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Israel warnt die neuen Machthaber in Syrien

Nach dem Sturz des syrischen Präsidenten Assad durch Rebellen zerstört Israel militärische Fähigkeiten des Nachbarlandes. Regierungschef Netanjahu warnt die Rebellen. Wie geht es mit Syrien weiter?

Die humanitäre Lage in Syrien bleibt nach UN-Angaben weiter instabil.
Foto: Hussein Malla/AP/dpa

Die Rebellen in Syrien streben nach dem Sturz von Langzeitherrscher Baschar al-Assad nach einer Übergangsregierung, um Stabilität zu gewährleisten. Israel hat jedoch scharfe Warnungen an die neuen Machthaber gerichtet. Regierungschef Benjamin Netanjahu betonte, dass jede Bedrohung für Israel entschieden bekämpft wird. Zuvor hatte er die nahezu vollständige Zerstörung der militärischen Fähigkeiten des Nachbarlandes angeordnet. Der Anführer der Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) äußerte, dass Syrien auf dem Weg zur Stabilität sei und wiederaufgebaut werde.

Die Befürchtungen westlicher Staaten, dass das Blutvergießen in Syrien nach dem Sturz Assads weitergehen könnte, seien «unnötig», sagte HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa dem Nachrichtensender Sky News. Zuvor war er unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Dschulani aufgetreten. Die Gefahr sei von Assads Regierung und proiranischen Milizen ausgegangen, sagte der Islamist. «Deren Beseitigung ist die Lösung.»

Israels Armee: Fast 500 Ziele in Syrien bombardiert

Über öffentliche Äußerungen der Rebellengruppe Al-Scharaas zu Israels massiven Luftangriffen ist bislang nichts bekannt. Laut Israels Armee wurden mehr als 480 Ziele in Syrien bombardiert. Die Marine des Nachbarlandes wurde laut Israels Verteidigungsminister Israel Katz praktisch komplett versenkt. Da sich die syrischen Rebellen auch zur Verlegung israelischer Truppen in die Pufferzone auf den Golan-Höhen nicht geäußert hätten, sei unklar, ob sie Israels Kontrolle über das besetzte Gebiet akzeptieren werden, schrieb das «Wall Street Journal».

Netanjahu betonte, Israel wolle sich nicht in die inneren Angelegenheiten Syriens einmischen. Warnend fügte er jedoch hinzu: «Wenn das neue Regime in Syrien dem Iran erlaubt, sich wieder zu etablieren, oder den Transport iranischer Waffen an die (libanesische) Hisbollah zulässt, werden wir energisch reagieren und einen hohen Preis fordern.» Was zuvor mit dem Assad-Regime geschehen sei, werde dann «auch mit diesem geschehen», sagte Netanjahu.

Al-Baschir übernimmt Führung der Übergangsregierung

Mohammed al-Baschir, der bisherige Regierungschef in der Rebellenhochburg Idlib, hat laut eigenen Angaben die Führung einer Übergangsregierung in Syrien übernommen. Er kündigte an, dass diese bis März 2025 im Amt bleiben soll. Rebellenanführer Al-Scharaa und Minister der bisherigen Regierung trafen sich in Damaskus, um den Übergang zu besprechen.

Laut Berichten streben beide Seiten eine reibungslose Übertragung der Verwaltungsgeschäfte an. Trotzdem hat der Terrorismusexperte Peter Neumann Zweifel, ob Syrien tatsächlich in Richtung Demokratie und Rechtsstaatlichkeit voranschreitet. Al-Scharaa hat sich zwar vor Jahren von Al-Kaida distanziert, so Neumann im ZDF-«heute journal». Dennoch sei seine Gruppe weiterhin islamistisch geprägt und strebe danach, eine Art Gottesstaat in Syrien zu etablieren.

Israel wolle sicherstellen, dass von Syrien keine Bedrohung ausgehe und habe daher vermutlich 70 bis 80 Prozent der syrischen Militäranlagen vernichtet, sagte Neumann weiter. Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, sagte zum militärischen Vorgehen Israels in Syrien: «Wir erkennen selbstverständlich an, dass Israel in einer schwierigen Nachbarschaft lebt und – wie immer – das Recht hat, sich zu verteidigen». Man wolle aber nicht, «dass irgendein Akteur auf eine Weise handelt, die es dem syrischen Volk erschwert, eine legitime Regierung zu erlangen», betonte Kirby.

Scholz spricht mit Erdogan über Lage in Syrien

Bundeskanzler Olaf Scholz und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan berieten am Telefon über die Lage in Syrien. «Beide waren sich einig, dass der Fall des diktatorischen Assad-Regimes eine sehr gute Entwicklung» sei, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Abend mit. Jetzt müsse es darum gehen, dass Syrien eine sichere Heimat für alle Syrer werde. Dazu gelte es auch, die territoriale Integrität und Souveränität zu erhalten. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen telefonierte mit Erdogan und sagte danach, sie wolle nächste Woche zu Gesprächen in die Türkei reisen.

Jake Sullivan, der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, reist heute zu Gesprächen nach Israel. Neben der Lage in Syrien wird es auch um die Bemühungen zur Freilassung der Geiseln im weiterhin umkämpften Gazastreifen gehen, sagte Kirby. Israel führt dort weiterhin Krieg gegen die islamistische Hamas. Bemühungen um eine Waffenruhe und die Freilassung der in der Gewalt der Hamas verbliebenen Geiseln waren bisher nicht erfolgreich.

UN-Nothilfebüro: Humanitäre Lage in Syrien weiter instabil

Unterdessen gibt es in Syrien erste Schritte in Richtung Normalität. Beamte in der Hauptstadt Damaskus konzentrierten sich darauf, Treibstoff für Busse zu beschaffen, um Angestellte zur Arbeit zu bringen und Stromausfälle zu beheben, berichtete das «Wall Street Journal». Augenzeugen zufolge kehrten auch Angestellte der Zentralbank an ihre Arbeitsplätze zurück. 

Viele Läden mussten jedoch aufgrund fehlender Vorräte geschlossen bleiben. Das Nothilfebüro der Vereinten Nationen (OCHA) teilte mit, dass es Berichte aus Damaskus und vielen anderen Städten über Nahrungsmittelknappheit gebe. Die humanitäre Situation in dem von Diktatur und langjährigem Bürgerkrieg geplagten Land sei instabil. Seit dem Beginn der Blitzoffensive der Rebellen vor zwei Wochen sei der Brotpreis in Städten wie Idlib und Aleppo um 900 Prozent gestiegen.

OCHA hat vor Minenfeldern gewarnt, die die Bewegungsfreiheit der Menschen einschränken und die Lieferung von Waren behindern. Darüber hinaus sind Krankenhäuser aufgrund der großen Anzahl von Patienten mit körperlichen und seelischen Verletzungen überlastet. Viele Menschen leiden unter erheblichem psychischem Stress. Insbesondere Kinder zeigen Anzeichen von Traumata.

dpa