Nötig sei die Freigabe von Waffen für Schläge gegen Ziele im russischen Hinterland, sowie die Lieferung dieser Raketen, um zu verhindern, dass Russland in der Ukraine neue Fronten eröffnet.
Selenskyj fordert reichweitenstarke Waffen von westlichen Ländern
Unweit der Front hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Saporischschja bei einem Treffen mit dem niederländischen Regierungschef Dick Schoof erneut reichweitenstarke Waffen gefordert. Nötig sei nicht nur die Freigabe von Waffen für Schläge gegen Ziele im russischen Hinterland, sondern auch die Lieferung dieser Raketen, sagte Selenskyj nur einige Dutzend Kilometer von der Front im Süden der Ukraine entfernt. Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) reist an diesem Dienstag erneut nach Kiew und will auch das russisch besetzte Atomkraftwerk Saporischschja besuchen. Derweil setzt Kremlchef Wladimir Putin einen brisanten Besuch fort.
Russland hat das Gebiet Saporischschja teilweise besetzt, jedoch nicht die gleichnamige Gebietshauptstadt, in der sich Schoof über den ukrainischen Verteidigungskampf informierte. Der Niederländer versprach zusätzliche Hilfe für die Ukraine.
Gesprochen worden sei über Wege, die Verteidigungskraft des Landes zu stärken, um einen gerechten Frieden zu erreichen, teilte Selenskyj mit. Dabei gehe es um Flugabwehr wie neue Patriot-Systeme, um die Stärkung der Luftwaffe mit von Partnern gelieferten F-16-Kampfjets, um mehr Munition und Ausrüstung sowie um weitere Sanktionen gegen Russland. «All diese Maßnahmen sind wichtig, um zu verhindern, dass Russland in der Ukraine neue Fronten eröffnet», sagte Selenskyj. Er machte deutlich, dass er auf eine Freigabe reichweitenstarker Waffen hoffe und nannte dabei die Länder USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland.
Kiew: Niederlande sollen bei Wiederaufbau helfen
«Wir haben auch die Möglichkeit erörtert, dass die Niederlande eine Schirmherrschaft über Saporischschja übernehmen, was die Unterstützung der Infrastruktur, den Schutz des normalen Lebens und die Lösung humanitärer Fragen einschließen würde», teilte Selenskyj über das soziale Netzwerk X mit. So könne erreicht werden, dass noch mehr Menschen in die Stadt zurückkehrten.
Selenskyj besichtigte dort auch ein nach einem Raketenschlag im Oktober 2022 wiederaufgebautes Wohnhaus. «Schritt für Schritt werden wir alles, was zerstört wurde, wieder aufbauen. Wir werden unser Bestes tun, um sicherzustellen, dass alle unsere Städte und Gemeinden wiederbelebt werden», sagte er.
IAEA-Chef reist nach Kiew und Saporischschja
Seit mehr als zweieinhalb Jahren verteidigt sich die Ukraine mit westlicher Unterstützung gegen den russischen Angriffskrieg. In der Region Saporischschja befindet sich auch das größte Atomkraftwerk Europas, das von russischen Truppen besetzt ist. Die internationale Besorgnis um die Sicherheit des AKW in diesem umkämpften Gebiet ist groß, was den erneuten Besuch des Chefs der Internationalen Atomenergiebehörde zur Folge hat. Das Atomkraftwerk wird immer wieder Ziel von Angriffen und Sabotageakten, für die sich Moskau und Kiew gegenseitig verantwortlich machen.
Kontrolleure berichteten Mitte August, dass sich die Situation verschärft habe. In unmittelbarer Nähe der Sicherheitszone gab es eine Explosion, die laut IAEA-Experten vor Ort von einer Drohne mit Sprengladung verursacht wurde.
Gefahr für Atomkraftwerke im Kriegsgebiet
Der Leiter der IAEA, Rafael Grossi, erklärte letzte Woche in Russland, dass Kiew um eine Erweiterung der Präsenz seiner Organisation in der Ukraine gebeten habe. Er hat das AKW Saporischschja bereits mehrfach besucht und dort ein Team von IAEA-Experten stationiert. Die kontinuierliche Anwesenheit der internationalen Fachleute dient nicht nur der Überwachung der Situation, sondern auch der Abschreckung von Kampfhandlungen, die zu einem Atomunfall führen könnten.
Bei den Diskussionen in der Ukraine wird Grossi voraussichtlich auch über seinen Besuch im russischen Atomkraftwerk Kursk in der vergangenen Woche berichten. Nach dem Einmarsch ukrainischer Truppen in der Region Kursk hatte der IAEA-Chef vor der Gefahr eines atomaren Zwischenfalls gewarnt und die Kriegsparteien aufgefordert, sich an die Regeln der nuklearen Sicherheit zu halten.
Grossi sagte, dass die Kampfhandlungen in der Region ernsthafte Bedenken hervorriefen. Die Reaktoren des AKW in der Stadt Kurtschatow seien ungeschützt, was sie besonders anfällig für Drohnenangriffe oder Artilleriebeschuss mache. Trotzdem laufe der Betrieb bisher fast normal. Er bedankte sich bei Kremlchef Putin für die Einladung und die Gelegenheit, die Anlage zu besichtigen.
Putin in der Mongolei – Ukraine fordert seine Festnahme
Putin ist am Montagabend in der Mongolei angekommen und besucht damit zum ersten Mal seit Kriegsbeginn ein Land, das den Internationalen Strafgerichtshof anerkennt. Im März letzten Jahres hatte der Gerichtshof im Zusammenhang mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine einen Haftbefehl gegen Putin erlassen – daher müssten die mongolischen Strafverfolgungsbehörden den Kremlchef eigentlich bei seinem Aufenthalt in der Hauptstadt Ulan Bator festnehmen. Aufgrund der freundschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern sieht Moskau jedoch keine Gefahr für Putin, wie Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärt hatte.
Die ukrainische Regierung verlangt die Verhaftung des russischen Präsidenten und beschuldigt die Mongolei, ihm dabei zu helfen, seiner gerechten Strafe zu entkommen. “Damit macht sich das Land mitschuldig an Putins Kriegsverbrechen”, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Kiew. Das Versäumnis der mongolischen Regierung, den verbindlichen Haftbefehl gegen Putin zu vollstrecken, sei ein schwerer Schlag für das internationale Strafrechtssystem und werde Konsequenzen haben.
Der Präsident des Kremls wird heute den mongolischen Präsidenten Uchnaagiin Chürelsüch treffen, auf dessen Einladung er in dem Land ist. Sein Besuch dient nicht nur dem Ausbau der Zusammenarbeit beider Nachbarstaaten. Putin will mit seiner Reise auch zeigen, dass er trotz des Krieges auf internationaler Bühne nicht isoliert ist.