Seit Anfang März blockierte Israels Regierung Hilfslieferungen in das Kriegsgebiet. Jetzt steuert sie um – und setzt ihre Militäroffensive fort. Derweil geht das Ringen um eine Waffenruhe weiter.
Israel will Blockade für Hilfsgüter nach Gaza aufheben
Die israelische Regierung plant, nach fast drei Monaten der Blockade erneut humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu lassen. Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu teilte mit, dass eine Grundversorgung mit Lebensmitteln sicherstellen soll, dass es zu keiner Hungersnot kommt. Eine solche Krise würde die Fortsetzung der neuen Großoffensive zur Zerschlagung der islamistischen Hamas gefährden. Nach tagelangen massiven Luftangriffen hat Israel nun auch Bodentruppen im Einsatz.
Netanjahu: Hungersnot würde Offensive gefährden
Seit Anfang März hat Israel keine Hilfslieferungen mehr in das abgeriegelte und nach mehr als anderthalb Jahren Krieg großflächig zerstörte Küstengebiet Gazas gelassen. Das Land wirft der Hamas vor, die Hilfsgüter weiterzuverkaufen, um ihre Kämpfer und Waffen zu finanzieren. Die rund 2,2 Millionen Einwohner Gazas sind zum Überleben fast ausschließlich auf Hilfe von außen angewiesen.
US-Gesandter: Wir wollen keine humanitäre Krise
Die Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen warnen vor einer drohenden Hungersnot; die Appelle an Israel werden immer dringlicher. Berichten zufolge wird die Aufhebung der Blockade hauptsächlich auf Druck der USA erfolgen. «Wir wollen keine humanitäre Krise sehen und wir werden nicht zulassen, dass sie unter Präsident (Donald) Trumps Führung eintritt», sagte der US-Sondergesandte Steve Witkoff dem US-Sender ABC News. Die USA sind der wichtigste Waffenlieferant für Israel. Wann genau die ersten Hilfsgüter wieder in den Gazastreifen gelangen, war vorerst unklar.
Die israelische Luftwaffe führt seit Tagen massive Angriffe im Gazastreifen durch. Am Wochenende begann die Armee auch mit einem umfangreichen Einsatz von Bodentruppen. Laut palästinensischen Berichten gab es viele Tote. Augenzeugen zufolge fliehen derzeit viele Menschen vom Norden in den Süden des Küstengebiets. Im Norden sind alle Kliniken laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde jetzt außer Betrieb. Israels Armee hat sich auf Anfrage zunächst nicht geäußert. Sie wirft der Hamas vor, sich in Krankenhäusern zu verstecken und sie für militärische Zwecke zu nutzen.
Bericht: USA mit neuem Vermittlungsvorschlag
Sowohl Israel als auch die Hamas waren am Sonntag mit Delegationen in Katars Hauptstadt Doha, um mit arabischen Vermittlern über einen neuen Waffenruhe-Deal zu verhandeln. Die US-Nachrichtenseite «Axios» berichtete unter Berufung auf einen israelischen Beamten und eine weitere Quelle, Witkoff habe beiden Kriegsparteien einen aktualisierten Vorschlag unterbreitet, der die Freilassung von zehn Geiseln im Gegenzug für eine 45-60-tägige Waffenruhe und die Freilassung palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnisse vorsehe.
Der Vorstoß enthalte eine neue Formulierung, wonach die Feuerpause zu einem Ende des Krieges führen könnte, hieß es. Die Formulierung ziele darauf ab, der Hamas zu garantieren, dass Netanjahu die Waffenruhe nicht wieder einseitig für beendet erklären und den Krieg wieder aufnehmen kann. Israels Verhandlungsteam in Katar schöpfe «jede Möglichkeit» für ein Geiselabkommen aus, entweder gemäß Witkoffs Plan oder in einem Rahmen zur Beendigung des Krieges, teilte Netanjahus Büro am Sonntag laut der «Times of Israel» mit.
Ändert Netanjahu seine Position?
Neben der Freilassung aller Geiseln sei die Voraussetzung dafür jedoch, dass die Hamas ins Exil gehe und die Menschen im Küstengebiet entwaffnet würden. Netanjahu signalisiere damit eine neue Bereitschaft, über einen Weg zur Beendigung des Krieges zu diskutieren, schrieb dazu das «Wall Street Journal». Erst kürzlich hatte Israels Regierungschef noch betont, dass zwar eine zeitlich begrenzte Waffenruhe möglich sei, nicht aber ein dauerhaftes Ende der Kämpfe in Gaza.
Laut israelischen Medienberichten sollen Hilfsgüter für die notleidende Bevölkerung weiterhin auf den bisher genutzten Wegen in den abgeriegelten Küstenstreifen gelangen, bis ein geplanter neuer Mechanismus umgesetzt wird. Israel wird Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Hilfe nicht in die Hände der Hamas gelangt, teilte Netanjahus Büro mit.
Neuer Mechanismus für Hilfen umstritten
Die Hilfslieferungen sollen nun vorerst wieder internationale Organisationen wie das Welternährungsprogramm (WFP) sowie die World Central Kitchen bereitstellen, wie das Nachrichtenportal «walla.co.il» meldete. Ende des Monats soll ein neuer Mechanismus greifen, der nicht unumstritten ist. Berichten zufolge sollen Güter dann nur noch von wenigen Standorten im Gazastreifen aus verteilt werden. Die UN hatte den neuen Mechanismus kritisiert, unter anderem weil Zivilisten auf dem Weg zu den Verteilungszentren ins Kreuzfeuer geraten und etwa Alte und Kranke diese erst gar nicht erreichen könnten.
Der Gaza-Krieg begann im Oktober 2023 mit einem Terrorangriff der Hamas auf Israel, bei dem etwa 1.200 Menschen getötet und rund 250 entführt wurden. Laut Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden im seit über anderthalb Jahren andauernden Krieg mehr als 53.300 Palästinenser im Gazastreifen getötet. Es ist schwer zu unterscheiden, ob es sich dabei um Kämpfer oder Zivilisten handelt, und die Zahl lässt sich kaum unabhängig überprüfen.