzt. Die Luftwaffe beobachte das Gelände, warnte er. Man werde das Krankenhaus selbst aber nicht angreifen. «Ich möchte betonen: Wir sind nicht im Krieg mit dem libanesischen Volk», sagte Hagari.
Der Krankenhausdirektor, Fadi Alameh, leugnete die Anschuldigungen und erklärte in einem Interview im libanesischen Fernsehen, dass das Krankenhaus vorsorglich evakuiert werde. Er betonte, dass die Klinik keinerlei Verbindungen zu politischen Parteien habe. Alameh forderte die libanesische Armee und die Behörden auf, das Gebäude zu durchsuchen.
Die Angriffe im Süden Beiruts dauern an. Laut der staatlichen libanesischen Nachrichtenagentur NNA wurde unter anderem das Viertel Haret Hreik getroffen. Einer der israelischen Luftangriffe soll laut libanesischen Angaben die Umgebung der Universitätsklinik getroffen haben.
Israel greift weiter Finanzstruktur der Hisbollah an
Seit Montagnacht sind auch Zweigstellen der Vereinigung Al-Kard Al-Hassan, einer Art Bank der Hisbollah, im Visier der israelischen Armee. Generalstabschef Herzi Halevi erklärte am frühen Abend, dass fast 30 Ziele im gesamten Libanon bombardiert wurden. Armeesprecher Hagari berichtete, dass in Beirut ein unterirdisches Depot mit Bargeld und Gold im Millionenwert getroffen wurde. Das Militär schätzt die Vermögenswerte in dem nicht angegriffenen Bunker unter der al-Sahel-Klinik im Süden der Hauptstadt auf rund eine halbe Milliarde Dollar.
Beim gezielten Luftangriff in Damaskus wurde auch der Nachfolger des kürzlich getöteten Finanzchefs der Hisbollah-Miliz ausgeschaltet, sagte Hagari. Laut der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana kamen bei dem Angriff zwei Zivilisten ums Leben und drei weitere wurden verletzt. Ein zerstörtes Auto war auf den Bildern zu sehen. Diese Angaben lassen sich ebenfalls nicht unabhängig überprüfen.
Die Armee Israels betonte, dass der Hisbollah keine Gelegenheit gegeben werden sollte, sich neu zu formieren. Die beiden Hauptquellen für ihre terroristischen Aktivitäten seien direkte Zuwendungen des Irans in Form von Bargeld und Gold sowie die Bürger des Libanons, sagte Hagari. Die Vereinigung Al-Kard Al-Hassan biete den Menschen Finanzdienstleistungen an. Durch den Schmuggel von US-Dollar in den Libanon werde die Landeswährung abgewertet und die bereits schwere Wirtschaftskrise im Libanon weiter verschärft.
Israel: Hisbollah finanziert sich auch über Firmen in der Türkei
Hagari beschuldigte auch die Hisbollah, sich über Unternehmen in der Türkei sowie in Syrien, im Jemen und im Libanon zu finanzieren. Er erwähnte in seiner Videobotschaft nicht, um welche Unternehmen es sich in der Nato-Land Türkei handelt.
Die Hisbollah, die auch mit der Hamas im Gazastreifen verbündet ist, hat seit Beginn des Gazakriegs im Oktober des letzten Jahres fast täglich Israel mit Raketen und Drohnen angegriffen. Am Montag wurden etwa 170 Geschosse auf Israel abgefeuert, wie die Armee am Abend mitteilte. Als Reaktion heulten auch in der Nacht die Sirenen im Norden Israels erneut auf.
Die Hisbollah-Miliz plant, ihre Angriffe auf Israel erst zu beenden, wenn eine Waffenruhe für Gaza vereinbart wurde. Die Gespräche über ein Ende der Kämpfe, die unter Vermittlung der USA, Ägyptens und Katars geführt werden, kommen jedoch seit Monaten nicht voran. Auch die jüngste Tötung von Hamas-Chef Jihia Sinwar änderte daran nichts. Es bleibt abzuwarten, ob die erneute Nahost-Reise von US-Außenminister Blinken etwas bewirken wird.
Der Krieg begann mit dem Massaker der Hamas und anderer Extremisten aus Gaza in Israel am 7. Oktober des letzten Jahres, bei dem 1.200 Menschen getötet und 250 als Geiseln genommen wurden. Israel strebt danach, die Hamas zu vernichten, die den abgeriegelten Gazastreifen seit langem kontrolliert. Seit Beginn des Krieges sind laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 42.000 Menschen gestorben. Es ist unklar, wie viele von ihnen Zivilisten sind, und die Angaben sind nicht unabhängig überprüfbar. Die Vereinten Nationen halten die Zahlen jedoch für glaubwürdig und berichten, dass die meisten der Getöteten Frauen und Kinder sind.
Israel bezichtigt UN-Helfer im Gazastreifen der Lüge
Israel wehrt sich unterdessen in scharfer Form gegen den von UN-Helfern erhobenen Vorwurf, der jüdische Staat blockiere humanitäre Hilfen für die Zivilisten in dem Küstengebiet. Der Vize-Direktor des Palästinenserhilfswerks der Vereinten Nationen (UNRWA) im Gazastreifen, Sam Rose, hatte dem Sender CNN gesagt, derzeit komme dort «fast nichts» an Hilfe an. «Das ist eine Lüge, Sam Rose, und Sie wissen das», erwiderte die israelische Behörde für Palästinenserangelegenheiten Cogat auf der Plattform X.
Seit Mai seien 500.000 Tonnen Hilfsgüter im Gazastreifen angekommen. Die israelische Behörde behauptet, dass die UNRWA nicht in der Lage sei, die Güter zu verteilen und versuche dies durch die Verbreitung von Unwahrheiten zu vertuschen. Die Angaben beider Seiten konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.
Die USA, als wichtigster Verbündeter, haben Israel letzte Woche eine Frist von 30 Tagen gesetzt, um die humanitäre Lage im Gazastreifen zu verbessern. Andernfalls könnten US-Waffenlieferungen an Israel gefährdet sein.