Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Israel will Rafah angeblich in Etappen angreifen

Israels Offensive gegen die mit Flüchtlingen überfüllte Stadt Rafah rückt offenbar näher. Auf internationalen Druck hin ändert die Armee aber wohl ihre Taktik. Die News im Überblick.

Israel plant eine schrittweise Bodenoffensive auf Rafah. So solle die Zahl ziviler Opfer begrenzt werden.
Foto: Abed Rahim Khatib/dpa

Israel will seine angekündigte Bodenoffensive auf die Stadt Rafah im Süden des abgeriegelten Gazastreifens einem Medienbericht zufolge in Etappen durchführen. Wie die Zeitung «Wall Street Journal» unter Berufung auf ägyptische Beamte und ehemalige israelische Offiziere berichtete, änderte Israel auf Druck der USA und anderer Länder seine anfänglichen Pläne für einen großangelegten Angriff auf die derzeit mit Hunderttausenden palästinensischer Binnenflüchtlingen überfüllte Stadt an der Grenze zu Ägypten.

Durch ein stattdessen schrittweises Vorgehen solle die Zahl ziviler Opfer begrenzt werden, hieß es. Israels Militär äußert sich zu seinen Einsatzplänen nicht. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte allerdings vor wenigen Tagen «weitere schmerzhafte Schläge» gegen die islamistische Hamas angekündigt. «Und dies wird in Kürze geschehen», sagte er. 

Die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe in Gaza, Sigrid Kaag, warnte vor einem Angriff auf Rafah. «Eine solche Aktion würde eine anhaltende humanitäre Katastrophe verschlimmern, mit Folgen für die Menschen, die bereits vertrieben sind und große Nöte und Leid ertragen müssen», sagte die Niederländerin vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. «Die Fähigkeit der Vereinten Nationen, Hilfe zu liefern, würde eingeschränkt.»

Proteste in Israel nach Geisel-Video der Hamas

In Israel kam es nach der Veröffentlichung eines Geisel-Videos durch die Hamas zu Protesten. Hunderte Menschen versammelten sich in Jerusalem in der Nähe der Residenz von Regierungschef Netanjahu, um für die Freilassung der in Gaza festgehaltenen Geiseln zu demonstrieren, wie mehrere Medien berichteten.

Bei den Auseinandersetzungen mit der Polizei kam es zu Konfrontationen. Demonstranten hätten laut Polizei Feuer gelegt, Feuerwerkskörper gezündet, Mülltonnen umgeworfen und den Verkehr blockiert. Vier Personen seien festgenommen worden. In einem zuvor von der Hamas veröffentlichten Video äußert ein 24-jähriger Mann schwere Vorwürfe gegen die israelische Regierung.

Sie habe die israelischen Bürger nicht beschützt und im Stich gelassen, sagt der Mann. Die wie er beim Massaker der Hamas am 7. Oktober aus Israel in den Gazastreifen entführten Menschen befänden sich in einer «unterirdischen Hölle» ohne Nahrung, Wasser und medizinische Behandlung. Sein Unterarm wurde israelischen Medien zufolge abgerissen, als die Terroristen Granaten in sein Versteck warfen.

Es wird berichtet, dass er sowohl israelischer als auch amerikanischer Staatsbürger ist. Es war zunächst unklar, unter welchen Umständen das Video entstanden ist und ob der Mann unter Druck und Drohungen gesprochen hat. Das Video war nicht datiert, das Hamas-Massaker war am Mittwoch 201 Tage her.

Israel treibt Pläne für Rafah-Offensive voran

Israel hatte bis vor kurzem angenommen, dass etwa 100 der rund 130 verbliebenen Geiseln noch am Leben sind. Es wird jedoch nun befürchtet, dass möglicherweise mehr von ihnen bereits verstorben sind. Berichten zufolge treibt Israel seine Pläne für eine Offensive in der Stadt Rafah im Süden Gazas voran, um die letzten verbliebenen Bataillone der Hamas dort zu zerschlagen.

