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Juden hoffen auf «neuen Aufstand der Anständigen»

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, hält die Sicherheitslage in Deutschland für vergleichsweise gut. Kern des Problems für die jüdischen Menschen im Land sei ein anderes.

Zentralratspräsident Josef Schuster beobachtet eine Gewöhnung an Antisemitismus in Deutschland. (Archivbild)
Foto: Soeren Stache/dpa

Nach dem Terroranschlag auf das jüdische Lichterfest in Sydney hofft der Zentralrat der Juden auf mehr Widerspruch und Einsatz gegen Antisemitismus in Deutschland. «Es braucht einen neuen ‚Aufstand der Anständigen’», sagte Zentralratspräsident Josef Schuster der Deutschen Presse-Agentur. Zwei Männer hatten am Bondi Beach 15 Menschen erschossen. 

Schuster bezog sich auf eine Forderung des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder (SPD) und des damaligen Zentralratspräsidenten Paul Spiegel nach einem Anschlag auf eine Düsseldorfer Synagoge im Jahr 2000. Damals gab es Demonstrationen und Lichterketten. Schuster sagte, heute müsse er feststellen: «Entweder, die Anständigen sind deutlich weniger geworden, oder sie bleiben untätig auf den Zuschauerrängen sitzen.» 

Synagogen hinter Pollern

Zwar sei die Sicherheitslage für Juden in Deutschland vergleichsweise gut, sagte der 71-Jährige mit Blick auf den Angriff zweier Terrorverdächtiger auf Juden in Australien. «Das Problem ist im Kern ein anderes: Wir haben beim Antisemitismus einen Grad der Gewöhnung erreicht, der so hoch ist, dass politische Maßnahmen sich häufig im Schutz jüdischen Lebens erschöpfen.» 

Es werde hingenommen, dass jüdisches Leben nur unter immensen Schutzvorkehrungen möglich sei. Das sei Symptombekämpfung, kritisierte Schuster. «Diese Zustände sind unhaltbar. Politik und Zivilgesellschaft müssen zusammenwirken, um endlich die Ursachen des Judenhasses anzugehen.» Seine Vision bleibe die eines jüdischen Lebens ohne Schutzschild.

Keine Entspannung durch Gaza-Waffenruhe

Der Zentralratspräsident sieht keine Beruhigung für die jüdischen Gemeinden in Deutschland seit Beginn der Waffenruhe im Gazakonflikt im Oktober. «Davon kann leider keine Rede sein», sagte er. Vielmehr gebe es bei antisemitischen Vorfällen und Straftaten eine Verstetigung auf viel zu hohem Niveau. «Mein Gefühl ist, dass wir in unserer Gesellschaft einen Gewöhnungs- und Normalisierungseffekt für den Antisemitismus erleben. Das darf nicht sein.»

Schuster äußerte sich sehr zurückhaltend über neue Gesprächsfäden zu Menschen palästinensischer Herkunft. Er betonte, dass ein gutes Zusammenleben in Deutschland ohne Dialog nicht möglich sei. Allerdings sei das Existenzrecht Israels für ihn nicht verhandelbar.

dpa