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Israel: Regierungskrise um Wehrpflicht für streng religiöse Männer

Netanjahu verliert Regierungspartner, Opposition spricht von Minderheitsregierung. Schas-Partei setzt Druck für Ausnahmen bei Wehrpflicht.

Netanjahu verliert Regierungspartner. (Archivbild)
Foto: Mark Schiefelbein/AP/dpa

Im Konflikt um die Wehrpflicht für streng religiöse Männer in Israel hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einen weiteren Koalitionspartner verloren. Die ultraorthodoxe Schas-Partei gab bekannt, dass sie alle ihre Ministerposten aufgeben werde, jedoch nicht der Opposition im Parlament beitreten werde. Die Auswirkungen auf Netanjahus Mehrheit sind noch unklar.

Oppositionsführer Jair Lapid teilte mit, Israel habe nun eine Minderheitsregierung. Auch einige Medien sprachen davon, dass Netanjahus Regierung die Mehrheit im Parlament verloren habe. Die Nachrichtenseite «ynet» meldete hingegen, die Schas-Partei werde sich im Parlament nicht vollständig von den Regierungsfraktionen lossagen. Inklusive der ultraorthodoxen Schas-Partei, die elf Mandate hat, würde die Regierung damit weiter über eine Mehrheit von 61 der 120 Sitze im Parlament verfügen. 

Die «Times of Israel» erklärte dies damit, dass die Schas-Partei nicht die Koalition verlassen habe – anders als kürzlich das Bündnis Vereinigtes Thora-Judentum. Die ultraorthodoxen Parteien wollen mit ihren Entscheidungen Druck ausüben, damit die Regierung ein neues Gesetz auf den Weg bringt, das streng religiösen Männern Ausnahmen bei der Wehrpflicht gewährt.

Es wird berichtet, dass sieben Minister und stellvertretende Minister der Schas-Partei zurücktreten werden, darunter Innenminister Mosche Arbel und Gesundheitsminister Uriel Buso.

Wie geht es weiter? Die möglichen Szenarien

Netanjahu wird wahrscheinlich die Sommerpause des Parlaments nutzen, um die Krise mit den ultraorthodoxen Parteien zu lösen. Wenn es einen akzeptablen Kompromiss über einen Gesetzentwurf zur Wehrpflicht gibt, könnten sie zurück in die Regierungskoalition kommen. Dieses Szenario ist wahrscheinlich.

Falls es zu keiner Einigung kommt, könnte die Koalition auch versuchen, als Minderheitsregierung an der Macht zu bleiben. Laut israelischen Medien haben die beiden ultraorthodoxen Parteien derzeit nicht die Absicht, die Regierung zu stürzen.

Im Juni war die Opposition bei dem Versuch gescheitert, durch eine Auflösung des Parlaments eine Neuwahl zu erzwingen. Mitglieder der streng religiösen Parteien in der Regierung wollten den Vorstoß Medien zufolge eigentlich unterstützen, sprangen jedoch in letzter Minute ab. Die ultraorthodoxen Parteien befürchten, dass eine neue Regierung ihren Interessen noch viel weniger entgegenkommen könnte, wie die «Haaretz» berichtete. 

Streng religiöse Juden sehen Wehrdienst als Bedrohung 

In Israel waren streng religiöse Männer jahrzehntelang von der Wehrpflicht befreit. Letztes Jahr endete diese Ausnahmeregelung. Die Regierung konnte kein neues Gesetz verabschieden, um den Sonderstatus der Ultraorthodoxen zu sichern. Schließlich entschied der Oberste Gerichtshof im Sommer 2024, dass ultraorthodoxe Männer zum Wehrdienst eingezogen werden müssen.

Viele ultraorthodoxe Juden betrachten den Militärdienst als eine Gefahr für ihren religiösen Lebensstil, insbesondere aufgrund der gemeinsamen Dienstzeit von Frauen und Männern. Es wird berichtet, dass die meisten Betroffenen bisher die Einberufungsbescheide der Armee ignoriert haben.

Viele empfinden Ausnahmen für Ultraorthodoxe als ungerecht

Die Armee hatte jedoch angesichts des langen Kriegs gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen eindringlich vor einem drastischen Mangel an kampffähigen Soldaten gewarnt. Zudem empfinden es viele Israelis als ungerecht, dass ultraorthodoxe Juden vom Dienst an der Waffe und gefährlichen Kampfeinsätzen ausgenommen sind.

Männer in Israel müssen regulär drei Jahre lang Wehrdienst leisten, während Frauen zwei Jahre dienen. Im Jahr 2018 brach die damalige Regierungskoalition wegen eines Gesetzesentwurfs, der schrittweise mehr strengreligiöse Männer zum Militärdienst verpflichten sollte, auseinander. Es gibt jedoch auch ultraorthodoxe Männer, die freiwillig dienen. Strengreligiöse Frauen werden nur auf freiwilliger Basis rekrutiert.

dpa