Russland sieht Donald Trump nach seinem Wahlsieg in der Pflicht, das Versprechen eines schnellen Friedens einzulösen. Die Ukraine befürchtet, dass die USA unter ihm ihre Verteidigungshilfe einstellen.
Kiew bangt nach Trump-Sieg um weitere Unterstützung der USA
Nach dem Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Fortsetzung der Partnerschaft beider Länder in Kriegszeiten betont. Selenskyj lobte die parteiübergreifende Unterstützung der Vereinigten Staaten, die die Ukraine immer sehr geschätzt habe. In seiner abendlichen Videobotschaft gratulierte Selenskyj Trump erneut zum Einzug ins Weiße Haus.
Wenn der Republikaner das in seiner ersten Präsidentschaft geltende Motto «Frieden durch Stärke» umsetze, werde die ganze Welt davon profitieren, sagte Selenskyj. Auf der Plattform X berichtete er später von einem «ausgezeichneten» Telefonat mit dem Republikaner.
Die USA sind der wichtigste finanzielle und militärische Unterstützer der Ukraine. Im Gegensatz zur scheidenden Regierung des Demokraten Joe Biden versprach Trump im Wahlkampf, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine schnell zu beenden. Aufgrund der Blockade der US-Militärhilfen an die Ukraine durch die Republikaner im Kongress auf sein Drängen hin gibt es vor allem in Kiew Bedenken, dass Trump diesen Frieden durch massive Zugeständnisse an Kremlchef Wladimir Putin erreichen will.
Moskau verlangt von Kiew die Abtretung von vier derzeit teilweise von russischen Truppen besetzten Gebieten – sowie der bereits 2014 annektierten Krim.
Selenskyj bestätigte in der Videobotschaft seine Teilnahme am bevorstehenden Gipfel Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) in Budapest. Dort wollen die Europäer nach der Wahl Trumps über eine stärkere Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich und auch über die weitere Hilfe für die Ukraine diskutieren. Selenskyj bedankte sich bei Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán für die Einladung und kündigte «eine Reihe von Vereinbarungen mit europäischen Staats- und Regierungschefs» an.
Prorussischer Gastgeber Orban lädt Europäer zum Gipfel
Zwei Tage nach der US-Wahl werden Staats- und Regierungschefs aus fast 50 Ländern zum fünften Gipfeltreffen der EPG in der ungarischen Hauptstadt erwartet. In Brüssel wird befürchtet, dass Trump die Ukraine über einen Stopp der Militärhilfe in Verhandlungen mit Russland zwingen könnte. Aus Sicht der meisten europäischen Staaten wäre ein solches Vorgehen ein gefährlicher Tabu-Bruch.
Der Gastgeber des Gipfels ist der pro-russische ungarische Ministerpräsident und Trump-Unterstützer Viktor Orban. Er fragte unmittelbar nach den US-Wahlen, ob Europa die finanzielle und militärische Unterstützung der Ukraine alleine bewältigen könnte, und forderte eine neue europäische Strategie für die Ukraine. Experten zufolge würde eine solche Vorgehensweise, wie sie Orban vorschwebt, Putin sehr entgegenkommen und einer Kapitulation der Ukraine gleichkommen.
Kreml: Trump kann den Krieg schnell beenden
Derweil hat auch Russland seine Erwartungen an den künftigen US-Präsidenten kundgetan. Die USA könnten nach Darstellung des Kremls unter Trumps Führung den Krieg in der Ukraine schnell beenden. «Tatsächlich hat im Unterschied zu vielen anderen Politikern der amerikanischen Elite Herr Trump vom Wunsch gesprochen, Frieden herzustellen und nicht vom Wunsch, den Krieg bis zum letzten Ukrainer fortzusetzen», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Es bleibe abzuwarten, ob dies mehr als nur Wahlkampfgetöse sei. Russland werde Trump nach seinen ersten Handlungen im Amt beurteilen.
Einen Glückwunsch Putins an Trump zum Wahlsieg bezeichnete Peskow als unwahrscheinlich. Schließlich seien die USA aus russischer Sicht ein «unfreundliches Land» und direkt am Krieg in der Ukraine beteiligt, so der Kremlsprecher.
Putin hatte im Februar 2022 den Angriffskrieg auf die benachbarte Ukraine befohlen. Nach Darstellung Moskaus ist nun aber die US-Regierung dafür verantwortlich, ihn zu beenden. Die USA müssten dafür Abstand nehmen von ihrem Ziel, «Russland eine strategische Niederlage zuzufügen», sagte Peskow.
Der Kreml betrachtet die Forderung der Ukraine und westlicher Staaten nach einem Rückzug russischer Truppen aus dem Nachbarland als strategische Niederlage. Moskau beansprucht neben der bereits 2014 annektierten Krim und vier weiteren ukrainischen Regionen auch ein Mitspracherecht in der Politik in Kiew. Die Ukraine soll auf den angestrebten Nato-Beitritt verzichten, die eigenen Streitkräfte verkleinern und eine sogenannte Entnazifizierung durchführen, was die Einsetzung einer pro-russischen Regierung bedeutet.