Nach Israels Vergeltungsschlag gegen den Iran geht die Armee weiter im Gazastreifen und im Libanon vor. Derweil sollen in Katar die Verhandlungen über eine Waffenruhe in Gaza wieder in Gang kommen.
Kämpfe in Gaza und im Libanon – Hoffnung auf Geiselgespräche
Nachdem Israel als Reaktion auf den Iran einen Vergeltungsschlag durchgeführt hat, sollen heute in Katar die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg wieder aufgenommen werden. Vertreter Israels planen, sich mit Vertretern der Vermittlerländer Katar, Ägypten und den USA zu treffen. Am Vorabend haben erneut Hunderte Menschen in Israel für ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln demonstriert, die sich weiterhin in der Gewalt der Hamas im Gazastreifen befinden. Die israelische Armee setzt ihre Maßnahmen gegen die islamistische Terrororganisation fort.
Laut örtlichen Berichten sollen bei einem israelischen Angriff im Norden Gazas mindestens 30 Palästinenser getötet worden sein. Fünf Häuser in einem Wohnviertel der grenznahen Stadt Beit Lahia wurden angegriffen, wobei eine unbekannte Anzahl von Menschen unter den Trümmern vermutet wird. Aufgrund der andauernden Kämpfe können Rettungsdienste sie nicht erreichen. Bewohner der umliegenden Häuser bringen die Verwundeten in Eselskarren oder zu Fuß weg. Israels Militär hat sich bisher nicht geäußert, und die Angaben beider Seiten lassen sich in der Regel nicht unabhängig überprüfen.
Kämpfe in Gaza und im Libanon gehen weiter
Die israelische Luftwaffe griff nach eigenen Angaben zudem in der nördlichen Stadt Gaza erneut eine Kommandozentrale der Hamas an. Sie habe sich in einem früher als Schule genutzten Gebäude befunden, hieß es in der Nacht. Vor dem «präzisen Angriff» seien zahlreiche Maßnahmen ergriffen worden, um die Gefahr für Zivilisten zu mindern, hieß es. Auch diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.
Die Streitkräfte Israels haben seit drei Wochen offensive Operationen im nördlichen Teil des Gazastreifens durchgeführt. Laut palästinensischen Berichten wurden dabei auch Hunderte Zivilisten getötet.
In der Nacht setzte Israels Luftwaffe außerdem die Angriffe gegen die mit der Hamas verbündete Hisbollah-Miliz im Libanon fort. Libanons staatliche Nachrichtenagentur NNA meldete, Israel habe erneut südliche Vororte der Hauptstadt Beirut ins Visier genommen. Ein israelischer Armeesprecher hatte zuvor die Bewohner von zwei Vierteln über die Plattform X aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Sie befänden sich nahe Einrichtungen der Hisbollah, gegen die man zeitnah vorgehen werde. Die Hisbollah-Miliz gehört wie die islamistische Hamas zu der vom Iran angeführten «Achse des Widerstands» gegen Israel.
Hisbollah setzt Beschuss Israels fort
Trotz der harten Militärschläge Israels gegen die Hisbollah beschießt die Schiiten-Miliz weiterhin den jüdischen Staat. Die israelische Armee gab bekannt, dass am Samstag etwa 190 Geschosse auf Israel abgefeuert wurden. Kurz darauf ertönten erneut die Warnsirenen im Norden Israels. Zwei Drohnen, die aus dem Libanon nach Israel eingedrungen waren, wurden über offenem Gelände abgefangen, teilte die Armee in der Nacht mit.
Israel hatte in der Nacht zum Samstag den seit Wochen erwarteten Vergeltungsschlag auf den Iran ausgeführt. Es war die Antwort auf eine iranische Attacke am 1. Oktober, bei der Israel mit rund 200 ballistischen Raketen beschossen worden war. Bei dem israelischen Gegenschlag wurden nach Angaben des iranischen Militärs vier Soldaten getötet. Sie seien bei der «Verteidigung des iranischen Luftraums» gefallen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Irna unter Berufung auf eine Mitteilung der Armee.
