Angesichts einer möglichen Beteiligung der USA an Israels Krieg mit dem Iran wollen Deutschland, Frankreich und Großbritannien zur Deeskalation beitragen. Lenkt Teheran im Atomstreit ein?
Europäer verhandeln mit Iran über Atomprogramm
Während der Krieg zwischen Israel und Iran in die zweite Woche geht, planen drei europäische Außenminister heute bei einem Treffen mit ihrem iranischen Kollegen in Genf, sich um Deeskalation zu bemühen. Ein Ziel von Johann Wadephul (Deutschland), Jean-Noël Barrot (Frankreich) und David Lammy (Großbritannien) ist es, den Iran dazu zu bewegen, bei seinem Atomprogramm einzulenken und Kernwaffen fernzuhalten.
Auch Kaja Kallas, die EU-Außenbeauftragte, plant, an dem Treffen mit dem iranischen Außenminister Abbas Araghtschi teilzunehmen. Die Europäer hoffen, US-Präsident Donald Trump davon abzuhalten, dass die Vereinigten Staaten mit eigenen Angriffen an der Seite Israels in den Krieg gegen den Iran eingreifen.
Trump: Entscheidung über Kriegseintritt innerhalb von zwei Wochen
Trump hatte seine Sprecherin Karoline Leavitt erklären lassen, er wolle innerhalb der nächsten zwei Wochen darüber entscheiden, ob die USA als wichtigster Verbündeter Israels in den Krieg gegen den Iran eingreifen werden. Dies geschehe vor dem Hintergrund, dass es eine «beträchtliche Chance» für Verhandlungen gebe, die in naher Zukunft mit dem Iran stattfinden könnten, sagte er am Vortag der geplanten Verhandlungen in Genf.
Israels Armee meldet erneute Angriffe aus dem Iran
In der Zwischenzeit setzen Israel und der Iran ihre gegenseitigen Angriffe fort. Die israelische Luftabwehr hat laut Militärangaben in der Nacht erneut Drohnenangriffe aus dem Iran abgewehrt. Früh am Morgen meldete das Militär einen weiteren Raketenangriff des Erzfeindes, was dazu führte, dass im Süden Israels die Warnsirenen heulten. Kurz darauf gab die Armee bekannt, dass die Bevölkerung die Schutzräume wieder verlassen könne. Die Such- und Rettungskräfte seien an einem Ort im Einsatz, wo ein Geschoss niedergegangen sein soll, hieß es.
Das US-Militär unterstützt Israel bei seiner Verteidigung, nimmt jedoch nicht an den Angriffen auf den Iran teil, wie in Washington betont wird. Trump habe klargestellt, dass er immer diplomatische Mittel bevorzuge, sagte seine Sprecherin. Er zögere jedoch nicht, bei Bedarf Stärke zu zeigen. Der Iran und die Welt sollten wissen, dass das US-Militär das stärkste der Welt sei.
Außenminister der USA und Großbritanniens beraten sich
Direkt vor den heutigen europäischen Verhandlungen mit dem Iran in der Schweiz traf sich der britische Außenminister Lammy in Washington mit seinem US-Kollegen Marco Rubio. Eine Sprecherin des US-Außenministeriums teilte mit, dass die beiden Außenminister darin übereinstimmten, dass der Iran niemals Atomwaffen besitzen dürfe.
Das erklärte Kriegsziel der Atommacht Israel ist es, den Iran daran zu hindern, Atomwaffen zu entwickeln und sein Raketenarsenal zu bekämpfen. Teheran bestreitet seit Jahren, den Bau von Kernwaffen anzustreben, und betont das Recht, Atomenergie für friedliche Zwecke zu nutzen. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu bleibt jedoch unerschütterlich.
Netanjahu: Können alle Atomanlagen im Iran erreichen
Netanjahu antwortete dem israelischen TV-Sender Kan auf die Frage, ob ein erfolgreicher Angriff auf die wichtige unterirdische Atomanlage Fordo auch ohne Hilfe der USA möglich wäre, dass Israel die notwendigen Fähigkeiten habe, um alle Atomanlagen im Iran zu erreichen. Viele Experten glauben jedoch, dass Israel auf die Unterstützung des US-Verbündeten angewiesen wäre, um dem Fordo-Komplex einen vernichtenden Schlag zu versetzen.
