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Kiew warnt vor neuer russischer Großoffensive

Moskau zeigt sich zufrieden mit dem Tempo seiner Eroberungen. Kiew warnt vor einer neuen russischen Großoffensive im Donbass. In der Nacht greift Russland wieder mit Drohnen und Raketen an.

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Die Stadt Pokrowsk ist nach monatelangem russischem Beschuss schwer zerstört, wird aber immer noch von ukrainischen Truppen gehalten. (Archivbild)
Foto: Iryna Rybakova/Ukrainian 93rd Mechanized brigade/AP/dpa

Laut Angaben aus Kiew plant Russland eine weitere große Offensive im ostukrainischen Industriegebiet Donbass. Der Vorstoß könnte im Bereich um die Stadt Pokrowsk erfolgen, warnte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj der Nachrichtenagentur Interfax Ukraine zufolge bei einem Gespräch mit Medienvertretern. «Die Konzentration (an Truppen) dort liegt bei bis zu 100.000, das ist das, was wir heute Morgen haben», sagte er. Die russischen Truppen bereiten den Vorstoß auf jeden Fall vor. Aber die Ukraine sei darauf vorbereitet, sagte Selenskyj. Er schätzte die Lage als unter Kontrolle ein.

Erneut Kampfdrohnen und Raketen gegen ukrainische Städte

In der Nacht griff das russische Militär eine Reihe ukrainischer Städte mit Kampfdrohnen und Marschflugkörpern an. Besonders betroffen waren die Städte Saporischschja und Dnipro. Berichten zufolge wurden beide Städte von schweren Explosionen erschüttert. Auch aus Kiew und anderen Städten wurden Angriffe mit Kamikazedrohnen gemeldet.

In Saporischschja wurden laut Militärverwalter Iwan Fedorow drei Menschen verletzt. Nach Treffern gerieten mehrere Wohngebäude in Brand. Über mögliche Opfer oder Schäden aus den anderen angegriffenen Städten gibt es zunächst keine Informationen.

Russen bislang mit Einnahme von Pokrowsk gescheitert

Pokrowsk, eine Bergarbeiterstadt im Süden der Region Donezk, hatte vor dem Krieg etwa 60.000 Einwohner. Trotz monatelanger Belagerung und ständigem Beschuss leben dort nur noch wenige Menschen. Bisher ist es den russischen Truppen jedoch nicht gelungen, den strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkt einzunehmen.

Eine Krise in diesem Frontabschnitt zu Monatsbeginn hat die Ukraine inzwischen überwunden. Ein kilometerlanger Durchbruch der Russen wurde gestoppt. Mit Gegenangriffen ist es den Verteidigern gelungen, Teile der russischen Truppen abzuschneiden.

Region Donezk für Putin wichtig

Die Region Donezk hat Vorrang für die russische Kriegsführung. In den letzten Gesprächen zwischen Kremlchef Wladimir Putin und dem US-Präsidenten Donald Trump soll der Russe von Kiew die Aufgabe der Region als Bedingung für ein Einfrieren der Front an anderer Stelle gefordert haben.

Die Forderung ist nicht offiziell belegt, aber Russland begann den Krieg vor dreieinhalb Jahren mit der Prämisse, die von prorussischen Separatisten gehaltenen Regionen teilweise von der Ukraine abzuspalten. Später erweiterte der Kreml seine Gebietsansprüche auch auf die Regionen Cherson und Saporischschja im Süden der Ukraine.

Jeden Monat Eroberungen von 600 bis 700 Quadratkilometern

Zuletzt konnten russische Truppen vor allem im Süden der Region Donezk Boden gutmachen und sind inzwischen teilweise sogar in die benachbarte Region Dnipropetrowsk vorgestoßen. Nach Darstellung von Russlands Verteidigungsminister Andrej Beloussow läuft Moskaus Eroberungskrieg erfolgreich und hat zuletzt deutlich an Fahrt gewonnen. «Wenn wir zu Jahresbeginn jeden Monat 300 bis 400 Quadratkilometer befreit haben, so sind es jetzt 600 bis 700», sagte Beloussow bei einer Sitzung des Ministeriums. Zum Vergleich: Die Stadt Hamburg hat eine Fläche von 755 Quadratkilometern.

Beloussow äußerte sich zufrieden über die fortgesetzten russischen Luftangriffe auf die Ukraine. In diesem Jahr gab es bereits 35 solcher massiven Luftschläge gegen 146 strategisch wichtige Ziele des Gegners. Dies habe die militärische Infrastruktur der Ukraine erheblich geschwächt, sagte er. Erst am Vortag hatte Russland unter anderem die Stadt Kiew massiv bombardiert und dabei mindestens 25 Zivilisten getötet.

Laut Beloussow haben die Verluste des ukrainischen Militärs in diesem Jahr 340.000 Soldaten erreicht. Er hat jedoch keine Angaben zu den eigenen Verlusten gemacht. Die Aussagen des Ministers können nicht unabhängig überprüft werden. In der Vergangenheit haben sowohl die eine als auch die andere Seite in der Regel die gegnerischen Verluste übertrieben und die eigenen verschwiegen.

Verhandlungen stocken

Die russische Invasion dauert bereits dreieinhalb Jahre. Moskau kontrolliert nun etwa ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets, einschließlich der bereits 2014 annektierten Halbinsel Krim. Obwohl es seit Mai erstmals seit drei Jahren wieder direkte Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien gibt, gab es bisher keinen Durchbruch.

Kiew beschuldigt Moskau, die Verhandlungen zu verzögern, um eine militärische Entscheidung zu erzwingen. Selbst bei dem von Beloussow genannten Tempo bei den Eroberungen würde es jedoch noch etwa 60 Jahre dauern, bis das russische Militär den Nachbarstaat vollständig erobert hätte.

dpa