Israel plant weiterhin entschlossen gegen den Iran vorzugehen, auch im Hinblick auf die Hamas im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln. Netanjahu warnt vor einer Wiederherstellung des iranischen Atomprogramms.
Israelischer Ministerpräsident warnt vor Fortsetzung des Kampfes gegen den Iran
Trotz der Waffenruhe zwischen Israel und dem Iran sieht die Führung des jüdischen Staates den Kampf gegen den Erzfeind und dessen Verbündete nicht als beendet an. Ungeachtet der «enormen Errungenschaften» im Kampf gegen Irans Atomprogramm und Raketenarsenal habe Israels Regierung nicht die Absicht, den «Fuß vom Pedal zu nehmen», sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Er wolle «den Kampf gegen die iranische Achse zu Ende führen», die dazugehörende islamistische Hamas im Gazastreifen besiegen und die Freilassung aller Geiseln erreichen.
Netanjahu warnt den Iran
Sollte die Führung der Islamischen Republik versuchen, das iranische Atomprogramm wiederherzustellen, werde Israel «mit der gleichen Entschlossenheit und Stärke handeln», um dies zu verhindern, warnte Netanjahu.
«Das Regime ist angeschlagen, aber immer noch tödlich», zitierte das «Wall Street Journal» einen Iran-Experten der in Washington ansässigen Denkfabrik Foundation for Defense of Democracies. Trotz der militärischen Erfolge im Krieg gegen den Iran sei es verfrüht, «jetzt schon einen Siegeszug zu feiern».
«Wir haben eine wichtige Phase abgeschlossen, aber der Einsatz gegen den Iran ist noch nicht vorbei», sagte auch Israels Generalstabschef Ejal Zamir, ohne Details zu nennen. «Jetzt richtet sich der Fokus wieder auf Gaza – um die Geiseln nach Hause zu bringen und das Hamas-Regime zu stürzen.» Angehörige der Entführten in der Gewalt der palästinensischen Terrororganisation fordern dagegen einen Stopp des Gaza-Kriegs, um das Leben der Geiseln nicht zu gefährden.
Geisel-Angehörige fordern Ende des Gaza-Kriegs
«Wir fordern die Regierung auf, dringend Verhandlungen aufzunehmen, die alle Geiseln zurückbringen und den Krieg beenden», hieß es in einer Mitteilung des Forums der Geisel-Angehörigen. «Wer in der Lage ist, eine Waffenruhe mit dem Iran zu erreichen, kann auch den Krieg in Gaza beenden.» In dem abgeriegelten Küstenstreifen werden nach offiziellen israelischen Angaben noch 22 lebende Geiseln festgehalten. Bei 28 weiteren geht es demnach nur noch um die Übergabe ihrer sterblichen Überreste.
In der Nähe eines Verteilzentrums für humanitäre Hilfsgüter nördlich der Stadt Rafah im Süden des abgeriegelten Küstenstreifens soll es laut Berichten zu einem weiteren blutigen Zwischenfall gekommen sein. Nach palästinensischen Angaben wurden 25 palästinensische Zivilisten getötet und Dutzende verletzt, als israelische Soldaten das Feuer auf Wartende eröffneten. Die israelische Armee gab an, ihr sei der Vorfall nicht bekannt.
Berichte über weitere Tote in Gaza
Das Al-Awda-Krankenhaus in Nuseirat gab bekannt, dass nach einem ähnlichen Vorfall im Zentrum des Küstenstreifens 19 Leichen und mehr als 100 Verletzte in die Klinik gebracht wurden. Auch dort warteten die Menschen auf humanitäre Hilfe. Augenzeugen berichteten von einem israelischen Luftangriff auf die Wartenden. Die israelische Armee erklärte, dass ihr Berichte über Verletzte durch Beschuss der Armee bekannt seien. Zu den Toten machte das Militär jedoch zunächst keine Angaben. Die Einzelheiten werden derzeit geprüft.
Der israelische Heimatschutz hob am Abend nach Verkündung der Waffenruhe zwischen Israel und dem Iran alle Beschränkungen für die eigene Bevölkerung auf. Der Schulunterricht kann nun wieder im Klassenzimmer stattfinden. Nur in einigen Gegenden in der Nähe des Gazastreifens gibt es weiterhin Auflagen.