Nach allem, was bekannt ist, besitzen nur die USA unter den westlichen Staaten mit ihren sogenannten Bunkerbrecher-Bomben ausreichend schlagkräftige Waffen, um die tief in einem Berg gelegene Anlage zur Urananreicherung zu zerstören.
In den letzten Tagen wurde auch viel darüber diskutiert, wie sich die USA verhalten werden. Netanyahu sagte über das Raketenarsenal des Irans, dass Israel etwa die Hälfte aller Abschussrampen getroffen habe. Der rechtskonservative Regierungschef erklärte dem Sender Kan, dass es letztendlich nicht so sehr darauf ankomme, wie viele Raketen der Iran besitze, sondern wie viele Abschussrampen.
Deutschland verlangt vom Iran eindeutige Signale
Wadephul warb am Wochenende während einer Reise nach Saudi-Arabien, Katar und Oman für eine gemeinsame Aktion der Europäer mit den arabischen Nachbarländern des Irans, um zu einer Deeskalation zu führen. Er forderte unter anderem, dass Teheran den Atomwaffensperrvertrag anerkennen müsse und klar auf eine nukleare Bewaffnung sowie ein Programm zur Entwicklung ballistischer Raketen verzichten solle, die Israel und Europa bedrohen könnten. Der Atomwaffensperrvertrag verbietet Ländern, die keine Atomwaffen besitzen, diese zu erlangen. Bisher hat nur Nordkorea den Vertrag gekündigt.
Merz mahnt bei Netanjahu diplomatische Lösung an
Am Mittwochabend forderte auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) in einem Telefonat mit Netanjahu eine diplomatische Lösung. Merz äußerte Verständnis für die Bedrohungslage Israels und betonte, dass das iranische Atomprogramm gestoppt und der Konflikt unter Kontrolle gebracht werden müsse, sagten deutsche Regierungskreise.
Nach Aussagen eines Ex-Kommandeurs der mächtigen Revolutionsgarden, der Elitestreitmacht im Iran, hatte die Staatsführung in Teheran bereits im März mit einem Krieg gerechnet. In Erwartung dessen sei vor dem Großangriff des Erzfeindes Israel hochangereichertes Uran in Sicherheit gebracht worden. «Wir haben vorher alle Materialien weggeschafft», sagte der frühere Kommandeur und Generalmajor Mohsen Resai in einem TV-Interview.
Netanjahu: Umsturz im Iran muss von Bevölkerung ausgehen
Einen Umsturz im Iran verfolgt Israels Ministerpräsident Netanjahu nach eigenen Aussagen indes nicht als unmittelbares Kriegsziel. «Der Sturz des Regimes ist zuallererst eine Angelegenheit des iranischen Volkes», sagte er dem Sender Kan. Deswegen habe er dies nicht als Kriegsziel ausgerufen. Ein Umsturz im Iran könne aber ein Ergebnis des Krieges sein, so Netanjahu.
Spekuliert wird, dass Israel mit seinen gezielten Angriffen auf Machtsymbole der Islamischen Republik womöglich einen Umsturz im Iran herbeiführen will. Verteidigungsminister Israel Katz betonte zuletzt, dass im Laufe des Krieges weitere Symbole des staatlichen Machtapparats angegriffen würden. «So brechen Diktaturen zusammen», schrieb Katz auf der Plattform X. Zuletzt griff Israel während einer Live-Sendung etwa den iranischen Staatssender IRIB an.
Wie Europa und die USA bisher im Atomkonflikt verhandelt haben
Deutschland, Frankreich und Großbritannien führen seit langem Gespräche mit dem Iran im sogenannten E3-Format über dessen Atomprogramm. Trump hat den Iran in letzter Zeit immer wieder zur Verhandlung über ein Ende der Urananreicherung aufgefordert. Es fanden Gesprächsrunden zwischen iranischen und amerikanischen Unterhändlern in Oman und Rom statt.
Am 12. Juni stellte eine Resolution der Internationalen Atomenergieagentur IAEA fest, dass der Iran sein gesamtes Atomprogramm nicht offengelegt hat. Am 13. Juni begann Israel mit Angriffen auf iranische Ziele. Die für den 15. Juni geplante nächste Runde von Atomgesprächen zwischen dem Iran und den USA wurde daraufhin abgesagt.