Russland greift Rebellen mit Kampfflugzeugen an, während Assad auf Gegenoffensive vorbereitet ist.
Rebellen in Syrien setzen Assad unter Druck

Der schnelle Vormarsch der Rebellen im Nordwesten Syriens setzt Präsident Baschar al-Assad nach Jahren des Stillstands im Bürgerkrieg unter Druck. Der von Russland und dem Iran unterstützte Machthaber strebt danach, die Oberhand zurückzugewinnen. Assad sagte dem Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate, Scheich Mohammed bin Sajid Al Nahjan, dass Syrien mit Hilfe seiner Verbündeten und Freunde in der Lage sei, die Terroranschläge abzuwehren, wie die staatliche Rundfunkbehörde berichtete. Der iranische Außenminister Abbas Araghtschi wird erwartet, um mit seinem syrischen Amtskollegen die Situation in Aleppo zu besprechen, so die iranische Nachrichtenagentur Irna.
Seit 2011 tobt in Syrien ein verheerender Krieg, der das Land vollständig gespalten hat. Mit Unterstützung ihrer Verbündeten Russland und Iran kontrollierte die Regierung von Assad zuletzt etwa zwei Drittel des Landes. Oppositionskräfte beherrschen Teile des Nordwestens. Eine politische Lösung für den Konflikt ist nicht absehbar.
Die Gruppe Haiat Tahrir al-Scham
Am Samstag eroberte eine Rebellenallianz in einer Blitzoffensive fast die gesamte Millionenstadt Aleppo im Norden von Syrien. Die syrische Armee kündigte an, bald eine Gegenoffensive zu starten. Seit Mittwoch drangen die Aufständischen aus der nordwestlichen Provinz Idlib immer weiter in Gebiete vor, die von der syrischen Armee kontrolliert wurden.
Die Offensive wird von der islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS) angeführt. Sie wird als Nachfolger der Al-Nusra-Front angesehen, einem früheren Ableger der Terrororganisation Al-Kaida in Syrien. Laut Terrorismusexperten und Sicherheitsbehörden in den USA und Australien änderte die Gruppe jedoch 2016 ihren Namen und brach mit Al-Kaida. HTS wird als Terrororganisation beschrieben, deren Operationen sich auf Syrien konzentrieren. Trotz der öffentlichen Abspaltung von Al-Kaida verfolgt HTS eine salafistisch-dschihadistische Ideologie, wie das US-Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS) berichtet.
Russische Luftschläge gegen Stellungen der Rebellen
Angesichts der neuesten Eskalation griff Russlands Militär am Samstag einmal mehr ins Kriegsgeschehen ein und attackierte Rebelleneinheiten mit Kampfflugzeugen. Dabei seien rund 300 Kämpfer getötet worden, sagte Oleg Ignasjuk, stellvertretender Leiter der russischen Mission in Syrien. Befehlsstellen, Artilleriestellungen und Lager der Rebellen seien angegriffen worden. «Die Operation zur Abwehr der extremistischen Aggression wird fortgesetzt», zitierte ihn die Staatsagentur Tass. Ignasjuks Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Er machte auch keine Angaben dazu, wo die Kampfflugzeuge eingesetzt wurden.
Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte haben berichtet, dass russische Kampfflugzeuge neun Angriffe auf Orte in der Provinz Idlib durchgeführt haben. Ebenso griff die syrische Armee Ziele aus der Luft an. Die Beobachtungsstelle mit Sitz in Großbritannien bezieht ihre Informationen von einem Netzwerk von Informanten vor Ort.
Seit 2015 hat Russland die syrische Regierung im Bürgerkrieg massiv militärisch unterstützt und mit seiner überlegenen Luftwaffe dazu beigetragen, dass Assad seine zwischenzeitlich ins Wanken geratene Machtstellung wieder festigen konnte. Seitdem hat Moskau Kampfbomber und Hubschrauber auf dem Flughafen Hmeimim stationiert sowie ein Truppenkontingent in unbekannter Stärke in der Hafenstadt Tartus.
Bereits mehr als 300 Tote seit Beginn der Offensive
Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden seit dem Beginn der unerwarteten Rebellenoffensive am Mittwoch mindestens 327 Menschen getötet. Davon seien mehr als zwei Dutzend Zivilisten.
USA: Haben nichts mit der Offensive zu tun
Die US-Regierung erklärt, dass die Schwäche des syrischen Machtapparats auf die Abhängigkeit von Russland und dem Iran zurückzuführen ist – sowie auf Assads Weigerung, sich auf einen politischen Prozess zur Beendigung des Krieges einzulassen. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus, Sean Savett, versicherte gleichzeitig, dass die USA nichts mit der Offensive zu tun haben. Diese wird von der Gruppe HTS angeführt.
Aleppo: Eine Stadt mit Symbolwert
In den ersten Jahren des Bürgerkriegs in Aleppo gab es bereits schwere Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen sowie ihren Verbündeten. Im Jahr 2016 wurden die Rebellen aus den östlichen Stadtteilen Aleppos vertrieben. Damals halfen Russland und der Iran den Regierungstruppen, die Kontrolle über ganz Aleppo zurückzugewinnen.
Zwischen 2012 und 2016 wurde die Stadt fast vollständig zerstört. Der damalige Kampf um Aleppo gehörte – insbesondere in der Endphase – zu den brutalsten im syrischen Bürgerkrieg. Teile der verwüsteten Stadt konnten später wieder aufgebaut werden. Heute leben etwa 2,5 Millionen Menschen in Aleppo. Die Offensive der Rebellenallianz ist der erste Angriff der Assad-Gegner auf die Stadt seit 2016.
Experte: Kämpfe könnten blutig werden
Angesichts einer möglichen Gegenoffensive befürchtet der Nahost-Experte und Autor Daniel Gerlach, dass ein erneuter Kampf um Aleppo erneut blutig werden könnte. «Das wird jetzt sehr viele Menschenleben wieder kosten», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Gerlach glaubt, dass es möglich ist, dass die Regierung wieder die Kontrolle übernimmt. Obwohl Assads Verbündete Iran und Russland geschwächt sind und nicht mehr die gleichen Kapazitäten wie zuvor haben, hat die syrische Regierung immer noch Einheiten, die in der Lage sind, Häuserkämpfe zu führen. Die Strategie, sich vorübergehend zurückzuziehen und dann mit erfahrenen Einheiten zurückzuschlagen, wurde in den letzten Jahren immer wieder beobachtet, sagt er.