Irans Präsident verspricht Rückkehr zur Normalität
Auch der iranische Präsident Massud Peseschkian stellte eine Rückkehr zum Alltag für die eigene Bevölkerung in Aussicht und würdigte den Widerstand seiner Landsleute. In einer Botschaft an die Nation sprach er vom «Ende eines zwölftägigen Krieges», der dem iranischen Volk von Israel aufgezwungen worden sei. «Ab heute werden die Regierung und die zuständigen Institutionen mit dem Wiederaufbau beginnen und die Normalität wiederherstellen», sagte Peseschkian.
Der Chef der iranischen Atomenergiebehörde sagte, dass der Produktionsprozess in den Atomkraftwerken des Landes ununterbrochen weitergeführt werden soll. Auch Außenminister Abbas Araghtschi betonte, dass man am Atomprogramm festhalten werde.
Die iranische Regierung behauptet immer wieder, dass sie keine Atomwaffen herstellen möchte, sondern lediglich ein ziviles Programm zur Nutzung von Kernenergie verfolgt. Dennoch bestehen Zweifel an dieser Aussage – auch aufgrund der Tatsache, dass der Iran in der Vergangenheit als einziger kernwaffenfreier Staat Uran mit beinahe waffentauglichem Reinheitsgrad produziert hat.
Medien: US-Angriff hat Atomprogramm nur verlangsamt
Einem Geheimdienstbericht zufolge sollen die US-Angriffe im Iran das Atomprogramm indes nur um einige Monate zurückgeworfen haben. Eine erste Einschätzung komme zu dem Schluss, dass das Bombardement vom Wochenende die unterirdischen Atomanlagen nicht komplett zerstören konnte, wie die Zeitung «New York Times» und der Sender CNN berichteten. Sie beriefen sich auf Beamte, die mit dem als «streng geheim» eingestuften Bericht des militärischen Geheimdienstes (DIA) vertraut seien.
Nach den US-Angriffen behauptete US-Präsident Donald Trump, dass die Atomanlagen in Isfahan, Natans und Fordo vollständig zerstört worden seien. Es wurde von einem Todesstoß für das iranische Atomprogramm gesprochen.
Der fünfseitige Geheimdienstbericht geht davon aus, dass der Iran seinen Bestand an angereichertem Uran bereits vor den Angriffen an andere Orte verlegt hatte, wie die «New York Times» weiter berichtete. CNN zufolge soll der Angriff das iranische Atomprogramm um weniger als sechs Monate zurückgeworfen haben.
In beiden Medienberichten, die Trump als «Fake News» abtat, wurde betont, dass es sich um einen ersten Bericht handle und weitere Untersuchungen zu anderen Schlussfolgerungen führen könnten. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, betonte derweil die Notwendigkeit der Wiederaufnahme der Arbeit seiner Behörde im Iran. Dies sei «der Schlüssel zu einer erfolgreichen diplomatischen Einigung, um den Streit um die iranischen Atomaktivitäten endgültig beizulegen», wurde er in einer von der IAEA am Dienstagabend veröffentlichten Erklärung zitiert.
IAEA-Chef: Atominspektoren müssen Arbeit im Iran fortsetzen
Grossi hat dem iranischen Außenminister Araghtschi in einem Brief betont, wie wichtig diese Zusammenarbeit sei, und ihm ein baldiges Treffen vorgeschlagen, hieß es in der Mitteilung. Die Inspektoren der IAEA seien während des gesamten Konflikts im Iran geblieben. Sie seien bereit, ihre Arbeit so schnell wie möglich wieder aufzunehmen, zu den Atomanlagen zurückzukehren und die Bestände an nuklearem Material zu überprüfen. Darunter seien mehr als 400 Kilogramm Uran mit einem beinahe waffentauglichen Reinheitsgrad von 60 Prozent.
Es ist öffentlich nichts bekannt über den Verbleib dieses hochangereicherten Materials. Laut Diplomaten könnten damit mehrere Atombomben hergestellt werden, falls das Uran weiter auf 90 Prozent angereichert würde, was als relativ kleiner Schritt gilt. Zuletzt hatten Vertreter der Führung in Teheran Spekulationen darüber genährt, dass der Iran die Kooperation mit der IAEA aussetzen könnte.