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Israel beschließt Ausweitung der Kämpfe in Gaza

Nach stundenlangen Beratungen des Sicherheitskabinetts beschließt Israels Führung die Einnahme der Stadt Gaza. Zuvor war über die Einnahme des gesamten Gazastreifens spekuliert worden.

Rauch steigt von einer Explosion im nördlichen Gazastreifen auf. (Archivbild)
Foto: Ohad Zwigenberg/AP/dpa

Etwa 22 Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs hat sich die israelische Führung für eine weitere Intensivierung der Kämpfe im Küstenstreifen entschieden. Das israelische Sicherheitskabinett hat einem Plan zur Einnahme der Stadt Gaza zugestimmt, wie das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am frühen Morgen bekannt gab. Das Gremium genehmigte nach stundenlangen Beratungen einen entsprechenden Militäreinsatz.

Das Sicherheitskabinett beschloss nach Angaben des Büros des Ministerpräsidenten auch fünf Prinzipien, um den Krieg im Gazastreifen zu beenden. Dazu gehörten unter anderem die militärische Kontrolle des Küstengebiets durch Israel und die komplette Entwaffnung der islamistischen Hamas sowie die Entmilitarisierung des Gazastreifens. Anschließend solle dort außerdem eine alternative Zivilregierung aufgebaut werden.

Laut Medienberichten kontrolliert Israel derzeit etwa drei Viertel des weitgehend zerstörten Küstenstreifens, in dem insgesamt etwa zwei Millionen Palästinenser leben. Es wurde spekuliert, dass Israel den Gazastreifen komplett einnehmen würde, aber die angekündigten Pläne gehen vorerst nicht so weit, wie es in der offiziellen Mitteilung heißt.

Mögliche Verhandlungstaktik in Waffenruhe-Gesprächen

Monatelange direkte Verhandlungen zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas über eine neue Waffenruhe und die Freilassung weiterer Geiseln waren zuvor erfolglos geblieben.

«Ich verstehe genau, was die Hamas will. Sie will keinen Deal», hatte der Netanjahu zuletzt in einer Video-Botschaft erklärt. Er sei nun noch entschlossener, die Geiseln zu befreien, die Hamas zu zerschlagen und sicherzustellen, dass vom Gazastreifen unter der Herrschaft der Terrororganisation nie wieder eine Gefahr für den Staat Israel ausgehe.

Die Medien hatten zuvor spekuliert, dass die aktuelle Ankündigung einer Ausweitung der Kämpfe auch als Teil einer Verhandlungstaktik angesehen werden könnte, um die Hamas massiv unter Druck zu setzen. Israelische Politiker haben eine solche Strategie angedeutet. Der N12-Sender berichtete, dass die Vermittlerstaaten Katar und Ägypten bereits Druck auf die Hamas ausüben, um sie zurück an den Verhandlungstisch zu bringen.

Netanjahu: Israel will Gaza nicht dauerhaft besetzen

In einem Interview mit dem US-Sender Fox News kurz vor Beginn der Sitzung des Sicherheitskabinetts sagte Netanjahu, dass Israel nicht beabsichtige, das Gebiet dauerhaft zu besetzen, sondern es von der Hamas zu befreien, um es schließlich anderen Kräften zu übergeben. Diese Kräfte müssten nicht wie die islamistische Terrororganisation Hamas zur Vernichtung Israels aufrufen.

Netanjahu sagte weiter: «Wir wollen ihn (den Gazastreifen) nicht behalten. Wir wollen eine Sicherheitsgrenze haben. Wir wollen ihn nicht regieren.» Konkret sagte Netanjahu, den Gazastreifen an «arabische Kräfte» übergeben zu wollen.

Sorge um verbliebene Geiseln

Nach Angaben aus Israel sind derzeit noch 50 Geiseln in der Gewalt der Hamas, von denen etwa 20 noch am Leben sein sollen. Es wird berichtet, dass die Armeeführung Bedenken gegen den ursprünglichen Plan zur vollständigen Eroberung des Gazastreifens geäußert habe.

Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass ein solcher Vorstoß die Geiseln gefährden könnte. Auch die Angehörigen der Entführten hatten sich gegen militärische Befreiungsversuche ausgesprochen und auf eine Einigung zur Beendigung des Kriegs gedrängt. Kritiker werfen Netanjahu vor, den Krieg aus politischen Gründen zu verlängern, um seine Koalitionspartner zufriedenzustellen.

Der Gaza-Krieg begann am 7. Oktober 2023 mit dem Angriff der Hamas und anderer islamistischer Terrororganisationen auf Israel. Dabei wurden etwa 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen gebracht. Seitdem sind laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 61.000 Menschen ums Leben gekommen.

Warnung vor Hungersnot und Plünderungen

Die Vereinten Nationen hatten eine weitere Verschärfung der Kämpfe als «zutiefst alarmierend» bezeichnet. Ein solcher Schritt könne «katastrophale Folgen für Millionen Palästinenser» haben, warnte der UN-Diplomat Miroslav Jenca vor wenigen Tagen. Nach UN-Angaben anhand von Satellitenaufnahmen sind im Gazastreifen rund 70 Prozent der Häuser zerstört oder stark beschädigt. In Chan Junis und Teilen von Rafah sollen es 80 bis 90 Prozent sein.

Die UN und internationale Hilfsorganisationen warnen bereits eindringlich vor einer Hungersnot im umkämpften Gazastreifen, in dem rund zwei Millionen Menschen unter katastrophalen Bedingungen leben. Zwar erlaubt Israel wieder die Einfuhr größerer Mengen an Hilfsgütern in das blockierte Gebiet. Viele dieser Lieferungen erreichen jedoch nicht die Bedürftigsten, da sie bereits vor ihrer Verteilung geplündert werden – von Zivilisten und bewaffneten Gruppen.

dpa