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Deutschland und der Nahost-Konflikt: Auswirkungen auf die Wirtschaft

Der Krieg bedroht die deutsche Wirtschaft und könnte die Inflation anheizen. Börsen reagieren, Fluggesellschaften streichen Flüge.

Außenminister Johann Wadephul (CDU) zu Besuch in Saudi-Arabien. (Archivbild)
Foto: Hannes P. Albert/dpa

Die verfeindeten Länder Israel und Iran stehen sich im Nahen Osten in einer lang erwarteten und gefährlichen direkten Konfrontation gegenüber. Es besteht die Gefahr eines Flächenbrands in der Region. Aufgrund der Kriegsführung der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Gazastreifen wird in Deutschland bereits seit einiger Zeit kontrovers über das Verhältnis zu Israel diskutiert – nun kommt der Krieg mit dem Iran hinzu.

Es gibt acht Gründe, warum der Krieg auch eng mit Deutschland verbunden ist:

1. Israel – zwischen Staatsraison, Vermittlung und Kritik

Die Existenz und Sicherheit des Staates Israel sind für die Bundesregierung angesichts der sechs Millionen von Nazi-Deutschland ermordeten Jüdinnen und Juden Staatsraison. Die Bundesregierung betrachtet dies auch als Auftrag, durch Vermittlungsbemühungen zur Deeskalation beizutragen.

Außenminister Johann Wadephul hat aus diesem Grund unmittelbar nach Beginn des Krieges Saudi-Arabien, Katar und Oman besucht, um die Optionen für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen zu erkunden.

Die Krisendiplomatie setzt sich an diesem Mittwoch fort, wenn der CDU-Politiker seinen jordanischen Kollegen Aiman al-Safadi in Berlin trifft. Wadephul nutzt telefonisch seine Kontakte zu Israels Außenminister Gideon Saar.

Katar wird als wichtiger Vermittler zwischen Israel und der Hamas im Gazakrieg angesehen. Der Oman unterhält beste Verbindungen nach Teheran. Hinter den Kulissen wird wahrscheinlich an einer neuen Vermittlungsmission gearbeitet, bei der es um eine koordinierte Aktion von Europäern und arabischen Nachbarstaaten des Irans gehen könnte.

2. Traditionell gute deutsche Kontakte zum Iran

Deutschland pflegt traditionell enge Beziehungen zum Iran – dies will Wadephul fortsetzen. Die Bundesrepublik hat nach wie vor die größte diplomatische Vertretung in Teheran unter den europäischen Ländern einschließlich Großbritannien. Seit Jahren arbeitet Deutschland gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien daran, im Rahmen von Verhandlungen mit dem Iran den Bau einer Atombombe zu verhindern.

3. Stabilität der Nah- und Mittelostregion wichtig für Deutschland

Ein zusätzlicher neuer Atomstaat Iran dürfte die Stabilität weltweit weiter ins Wanken bringen und international für mehr Unsicherheit sorgen. Das kann niemand wollen, auch Deutschland wäre betroffen. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), hatte am Montag RTL/ntv gesagt, der Angriff könne für die arabische Welt «realpolitisch» einen Vorteil bringen, indem er das iranische Atomprogramm so weit zurückwerfen könnte, «dass wir in neue vernünftige Verhandlungen eintreten könnten».

Es ist eine schwierige Situation, auch angesichts der Tatsache, dass das harte Vorgehen der israelischen Regierung im Gazastreifen in Berlin kritisch betrachtet wird. Dennoch ist es auch für die Sicherheit Deutschlands entscheidend, dass letztendlich das Pulverfass Nahost nicht explodiert.

4. Tanken und Heizen teurer

Die Eskalation hat bereits Auswirkungen auf die Menschen in Deutschland. Der Krieg lässt die Rohölpreise steigen, was Autofahrer an den Tankstellen spüren. Laut Angaben des ADAC kostete am Montag ein Liter Super E10 1,695 Euro und ein Liter Diesel 1,586 Euro. Das sind jeweils ungefähr vier Cent mehr als am Donnerstag vor Kriegsausbruch.

