UN-Organisationen zufolge hungern mittlerweile so gut wie alle Bewohner des umkämpften Gazastreifens. Nahrungsmittelhilfe wird laut einem Bericht zum Hauptstreitpunkt bei den Waffenruhe-Gesprächen.
Israel und Hamas streiten über Nahrungshilfe für Gaza

Streit über Nahrungsmittelhilfe für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen erschwert die Bemühungen um eine Waffenruhe zwischen Israel und der islamistischen Hamas. Die Hamas bestehe darauf, dass wieder die UN und der Palästinensische Halbmond die Verteilung humanitärer Hilfe in Gaza kontrollieren, zitierte das «Wall Street Journal» arabische Vermittler. Die umstrittene Gaza Humanitarian Foundation (GHF), die sich im Auftrag Israels derzeit um die Verteilung von Hilfe kümmert, müsse ausgeschlossen werden.
Laut dem Bericht sieht der derzeit in der katarischen Hauptstadt Doha verhandelte Vorschlag für eine 60-tägige Waffenruhe vor, dass die UN-Hilfsorganisationen sich zwar an der Verteilung von Lebensmittelhilfen beteiligen, aber keine Kontrolle ausüben. Gemäß der Sprecherin des US-Außenministeriums, Tammy Bruce, wird der US-Sondergesandte Steve Witkoff diese Woche in den Nahen Osten reisen, um die Bemühungen für eine Waffenruhe wiederzubeleben und einen Hilfskorridor in den Gazastreifen einzurichten.
USA hoffen auf Waffenruhe-Deal
Der israelische Journalist Barak Ravid berichtete für die US-Nachrichtenseite «Axios» unter Berufung auf zwei informierte Quellen, Witkoff wolle sich am Donnerstag zunächst in Rom mit ranghohen katarischen und israelischen Vertretern treffen. Unterhändler der Hamas und Israels führten währenddessen in Doha indirekte Verhandlungen über die noch letzten strittigen Punkte. Die Kontrolle über Nahrungsmittelhilfe sei dabei zum Hauptstreitpunkt geworden, schrieb das «Wall Street Journal»
Witkoff hoffe, bis Ende dieser Woche in Doha einen Deal über eine Waffenruhe und Geiselfreilassung abschließen zu können, zitierte die «Times of Israel» eine informierte Quelle. Die Hamas drohe damit, die Verhandlungen abzubrechen, sollten ihre Bedingungen nicht erfüllt werden, schrieb das «Wall Street Journal»
Seit dem Scheitern einer Waffenruhe im März sind nur noch wenige Hilfsgüter nach Gaza gelangt. Israel und die UN beschuldigen sich gegenseitig, die Verteilung der Hilfsgüter zu behindern. Berichten von UN-Organisationen zufolge leiden mittlerweile praktisch alle Bewohner des abgeriegelten Küstenstreifens Hunger. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde in Gaza starben im Verlauf des vergangenen Tages 15 Menschen an Hunger, die meisten von ihnen Kinder. Eine unabhängige Überprüfung ist nicht möglich.
Israel bestreitet Hungersnot
Laut einem hochrangigen israelischen Sicherheitsbeamten hat das Militär keine Hungersnot in Gaza festgestellt, wie von der «Times of Israel» zitiert. Es sind jedoch Maßnahmen zur Stabilisierung der humanitären Lage erforderlich. Der Beamte gab zu, dass die Menge an Hilfsgütern, die den abgeriegelten Küstenstreifen erreichen, in letzter Zeit deutlich gesunken ist. Er beschuldigte jedoch UN-Organisationen, eingetroffene Lebensmittel und andere Hilfsgüter nicht abgeholt und verteilt zu haben.
Gemäß der israelischen Behörde Cogat warten etwa 950 Lastwagen mit Hilfsgütern an den Grenzübergängen Kerem Schalom und Zikim darauf, von Organisationen der Vereinten Nationen abgeholt zu werden. Eine Sprecherin des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) sagte, dass rund 600 Lkw mit Nahrungsmitteln, Medikamenten, Windeln und anderen Hygieneartikeln in Ägypten und Jordanien bereitstehen. Sie erhalten jedoch keine Einreisegenehmigung von Israel in den Gazastreifen.
EU-Chefdiplomatin: Israel soll Tötungen stoppen
Israel wirft UNRWA vor, es sei von der Hamas unterwandert. Die israelische Regierung hat daher alle Zusammenarbeit mit dem Hilfswerk eingestellt. Stattdessen führte Israel vor einiger Zeit ein neues Verteilungssystem mit Hilfe der GHF ein, um die UN-Hilfsorganisationen und andere Initiativen zu umgehen. Seither gibt es immer wieder Berichte über tödliche Zwischenfälle nahe der Verteilstellen der umstrittenen Stiftung. UNRWA-Leiter Phillipe Lazarrini nennt die Zentren «sadistische Todesfallen».
Auch die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas kritisierte Israels Vorgehen scharf. Die «Tötung von Zivilisten», die bei den Verteilzentren der GHF Hilfe suchten, sei «nicht zu rechtfertigen», schrieb sie auf X. Im Gespräch mit Israels Außenminister Gideon Saar habe sie betont, dass die israelische Armee aufhören müsse, Menschen an Verteilungspunkten für Hilfe zu töten. Sollten Zusagen nicht eingehalten werden, blieben «alle Optionen auf dem Tisch».
Israels Außenminister: Hamas führt Lügenkampagne
Saar bestätigte, dass er mit Kallas gesprochen hat. «Ich habe ihr gesagt, dass die Hamas eine Lügenkampagne führt», schrieb er auf X. «Die Hamas ist es, die Zivilisten erschießt und foltert, wenn sie versuchen, die Hilfsgüter abzuholen.» Die internationale Gemeinschaft dürfe nicht in die Falle der Terroristen tappen.
UN-Generalsekretär António Guterres war schockiert über Berichte über Angriffe auf Gebäude der Vereinten Nationen im Zuge einer neuen Bodenoffensive der israelischen Armee in der Stadt Deir al-Balah im Zentrum des Gazastreifens und forderte Schutz vor Gewalt.
Guterres «entsetzt» über israelische Angriffe auf UN-Gebäude
«Ich bin entsetzt über die Angriffe auf UN-Einrichtungen, darunter Einrichtungen des UN-Büros für Projektdienste und der Weltgesundheitsorganisation (WHO), einschließlich des Hauptlagers der WHO», sagte Guterres vor dem UN-Sicherheitsrat in New York.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO bestätigte am Montag, dass Israels Militär ihre Einrichtung in Deir al-Balah gestürmt und Mitarbeiter festgenommen hat. Zudem wurde eine Unterkunft für Mitarbeiter angegriffen. Männliche WHO-Mitarbeiter und männliche Angehörige wurden in Handschellen gelegt, ausgezogen, verhört und mit vorgehaltener Waffe durchsucht.
Die israelische Armee gab bekannt, dass in der Region Schüsse auf ihre Soldaten abgegeben worden seien. Als Reaktion darauf hätten sie in die Richtung geschossen, aus der die Schüsse kamen. Es wurde jedoch nicht explizit erwähnt, ob die Schüsse aus WHO-Einrichtungen abgefeuert wurden.