Hunderttausende Palästinenser leiden große Not. Es stehen Hilfsgüter bereit, die aber anscheinend bisher nicht bei den Menschen ankommen. Netanjahu schmiedet derweil Pläne für die Zukunft Gazas.
Israel lässt weitere Hilfe nach Gaza – Verteilung ungewiss
Während Hunderttausende notleidende Menschen im Gazastreifen weiter auf lebensrettende Hilfe warten, setzt Israel seine massiven Angriffe dort fort. Nach Ende der laufenden Großoffensive werde «das gesamte Territorium von Gaza unter israelischer Sicherheitskontrolle stehen», verkündete Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Die islamistische Hamas werde «komplett vernichtet sein», sagte er in Jerusalem. Unterdessen ließ seine Regierung eine weitere kleine Menge Hilfe in das abgeriegelte Gebiet.
Laut der zuständigen israelischen Behörde Cogat wurden über den Grenzübergang Kerem Schalom 100 Lastwagen mit Hilfsgütern wie Mehl, Babynahrung und medizinischer Ausrüstung in den Küstenstreifen gebracht. Am Dienstag waren 93 Lastwagen angekommen. Bisher konnte jedoch laut UN-Angaben kein Lastwagen die Hilfe an die Bevölkerung ausliefern. Es werden täglich etwa 500 Lastwagenladungen benötigt, um die Versorgung der rund zwei Millionen Palästinenser im Gazastreifen zu gewährleisten.
Ärztin in Gaza: «Es ist wirklich barbarisch.»
Seit Anfang März hat Israel alle Hilfslieferungen blockiert. Dies sollte den Druck auf die islamistische Hamas erhöhen, mit der Israel seit dem Massaker vom 7. Oktober 2023 im Krieg steht. Nach israelischer Lesart stiehlt die Hamas Hilfsgüter und verkauft sie auf dem Schwarzmarkt, um ihre Kämpfer und Waffen zu finanzieren. Die UN halten dagegen, dass Israel keine Beweise dafür vorgelegt habe. Auf Druck auch von Verbündeten hin hat sich Israel zu Wochenbeginn bereit erklärt, wieder Hilfstransporte nach Gaza zuzulassen.
Israel will nach eigenen Angaben eine Hungersnot in dem großflächig zerstörten Küstengebiet verhindern, wo es den Menschen nach mehr als anderthalb Jahren Krieg an so gut wie allem fehlt. In den noch funktionsfähigen Krankenhäusern mangelt es selbst an Skalpellen, wie die britische Chirurgin Victoria Rose im «heute Journal» des ZDF sagte. Auch Anästhetika fehlten: «Wenn wir operieren, dann halten andere Mediziner diese Patienten fest.» Viele könnten nicht betäubt werden, sagte die Ärztin. «Es ist wirklich barbarisch.»
Israel plant «sterile Zone» für humanitäre Hilfe
Im Zuge einer geplanten Neuaufstellung der humanitären Hilfe wird Israel im Süden Gazas eine «sterile Zone» einrichten, wie Netanjahu ankündigte. «In dieser Zone, die komplett frei von der Hamas sein wird, werden die Bewohner von Gaza umfassende humanitäre Hilfe erhalten», sagte er. US-Sicherheitsfirmen würden im Inneren des Küstengebiets Verteilungszentren einrichten und betreiben. Dies solle in den kommenden Tagen geschehen. Israel will so künftig Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen umgehen. Die UN und andere Organisationen lehnen die Pläne zur Neuaufstellung der Hilfen ab.
Netanjahu: Trumps Umsiedlungsplan Bedingung für Kriegsende
Kritiker werfen der Regierung Netanjahu zudem vor, den Bereich, in dem die Einwohner Gazas noch leben können, immer weiter einzuschränken. Er sei bereit, den Krieg zu beenden, sagte Netanjahu und nannte seine Bedingungen dafür: «Alle Geiseln werden nach Hause zurückkehren. Die Hamas wird ihre Waffen niederlegen, die Macht abgeben, ihre Führung (wer auch immer übrig bleibt) wird aus dem Gazastreifen verbannt, der Gazastreifen wird vollständig entmilitarisiert, und wir werden den Trump-Plan umsetzen», sagte Netanjahu.
Dieser Plan von US-Präsident Donald Trump sei «so revolutionär» und besage, dass «die Bewohner von Gaza, die gehen wollen, werden gehen können», sagte Netanjahu und fügte hinzu. «Wer uns auffordert, die Kämpfe einzustellen, bevor diese Ziele erreicht sind, der fordert de facto, dass die Hamas an der Macht bleibt». Trump hatte im Februar erklärt, die USA könnten Gaza übernehmen, neu aufbauen und in eine «Riviera des Nahen Ostens» verwandeln. Die Bewohner des Gazastreifens müssten dafür umgesiedelt werden. Eine Zwangsumsiedlung würde Experten zufolge gegen das Völkerrecht verstoßen.
Berichte über Dutzende Tote
Das israelische Militär hat die Bewohner mehrerer Wohnviertel im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Es wurde mitgeteilt, dass ein Angriff auf diese Gebiete, von denen aus die Hamas Israel angreift, unmittelbar bevorsteht. Im Zuge der kürzlich gestarteten neuen Großoffensive der israelischen Armee wurden in den letzten Tagen jeweils Dutzende Tote gemeldet. Seit letzter Nacht wurden allein mehr als 60 Menschen getötet, wie der von der Hamas kontrollierte Zivilschutz mitteilte. Diese Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.