Eigentlich sollte es sommerlich ruhiger werden im parlamentarischen Berlin. Das Kabinett hat aber eine außergewöhnlich volle Tagesordnung – mit Wirkung für viele Bürger.
Rente, Ticket, Schwarzarbeit: Kabinett billigt 23 Gesetze
Von Rente bis Deutschlandticket: Trotz Sommerpause hat die Bundesregierung fast zwei Dutzend Gesetzentwürfe auf den Weg gebracht, die jetzt in Bundesrat und Bundestag debattiert werden können. «Das ist die Kabinettssitzung mit den meisten beschlossenen Gesetzen in dieser Wahlperiode», sagte ein Regierungssprecher in Berlin.
Bundeskanzler Friedrich Merz wollte eigentlich schon im Urlaub sein, aber nun leitete der CDU-Chef doch noch die Sitzung mit der Mammut-Agenda. Laut Regierungskreisen liegt die Vielzahl der Gesetze auf der Tagesordnung auch an den Fristen für den Bundesrat: Sie können bei der nächsten Sitzung im September behandelt werden.
Hier sind die wichtigsten Beschlüsse im Überblick:
Rentenpaket
Der Bundestag soll bis zum Ende des Jahres ein Gesetz verabschieden, das stabile Renten und bessere Renten für Millionen Mütter vorsieht. Speziell soll das Rentenniveau bei 48 Prozent gehalten werden – das beschreibt das Verhältnis einer Standardrente zum aktuellen Durchschnittslohn. Dadurch werden die Renten dauerhaft etwas höher sein als ohne die Reform. Zusätzlich werden Eltern ab 2027 drei Jahre Erziehungszeit für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, anstelle von zweieinhalb Jahren bei der Rente angerechnet.
Die Kosten für die Verbesserungen sollen trotz Milliarden an Steuergeldern von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen werden. Ab 2027 wird der Rentenbeitrag von 18,6 auf 18,8 Prozent steigen.
Gaspreis
Die Bundesregierung hat Maßnahmen ergriffen, um Unternehmen und Verbraucher von den Kosten der Gasspeicherumlage zu entlasten. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) gab an, dass dies eine Entlastung von etwa 3,4 Milliarden Euro bedeuten würde. Ein Haushalt mit vier Personen könnte dadurch je nach Verbrauch zwischen 30 und 60 Euro im Jahr einsparen. Die Finanzierung der Gasspeicherumlage soll zukünftig vom Bund übernommen werden. Derzeit macht diese Umlage laut Gesetzentwurf etwa 2,4 Prozent des Gaspreises für Haushaltskunden und etwa 5 Prozent für Großkunden aus.
Deutschlandticket
Im nächsten Jahr könnte es erneut zu einer Preiserhöhung beim bundesweit gültigen Nahverkehrsticket kommen. Obwohl das Kabinett beschlossen hat, dass der Bund sich auch 2026 mit 1,5 Milliarden Euro an der Finanzierung beteiligen kann, reicht das Geld laut Angaben aus den Ländern nicht aus, um erwartete Mehrkosten auszugleichen und den Preis stabil zu halten.
Bisher haben der Bund und die Länder jeweils 1,5 Milliarden Euro für das Ticket bereitgestellt, um Einnahmeausfälle bei Verkehrsbetrieben auszugleichen. Die meisten üblichen Pendler-Abos waren zuvor deutlich teurer. Die Finanzierung ist jedoch nur noch bis 2025 festgelegt. Das Ticket wird von etwa 14 Millionen Menschen genutzt und ermöglicht Fahrten im öffentlichen Regional- und Nahverkehr bundesweit. Zu Jahresbeginn wurde der Preis von 49 auf 58 Euro im Monat erhöht.
Pflege
Der Pflegeberuf soll attraktiver werden, indem Pflegekräfte mehr Kompetenzen in der Patientenversorgung erhalten. In Zukunft sollen sie beispielsweise Wunden behandeln und Diabetes managen dürfen – Tätigkeiten, die bisher ausschließlich Ärzten vorbehalten waren. Zudem sollen sie weniger Zeit mit Formularen und bürokratischen Aufgaben verbringen müssen, um mehr Zeit für die Pflegebedürftigen zu haben.
Schwarzarbeit
Im Kampf gegen Schwarzarbeit und Geldwäsche werden Barbershops, Kosmetik- und Nagelstudios ins Visier genommen. Die Mitarbeiter sollen ab sofort immer ihren Personalausweis bei sich tragen, um möglichen Kontrollen gerecht zu werden – ähnlich wie es bisher schon in der Baubranche und der Gastronomie der Fall ist.
Des Weiteren ist geplant, dass die Finanzkontrolle Schwarzarbeit effektiver gegen schwere Wirtschaftskriminalität und organisierte Kriminalität vorgeht. Es ist geplant, die digitale Vernetzung zu verbessern und den Datenaustausch zwischen den Behörden zu optimieren. Um die Justiz zu entlasten, wird die Finanzkontrolle in der Lage sein, Betrugsfälle eigenständig zu verfolgen.
Aufbewahrungsfristen
Um großangelegten Steuerbetrug effektiver bekämpfen zu können, ist geplant, dass Buchungsbelege bei Banken, Versicherungen und Wertpapierinstituten in Zukunft für zehn Jahre aufbewahrt werden sollen. Die Bundesregierung sieht darin kein Problem bezüglich zu viel Bürokratie – denn in den meisten Fällen sind diese Belege ohnehhin digital gespeichert. Für alle anderen Steuerzahler bleibt es bei einer Aufbewahrungsfrist von acht Jahren.
Öffentliche Aufträge
Das Kabinett hat das Tariftreuegesetz gebilligt, das sicherstellen soll, dass gute Arbeitsbedingungen bei großen öffentlichen Aufträgen gewährleistet sind. Bei öffentlichen Aufträgen des Bundes ab 50.000 Euro müssen Unternehmen ihren Mitarbeitern Tarifbedingungen zahlen. Sie müssen somit Lohn, Weihnachtsgeld, Urlaub und Ruhezeiten gemäß den branchenüblichen Tarifverträgen gewähren. Aufträge zur Beschaffung für die Bundeswehr sind hiervon ausgenommen.
Zudem ist geplant, die Vergabe öffentlicher Aufträge zu vereinfachen, zu beschleunigen und digitaler zu gestalten. Dazu sollen die Wertgrenzen für Direktaufträge angehoben werden. Das Ziel ist, dass beispielsweise Mittel aus dem Sondervermögen rasch für die Sanierung der Infrastruktur bereitgestellt werden können.
CO2-Speicherung
Um Klimaziele zu erreichen, will die Bundesregierung eine unterirdische Speicherung des schädlichen CO2 ermöglichen. Dazu soll auch ein Transportnetz ausgebaut werden. Reiche spricht von einem «Meilenstein» auf dem Weg der Dekarbonisierung der Industrie. Es geht dabei vor allem um industrielle Prozesse, in denen sich CO2-Emissionen nicht vermeiden lassen, wie in der Zement-, Kalk- und Aluminiumindustrie.