Iran: Israels Kampfjets nicht in den Luftraum eingedrungen
US-Präsident Joe Biden pochte danach auf eine Deeskalation der Lage mit ständigen Angriffen und Gegenangriffen. «Ich hoffe, das ist das Ende», sagte er im Bundesstaat Pennsylvania vor Reportern. Er habe mit Vertretern der Geheimdienste gesprochen und erfahren, dass Israels Attacken offenbar auf militärische Ziele beschränkt geblieben seien. Biden bestätigte zudem Medienberichte, wonach er vorab über die Angriffe Israels informiert gewesen sei. Die USA sind trotz erheblicher Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Regierungen weiterhin der wichtigste Verbündete Israels.
Nach Darstellung des iranischen Militärs drangen die israelischen Kampfjets bei dem Angriff nicht in den Luftraum der Islamischen Republik ein. Israels Luftwaffe habe vielmehr vom irakischen Grenzgebiet aus luftgestützte Langstreckenraketen auf Ziele im Iran abgefeuert. Dabei seien etwa Radarstationen getroffen worden, hieß es in einer Mitteilung des Generalstabs, die von Staatsmedien verbreitet wurde. Die Schäden seien «begrenzt und geringfügig» gewesen. Auch diese Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Die Islamische Republik Iran behalte sich das Recht auf eine angemessene Reaktion zu einem geeigneten Zeitpunkt vor, erklärte der Generalstab der Streitkräfte weiter. In der Mitteilung betonte Irans Militär zudem die Notwendigkeit eines dauerhaften Waffenstillstands in Gaza und im Libanon, «um das Töten schutzloser und unterdrückter Menschen zu verhindern».
Kommen die Gaza-Gespräche wieder in Gang?
Seit dem Tod von Hamas-Chef Jihia al-Sinwar Mitte Oktober im Gazastreifen haben die Unterhändler in der Region wieder etwas mehr Hoffnung, die Verhandlungen über eine Waffenruhe neu in Gang zu bringen. Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, reist dazu heute in die katarische Hauptstadt Doha. Israel fordert die Freilassung der noch etwa 100 in Gaza festgehaltenen Geiseln, von denen viele schon nicht mehr am Leben sein dürften.
Laut israelischen Medienberichten hat ein Beamter des Verhandlungsteams von Barnea den Angehörigen der Entführten mitgeteilt, dass ein Geiselabkommen ein Ende des Kriegs gegen die Hamas im Gazastreifen voraussetzt, das derzeit nicht absehbar ist. Darüber hinaus hat Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu der eigenen Verhandlungsdelegation bisher kein ausreichendes Mandat erteilt, um die heutigen Gespräche in Doha zu einem substanziellen Ergebnis zu führen.
Bei einer Kundgebung in Tel Aviv griffen Redner Netanjahu scharf an und warfen ihm vor, die indirekten Verhandlungen zu verschleppen. «Wem willst du jetzt die Schuld geben, nachdem Sinwar tot ist? Den Geiseln?», zitierte die «Times of Israel» die Kritik des Bruders einer Hamas-Geisel.
Der Tod Sinwars «erzeugt vielleicht eine Gelegenheit, um tatsächlich voranzukommen und eine Einigung zu beschließen», hatte US-Außenminister Antony Blinken bei seinem jüngsten Besuch im Nahen Osten gesagt. Bei den Gesprächen hat es seit Monaten keine Fortschritte gegeben. In Israel gab es Hoffnung, nach der Tötung von Sinwar könnte sich dies ändern. Die Hamas beharrt aber auf ihren bisherigen Positionen, darunter die Forderung nach einem vollständigen Abzug israelischer Truppen aus dem Gazastreifen und einer Beendigung des Kriegs.
Der Krieg begann mit dem Massaker, das am 7. Oktober des letzten Jahres von Hamas-Terroristen und anderen Extremisten aus Gaza in Israel verübt wurde. Dabei wurden 1.200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Seit Kriegsbeginn wird Israel auch von anderen Verbündeten des Irans wie der Hisbollah, Milizen im Irak und den Huthi-Rebellen im Jemen angegriffen.