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Streit um Visa für Afghanen: Deutschland droht Zwangsgeld, Entscheidung bis 10. September erforderlich

Gericht verlangt schnelle Entscheidung über Visaantrag einer afghanischen Familie, Bundesregierung muss handeln, um Zwangsgeld zu vermeiden.

Das Verwaltungsgericht droht ein Zwangsgeld an. (Symbolbild)
Foto: Paul Zinken/dpa

Im Konflikt um die Vergabe von Visa für Afghanen, die nach Deutschland einreisen möchten, könnte der Bundesrepublik ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000 Euro drohen. Dies geht aus einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin hervor, der besagt, dass dieses fällig wird, wenn nicht innerhalb von drei Wochen über einen entsprechenden Antrag einer afghanischen Familie entschieden wird, wie eine Gerichtssprecherin auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. (Az.: VG 7 M 229/25 V)

Gemäß dem Gericht geht es vorerst nur darum, eine Entscheidung zu treffen – nicht darum, ob diese im Sinne oder zum Nachteil der Betroffenen ausfällt. Die Frist dafür endet gemäß des Beschlusses am 10. September. Das Auswärtige Amt war zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.

Viele Fälle bei Gericht nach Stopp von Aufnahme

Der Grund für die Auseinandersetzung ist das Bundesaufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen. Die neue Bundesregierung von Union und SPD hat das Programm Anfang Mai vorerst gestoppt.

Beim Verwaltungsgericht Berlin liegen inzwischen etliche Verfahren von Afghaninnen und Afghanen vor, die um die Erteilung eines Visums kämpfen. Unterstützt werden sie teils von der Organisation «Kabul Luftbrücke». 

Anfang dieser Woche wurde bekannt gegeben, dass 211 Menschen aus dem Aufnahmeprogramm von Pakistan in ihr Herkunftsland abgeschoben wurden. Die pakistanischen Behörden hatten zuvor etwa 450 Personen aus dem Programm festgenommen. Die deutsche Botschaft in Islamabad und das Auswärtige Amt haben erreicht, dass 245 von ihnen aus den Abschiebelagern wieder freigelassen wurden.

Laut der Sprecherin des Verwaltungsgerichts Berlin haben in 22 Verfahren (Stand 20.8.) die Richter bislang die Bundesregierung zur Erteilung von Visa verpflichtet. In drei Fällen liegen dem Gericht ebenfalls Anträge zur Vollstreckung vor. Über solche Fälle hatte auch die «Welt» berichtet. 

In der letzten Woche hat das Auswärtige Amt eine Beschwerde gegen eine Entscheidung zurückgezogen. Dadurch wurde ein Urteil rechtskräftig, wonach einer Juraprofessorin und ihren Familienangehörigen Visa erteilt werden müssen.

Familie wartet in Pakistan auf Visa 

Im vorliegenden Fall handelt es sich um Zusicherungen der Bundesregierung an die Eltern von sechs Kindern, zwei davon volljährig. Laut Gerichtsbeschluss wartet die Familie in Pakistan auf Visa. Sie fürchtet eine Abschiebung nach Afghanistan, wo ihr Leben nach eigenen Angaben unter der Herrschaft der islamistischen Taliban gefährdet ist.

Laut Gerichtsangaben hatte die Deutsche Botschaft in Islamabad der Familie Ende Oktober 2024 eine Aufnahmezusage erteilt – vorausgesetzt, es gebe keine Sicherheitsbedenken gegen die Personen. Dafür werden nach dem Verfahren sogenannte Sicherheitsinterviews durchgeführt. Diese stehen im Fall der Familie noch aus. Die Bundesregierung ist laut Gericht seit Ende Oktober 2024 untätig geblieben.

Richter: Bundesregierung muss tätig werden

Da es in der Angelegenheit keine Fortschritte gab, entschieden sich die Afghanen, vor Gericht zu gehen. Ende Juli erzielten sie im Eilverfahren einen ersten Sieg: Das Verwaltungsgericht ordnete an, dass die Bundesregierung aktiv werden müsse. Eine Beschwerde der Regierung vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg war erfolglos. Gleichzeitig forderte die Familie vor dem Verwaltungsgericht die Durchsetzung der Entscheidung vom Juli – mit Erfolg.

Die Bundesregierung hatte vor Gericht unter anderem argumentiert, dass die Aufnahmeverfahren und Visaerteilung derzeit insgesamt ausgesetzt seien. Die Deutsche Botschaft in Islamabad stehe «fortlaufend in engem und hochrangigem Kontakt mit der pakistanischen Regierung, um eine gesicherte Regelung für den betroffenen Personenkreis zu vereinbaren». 

Dies reichte den Berliner Richtern nicht. Die Situation habe sich geändert, hieß es vom OVG. Es gebe Berichte über eine «nicht unerhebliche Zahl von Festnahmen und Abschiebungen afghanischer Staatsangehöriger aus dem Aufnahmeprogramm der Bundesregierung durch pakistanische Behörden».

Insgesamt warten über 2.000 Afghanen im Rahmen verschiedener Aufnahmeprogramme darauf, nach Deutschland auszureisen. Es handelt sich hauptsächlich um ehemalige Ortskräfte oder Personen, die als besonders gefährdet gelten.

dpa