Die ukrainischen Truppen sind im russischen Gebiet Kursk massiv unter Druck. Präsident Selenskyj sieht ihre Mission erfüllt, doch die Kämpfe dauern an. Kanzler Scholz berät sich mit Verbündeten Kiews.
Kämpfe im Gebiet Kursk – Ukraine-Unterstützer beraten sich
Nachdem Russlands Streitkräfte Gebietsgewinne in der russischen Region Kursk erzielt haben, kämpfen sie weiterhin um die Rückeroberung aller von ukrainischen Truppen kontrollierten Gebiete. Der geschäftsführende Gouverneur des Gebiets Kursk teilte über Telegram mit, dass in den zurückeroberten Gebieten begonnen wurde, Minen und Blindgänger zu beseitigen. Der ukrainische Generalstab hat zuvor Berichte zurückgewiesen, dass Tausende Soldaten in Kursk eingekesselt seien – diese Darstellung wurde zuletzt sowohl von der russischen Seite als auch von US-Präsident Donald Trump gemacht.
Laut dem russischen Verteidigungsministerium wurde die Stadt Sudscha zurückerobert, jedoch gab es von ukrainischer Seite keine Bestätigung dafür. Der ukrainische Generalstab meldete stattdessen zahlreiche Gefechte in der Region Kursk.
Laut dem geschäftsführenden Gouverneur des Gebiets Kursk, Alexander Chinstein, wurde eine Mitarbeiterin eines Kulturzentrums in Sudscha bei einem Angriff der ukrainischen Streitkräfte getötet. Zwei Personen wurden verletzt. Die Informationen konnten nicht unabhängig bestätigt werden.
Unklare Lage der ukrainischen Truppen
Nach den schweren Verlusten der ukrainischen Streitkräfte und einem Rückzug von Truppenteilen ist die Lage der Soldaten im Raum Kursk unklar. Fest steht bloß, dass sie schwer unter Druck sind. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gestand indirekt ein, dass die Armee sich aus der Region zurückziehen muss. «Die Situation ist sehr schwer. Ich kann nur unseren Kämpfern für diese Operation danken, die ihre Aufgabe erfüllt hat», sagte der Staatschef zu Journalisten.
«Genau in diesem Moment sind Tausende ukrainische Soldaten durch das russische Militär eingekreist und sind in einer sehr schlechten und verletzlichen Lage», verkündete US-Präsident Trump über sein Online-Sprachrohr Truth Social. Um ein Massaker zu verhindern, habe er den russischen Präsidenten Wladimir Putin gebeten, das Leben der Soldaten zu schonen.
Der Kremlchef, der den Angriffskrieg gegen die Ukraine im Februar 2022 begonnen hatte, erklärte sich in Moskau bei einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates dazu bereit – aus «humanitären Gründen». Die Führung in Kiew solle den ukrainischen Soldaten im Gebiet Kursk befehlen, die Waffen niederzulegen und sich in Gefangenschaft zu begeben, verlangte Putin. Der Vizechef des Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, drohte damit, dass die ukrainischen Soldaten dort andernfalls vernichtet würden.
Die ukrainische Führung hatte ursprünglich den Vorstoß in das russische Grenzgebiet im vergangenen August damit gerechtfertigt, dass die eingenommenen Territorien bei möglichen Verhandlungen mit Russland gegen besetztes ukrainisches Gebiet ausgetauscht werden könnten. Die Gefangennahme russischer Soldaten wurde als zusätzliche Rechtfertigung für das Risiko genannt, bei dem Tausende ukrainische Soldaten ums Leben kamen. Selenskyj hat die Operation immer als großen Erfolg bezeichnet.
Ukraine beklagt Tote und Verletzte bei Luftangriffen
In der Zwischenzeit wurden erneut schwere Luftangriffe von russischer Seite mit Drohnen und Raketen in der Ukraine gemeldet – beispielsweise auf ein Wohnviertel in der südukrainischen Industriestadt Krywyj Rih. Laut Behördenangaben wurden mindestens zwölf Menschen verletzt, darunter zwei Kinder. In der südlichen Region Cherson wurde ein 43-jähriger Mann bei einem russischen Angriff mit Gleitbomben getötet, während vier Menschen verletzt wurden.
Laut der Stadtverwaltung wurde in der nordukrainischen Großstadt Tschernihiw in der Nacht ein mehrstöckiges Haus bei einer Drohnenattacke getroffen und ein Auto in Brand gesetzt. Im Gebiet Sumy an der Grenze zu Russland sowie in der Schwarzmeerregion Odessa gab es Luftalarm wegen Drohnenattacken. In der Kleinstadt Tschornomorsk im Gebiet Odessa, wo den offiziellen Angaben nach Energieanlagen zum Ziel russischer Angriffe wurden, fiel der Strom aus.
Britischer Premier lädt zu Ukraine-Krisenkonferenz
Die Unterstützer der Ukraine planen am Samstag weitere Maßnahmen zu besprechen, um dem von Russland angegriffenen Land zu helfen. Der britische Premierminister Keir Starmer hat mehrere Staats- und Regierungschefs zu einer digitalen Krisenkonferenz (11.00 Uhr MEZ) eingeladen.
Die Videoschalte, an der auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teilnimmt, folgt einem von der US-Regierung und ukrainischen Vertretern ausgearbeiteten Plan für eine Waffenruhe, den Russland bisher in dieser Form abgelehnt hat. Starmer forderte den Kreml auf, der Feuerpause zuzustimmen.
Putin hat die vorgeschlagene Waffenruhe unter bestimmten Bedingungen genehmigt. Bisher gibt es keine Einigung.
Man könne nicht erlauben, dass Putin mit dem Vorschlag «Spiele spielt», sagte Starmer. Er rief die internationalen Verbündeten dazu auf, Russland mit wirtschaftlichem Druck in Friedensverhandlungen zu zwingen. Die bisherige Ablehnung einer Waffenruhe zeige, dass Putin kein ehrliches Interesse an Frieden habe. Er wolle offensichtlich nur Zeit gewinnen. «Stellen Sie die barbarischen Angriffe auf die Ukraine ein für alle Mal ein», forderte Starmer vom Kremlchef.
Der britische Premier war bereits Anfang März Gastgeber einer großen Konferenz gewesen, bei der sich in London westliche Staats- und Regierungschef sowie die Spitzen der EU und Nato trafen. Starmer will eine «Koalition der Willigen» etablieren, die im Fall einer Einigung bereit wäre, den Frieden in der Ukraine auch mit eigenen Truppen zu sichern. In der kommenden Woche soll es eine weitere Konferenz zur militärischen Planung geben.