London und Washington haben Kiew bereits den Einsatz weitreichender Waffen gegen Ziele in Russland erlaubt, auch Paris hat keine Einwände. Moskau droht: Dies sei der «Todesstoß» – für die Ukraine.
Keine Einwände aus Paris gegen Raketen-Einsatz der Ukraine
Nach den USA und Großbritannien signalisiert auch Frankreich der Ukraine die Erlaubnis zum Einsatz weitreichender Waffen gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet. Kiew dürfe die von Paris gelieferten Raketen mit hoher Reichweite laut Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot «in der Logik der Selbstverteidigung» auch auf Russland abfeuern. Ob dies tatsächlich bereits geschehen ist, sagte der Minister in einem in Auszügen vorab veröffentlichten Interview des britischen Senders BBC aber nicht. Von einer förmlichen oder jüngst formulierten Erlaubnis war nicht die Rede, vielmehr wiederholte Barrot Frankreichs bekannte Position.
Ein Sprecher des französischen Außenministeriums sagte, Präsident Emmanuel Macron habe bereits im Mai während seines Staatsbesuchs in Deutschland erklärt, die Ukraine müsse in der Lage sein, russische Militärziele zu neutralisieren, die direkt in Einsätze gegen ihr Territorium verwickelt seien. Das Völkerrecht sei eindeutig: Die Ukraine habe das Recht, sich zu verteidigen.
Berichten zufolge hat die Ukraine in dieser Woche weitreichende Raketen vom Typ ATACMS aus US-Produktion und britische Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow auf Militärziele in Russland abgefeuert. Seit Juli 2023 hat Frankreich in Zusammenarbeit mit Großbritannien begonnen, der Ukraine Raketen des Typs Storm Shadow zu liefern – die französische Bezeichnung für die baugleichen Raketen ist Scalp. Deutschland hingegen lehnt es ab, der Ukraine mit weitreichenden Waffen zu helfen – Kanzler Olaf Scholz verweigert die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper kategorisch.
Russland spricht von «Todesstoß» für die Ukraine
Moskau kritisierte die Äußerungen des französischen Außenministers scharf. Die Genehmigung zur Nutzung weitreichender Raketen gegen Russland sei «keine Unterstützung für die Ukraine, sondern vielmehr ein Todesstoß für die Ukraine», sagte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa der staatlichen Nachrichtenagentur Tass.
Selenskyj: Putin will Kursk vor dem 20. Januar zurück
Kremlchef Wladimir Putin will nach Ansicht seines ukrainischen Gegenparts Wolodymyr Selenskyj die von der Ukraine besetzten Gebiete in der Region Kursk bis spätestens 20. Januar, dem Tag des Amtsantritts des designierten US-Präsidenten Donald Trump, zurückerobern. «Das Wichtigste für Putin ist es, uns aus der Kursker Region zu vertreiben», sagte Selenskyj bei der Internationalen Konferenz zur Ernährungssicherheit «Getreide aus der Ukraine» in Kiew. «Ich bin sicher, dass er uns bis zum 20. Januar nächsten Jahres vertreiben will, denn es ist sehr wichtig für ihn, zu zeigen, dass er eine Situation unter Kontrolle hat, die er nicht unter Kontrolle hat.»
Während einer unerwarteten Offensive im August eroberten ukrainische Truppen Teile der westrussischen Region Kursk. Zum Höhepunkt ihres Vorstoßes kontrollierten die ukrainischen Soldaten etwa 1.400 Quadratkilometer des Gebiets von Kursk. Aktuell ist dieses Gebiet auf 800 Quadratkilometer geschrumpft. Laut ukrainischen Schätzungen hat dies jedoch Russland das Leben von 25.000 Soldaten gekostet. Diese Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Selenskyj rechnet mit möglichem Kriegsende 2025
Selenskyj ist optimistisch, dass es im nächsten Jahr Möglichkeiten gibt, den Krieg zu beenden. «Wann wird der Krieg enden? Wenn Russland will, dass der Krieg endet. Wenn Amerika eine stärkere Position einnimmt. Wenn der globale Süden auf der Seite der Ukraine und auf der Seite der Beendigung des Krieges steht», erklärte Selenskyj im Gespräch mit Vertretern ausländischer Medien in Kiew.
Er äußerte Zuversicht, dass alle diese Maßnahmen früher oder später umgesetzt und Entscheidungen getroffen würden. «Es wird kein einfacher Weg sein, aber ich bin zuversichtlich, dass wir alle Chancen haben, es nächstes Jahr zu schaffen» wurde Selenskyj weiter von der Agentur Ukrinform zitiert.
Wie wird Trump sich verhalten?
«Wir sind offen für Vorschläge von Führern afrikanischer, asiatischer und arabischer Staaten», sagte Selenskyj weiter. «Ich möchte auch die Vorschläge des neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika hören und ich denke, wir werden sie im Januar hören, und wir werden einen Plan haben, um diesen Krieg zu beenden.»
Donald Trump, der designierte US-Präsident, hat während seines Wahlkampfs mehrmals angedeutet, dass er die umfangreiche militärische Unterstützung der USA für Kiew reduzieren möchte. Seine frühere Aussage, dass er den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden könnte, war zuletzt nicht mehr zu hören.
Seit mehr als zweieinhalb Jahren führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Bisher gab es aus Moskau keine Anzeichen für ein schnelles Ende des Krieges.
Selenskyj-Berater: Putin hat «absolute Angst»
Mychajlo Podoljak aus dem Beraterstab des ukrainischen Präsidenten bewertet die jüngsten Drohungen von Kremlchef Putin als Ausdruck «absoluter Angst». Der «Bild am Sonntag» sagte er, der russische Präsident versuche, den Westen mit seinen Drohungen zu erschrecken. «Putin will den Krieg nur nach seinen Bedingungen beenden, um nicht für Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht zu werden.» Podoljak forderte den Westen zu einer härteren Haltung gegenüber Russland auf. «Man kann mit Putin nicht verhandeln. Man muss ihm klar und konsequent entgegentreten.»
Podoljak kritisierte das jüngste Telefonat von Bundeskanzler Scholz mit Putin. Er warf Scholz vor, ohne ausreichende Druckmittel mit Putin gesprochen zu haben. «Putin sieht jeden Anruf als Demütigung und Bestätigung seiner Vormachtstellung.» Nach dem Gespräch habe Russland mit Raketenangriffen auf die Ukraine reagiert, was seine Einschätzung bestätige.