Des Weiteren werden in den Tunneln der Hamas unter Rafah Geiseln vermutet. Verbündete wie die USA haben wiederholt vor einer umfangreichen Bodenoffensive in Rafah gewarnt, da sie besorgt um die etwa 1,5 Millionen Menschen sind, die in der Stadt Schutz vor den Kämpfen im Rest des Gazastreifens suchen. Rafah gilt als die einzige Stadt in dem abgeriegelten Küstenstreifen, die noch relativ unversehrt ist.

Nach Informationen des «Wall Street Journals» plant Israels Armee nun, vor jeweiligen Angriffen die betroffenen Stadtteile zu evakuieren, bevor das Militär zu neuen Gebieten übergehe. Die Einsätze würden wahrscheinlich auch gezielter als frühere Angriffe in Gaza erfolgen. Zudem sei eine Koordinierung mit Ägypten vorgesehen, um die Grenze zwischen Ägypten und Gaza zu sichern, hieß es weiter.

Das Nachrichtenportal «Axios» berichtete unter Berufung auf israelische Beamte, ranghohe israelische Geheimdienst- und Militärbeamte seien in Kairo unter anderem mit dem ägyptischen Geheimdienstchef zusammengetroffen, um Israels geplanten Einsatz seiner Armee in Rafah zu besprechen. 

Ägypten führe keine Gespräche mit Israel über Offensive

Am Tag zuvor hatte der Vorsitzende des ägyptischen Staatsinformationsdiensts SIS, Diaa Raschwan, noch betont, dass keine Verhandlungen mit Israel über dessen potenzielle Militäroffensive in Rafah geführt würden. Ägypten lehnt solche Pläne für eine Offensive entschieden ab und hat diese Position bereits mehrfach deutlich gemacht.

Eine Offensive in Rafah würde zu «Massakern, massivem Verlust von Menschenleben und umfassender Zerstörung führen», sagte Raschwan. Ägypten hat nach einem früheren Bericht des «Wall Street Journal» angeblich sogar damit gedroht, seinen Friedensvertrag mit Israel aufzukündigen, sollte es zu einem Ansturm von Palästinensern aus dem Gazastreifen über die Grenze kommen.

Bericht: Israels Armee für Massengrab nicht verantwortlich

Unterdessen sorgen weiterhin Berichte über ein Massengrab in der Nähe des Nasser-Krankenhauses in der umkämpften Stadt Chan Junis für Aufsehen. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Zivilschutzes wurden bisher 324 Leichen ausgegraben.

Es sei aber entgegen der Behauptung der Hamas nicht von der israelischen Armee angelegt worden, berichtete die «Jerusalem Post» unter Berufung auf Analysen von Bildmaterial. Das Massengrab habe bereits existiert, bevor israelische Soldaten dort am Boden gegen die Hamas vorgegangen seien. Dies habe die Auswertung von Satellitenbildern und Filmmaterial durch namentlich nicht genannte unabhängige Analysten ergeben, hieß es. 

Die von der Hamas und arabischen Medien verbreiteten Behauptungen, die israelischen Soldaten hätten die Leichen von Palästinensern vergraben, um sie «zu verstecken», seien falsch, schrieb die Zeitung. Unabhängig prüfen lassen sich die Angaben nicht. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hatte sich entsetzt über die Berichte von der Entdeckung von Massengräbern bei Kliniken in Gaza gezeigt und eine unabhängige Untersuchung der Hintergründe der Todesfälle gefordert.

Nach Angaben von Türks Büro, das sich auf Angaben des Zivilschutzes berief, waren einige Leichen an den Händen gefesselt. «Wir wissen nicht, ob sie lebendig begraben oder hingerichtet wurden. Die meisten der Leichen sind verwest», zitierte der Sender CNN den Chef des Zivilschutzes in Chan Junis.

dpa