Unter Umständen könne es an den Tankstellen noch etwas nach oben gehen, sagt eine ADAC-Sprecherin, «aber wir rechnen aktuell nicht mehr mit einem dramatischen Anstieg».

Die Heizölpreise sind trotz der zuletzt niedrigen Preise deutlich gestiegen. Laut einer Analyse des Vergleichsportals Verivox kosteten 100 Liter Heizöl zuletzt rund 94 Euro (Stand 16. Juni). Im Mai lag der Preis im Durchschnitt noch bei 87 Euro.

5. Ölpreis als Inflationsrisiko

Die Besorgnis über eine mögliche Ölkrise ist besonders groß. Der Iran hat mehrfach mit der Blockade der Straße von Hormus gedroht, einer entscheidenden Öltransportroute an der Südspitze des Landes. Der Preis für Rohöl der Sorte Brent ist bisher relativ moderat gestiegen und liegt aktuell bei rund 74 Dollar pro Barrel (159 Liter).

Das dürfte sich ändern, sollte der Krieg noch mehr eskalieren, sagt Stephen Innes vom Vermögensverwalter SPI Asset Management. Dann könne das den Ölpreis rasch über die 80-Dollar-Marke treiben. «120 Dollar und mehr wären wieder auf dem Radar, wenn die Tanker nicht mehr frei verkehren könnten.» Ähnlich teuer war Öl zuletzt im Mai 2022 nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine. 

Die Inflation in Deutschland könnte durch deutlich steigende Ölpreise wieder an Fahrt gewinnen, was den Verbrauchern spürbar Kaufkraft entziehen würde. Ein wesentlicher Grund für die Normalisierung der Teuerung war der Rückgang der Energiepreise, die im Mai eine Rate von 2,1 Prozent erreichte.

6. Gefahr für die deutsche Wirtschaft

Der Krieg im Nahen Osten droht zur Gefahr für die deutsche Wirtschaft zu werden, die nach Jahren der Krise langsam wieder in Tritt kommt. Auch auf die Inflation kann der Krieg durchschlagen, warnte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel kürzlich. «Sollte es zu einem langanhaltenden, gravierenden Konflikt kommen, könnten beispielsweise die Ölpreise erheblich steigen.» Die wirtschaftlichen Perspektiven könnten sich dann spürbar verändern, sagte Nagel, «in Bezug auf die Konjunktur ebenso wie auf die Preise.» 

7. Börsen unter Druck 

Die Börsen haben sich bisher überraschend robust gehalten, jedoch bleibt der deutsche Leitindex von dem Konflikt nicht unberührt. Der Dax hat sich deutlich von seinem jüngsten Rekord bei 24.479 Punkten entfernt, die Kurse fielen am Dienstag weiter.

Gut zwölf Millionen Aktionäre in Deutschland, die häufig stark in den Heimatmarkt investiert sind, sind betroffen. Ein weiterer Risikofaktor, der mit dem globalen Zollstreit mit US-Präsident Donald Trump verbunden ist, wird die Börse voraussichtlich noch eine Weile beschäftigen.

8. Flugverkehr

Viele Fluggesellschaften haben Flüge in der Region gestrichen oder umgeleitet – darunter Emirates und Lufthansa. Die größte deutsche Airline hat Flüge von und nach Teheran und Tel Aviv bis Ende Juli ausgesetzt, die Verbindungen von und nach Amman (Jordanien), Erbil (Irak) und Beirut (Libanon) wurden bis 20. Juni gestrichen.

Das trifft auch auf das Frachtgeschäft bei Lufthansa Cargo zu. Die Auswirkungen auf den Tourismus dürften begrenzt sein, da der Nahe Osten nicht zu den beliebten, klassischen Reisezielen der Deutschen gehört.

dpa