Deutschland und die anderen Verbündeten der Ukraine sollen nach dem Willen von Präsident Selenskyj nun rasch auf seinen «Siegesplan» reagieren. Die Zeit dränge, heißt es aus Kiew.
Kiew erwartet vom Westen rasche Antworten auf «Siegesplan»
Die Ukraine erhofft sich nach der Vorstellung ihres «Siegesplans» im Krieg gegen den Angreifer Russland rasche Zusagen des Westens für die geforderte Militärhilfe. Es gehe hier nicht um Tage, sondern um Stunden, sagte der Chef des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, im ukrainischen Fernsehen. «Unsere Partner verstehen die Logik des Plans», sagte er. Es seien sehr konkrete Schritte der westlichen Partner nötig, um der Ukraine zu helfen.
Das Land ist durch den russischen Truppenvormarsch stark unter Druck. Die Details des vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beworbenen «Siegesplans» sind bisher öffentlich nicht bekannt. Laut seinem Büro sollen die Grundzüge aber bald öffentlich gemacht werden. Der Staatschef hatte das Vorhaben jeweils hinter verschlossenen Türen bei seinen Besuchen in Paris, Rom und London mit Staats- und Regierungschefs besprochen. In Berlin traf er am Freitag Kanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Es ist bekannt, dass die Ukraine vom Westen eine Freigabe von Langstreckenwaffen für Angriffe auf militärische Ziele tief im russischen Hinterland fordert. Die ukrainische Führung hat wiederholt betont, dass das Ziel darin bestehe, die Armee der Atommacht Russland zu vernichten, um zu verhindern, dass sie jemals wieder ein anderes Land angreifen kann. Darüber hinaus verlangt Kiew eine Einladung für die Ukraine zur NATO-Mitgliedschaft.
Lob für erfolgreiche Drohnenangriffe auf Russland
Jermak sagte, dass es große Aufmerksamkeit für den Plan gegeben habe. Nun seien sehr konkrete Zusagen vom Westen erforderlich. Selenskyj habe neue Verteidigungspakete von seiner Reise mitgebracht, darunter Zusagen für die Lieferung von Flugabwehrsystemen, Investitionen für die ukrainische Eigenproduktion von Drohnen und anderen Waffen.
Der Oberkommandierende der Streitkräfte, Olexander Syrskyj, lobte in den sozialen Netzwerken die Erfolge beim Einsatz von Drohnen gegen militärische Ziele auf russischem Staatsgebiet. Das ukrainische Militär hatte kürzlich Munitions- und Treibstofflager getroffen, was zu riesigen Explosionen führte und den Nachschub störte.
Sender: Viele russische Arsenale zerstört
Seit Anfang August fliegt ein russisches Waffenarsenal nach dem anderen in die Luft, wie der ukrainische Auslandssender Freedom berichtet. Mindestens sechs große Lager wurden von Drohnen getroffen. Zwischen 66 und 93 Prozent der Munitionsvorräte in den Gebieten Twer und Krasnodar wurden zerstört. Im Arsenal Toropez im Gebiet Twer sollen allein rund 30.000 Tonnen Munition gelagert gewesen sein. Auch Lieferungen aus dem Iran und Nordkorea wurden zerstört. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Der Grund für die hohen Verluste liegt laut Experten darin, dass das bekannte Vorgehen aus Sowjetzeiten beibehalten wird, so viel Munition wie möglich an einem Ort zu lagern. Dazu kommen unzureichende Sicherheitsvorkehrungen, Lagerungen unter freiem Himmel und mangelnde Flugabwehr für die Depots.
Selenskyj will Waffenproduktion in der Ukraine ausbauen
Selenskyj will mit westlichen Investitionen die Waffenproduktion in der Ukraine deutlich ausbauen. «Unsere industrielle Kapazität erlaubt es uns, weit mehr Drohnen, mehr Granaten und militärische Ausrüstung zu produzieren, als es die finanziellen Möglichkeiten unseres Landes erlauben», sagte er in seiner abendlichen Videobotschaft. Der Westen könne das Geld geben, zumal viele Partner mangels eigener Waffen der Ukraine im Moment ansonsten nicht ausreichend helfen könnten.
«Außerdem verfügen einige Partner über spezielle Technologien, die in der Ukraine bereits jetzt eingesetzt werden können», sagte Selenskyj. Er dankte allen, die bisher schon investiert hätten im Rüstungssektor – besonders bei der Produktion von Drohnen. Bei seinem Besuch in Paris sei über ein neues ukrainisch-französisches Modell gesprochen worden. Dies solle nun auf Ebene der Verteidigungsminister vertieft werden.
Selenskyj hat in dem seit mehr als zweieinhalb Jahren andauernden russischen Angriffskrieg immer wieder betont, dass er die Ukraine zu einem der weltweit größten Waffenproduzenten machen möchte. Um gegen das zahlenmäßig weit überlegene russische Militär bestehen zu können, sind die ukrainischen Streitkräfte auf neue Waffen und Munition ihrer Verbündeten angewiesen.
Selenskyj: Halten definierte Linien im Raum Kursk
Mit Bezug auf die ukrainische Gegenoffensive in der russischen Grenzregion Kursk erklärte Selenskyj, dass das ukrainische Militär die festgelegten Linien dort beibehalte. Zuvor habe es Versuche feindlicher Streitkräfte gegeben, die ukrainische Armee von ihren Positionen zu verdrängen. Damit widersprach er indirekt den russischen Behauptungen, dass Moskaus Truppen dort mehrere Ortschaften zurückerobert hätten.
Die ukrainische Armee ist Anfang August in das Gebiet Kursk eingedrungen und hat dort zahlreiche Ortschaften besetzt. Laut Selenskyjs Aussage soll dadurch der Druck auf Russland erhöht werden, um Verhandlungen zu ermöglichen. Die Militärführung in Moskau hat angekündigt, das russische Gebiet bald zu befreien.
Tote und Verletzte bei Angriffen
Im Osten der Ukraine, im Gebiet Donezk, hat der Krieg laut Staatsanwaltschaft mindestens zwei weitere Menschen das Leben gekostet, während zehn weitere verletzt wurden. Ein 19-jähriger Fahrer wurde getötet, als eine Drohne sein Auto traf. In einem Dorf im Kreis Pokrowsk starb eine 84 Jahre alte Frau bei einem russischen Angriff. Weitere Verletzte gab es durch russischen Artilleriebeschuss in anderen Fällen.
Die Behörden in Belgorod, einem russischen Gebiet an der Grenze zur Ukraine, berichteten ebenfalls von einem Toten in dem Dorf Ustinka. Zwei Personen wurden außerdem durch Beschuss von ukrainischer Seite verletzt. Die Ukraine greift im Abwehrkampf gegen die Invasoren immer wieder auch russisches Gebiet an.