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Deutschland legalisiert Cannabis für Erwachsene

Neue Ära der Drogenpolitik beginnt mit Freiheiten für Personen ab 18 Jahren, trotz scharfer Kritik und strengen Auflagen.

An zahlreichen Orten in Deutschland feiern Aktivistinnen und Aktivisten heute die Legalisierung.
Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Durch die Legalisierung von Cannabis für Erwachsene hat in Deutschland in der Nacht eine neue Ära der Drogenpolitik begonnen. Der Besitz bestimmter Mengen Cannabis, der private Anbau und der Konsum der Droge auch in der Öffentlichkeit sind ab heute für Personen ab 18 Jahren unter Auflagen erlaubt. Die Ampel-Koalition hatte entsprechende Gesetzesänderungen gegen große Widerstände auf den Weg gebracht.

Am Brandenburger Tor in Berlin feierten Anhänger mit einem sogenannten Smoke-In ab Mitternacht die neuen Freiheiten. Hunderte Menschen versammelten sich laut einem Reporter der dpa vor Ort vor dem Berliner Wahrzeichen, zündeten demonstrativ Joints an und tanzten in ausgelassener Stimmung zu Reggae-Musik.

Lauterbach: Historische Chance

Gegner der Legalisierung bekräftigten zum Start ihre scharfe Kritik. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verteidigte die neuen Regeln: «Heute beenden wir eine gescheiterte Verbotspolitik», sagte der SPD-Politiker der dpa in Berlin. Das sei eine historische Chance. «Ab jetzt kombinieren wir eine echte Alternative zum Schwarzmarkt mit besserem Kinder- und Jugendschutz. So wie bisher konnte es nicht weitergehen», fügte der Minister hinzu.

Die Regierung behauptet, dass trotz des Verbots der Konsum von Cannabis zugenommen hat, der Schwarzmarkt wächst und das dort bezogene Cannabis mit erhöhten Gesundheitsrisiken verbunden sein kann. Der Gehalt an Wirkstoffen ist unbekannt und es können giftige Beimengungen und Verunreinigungen enthalten sein.

Legalisierung in zwei Schritten

In einem ersten Schritt wird nun zunächst der Besitz, privater Anbau und Konsum bestimmter Mengen Cannabis für Erwachsene erlaubt. Ab Juli sollen in einem zweiten Schritt sogenannte Anbauvereine unter strengen staatlichen Kontrollen Cannabis anbauen und an ihre Mitglieder abgeben dürfen. Gleichzeitig sind Suchtpräventionsmaßnahmen im Gesetz vorgesehen.

Mit dem Inkrafttreten der Änderungen wurde Cannabis aus der Liste der verbotenen Substanzen im Betäubungsmittelgesetz gestrichen. Erwachsene können nun bis zu 25 Gramm der Droge in der Öffentlichkeit bei sich tragen, während zu Hause maximal 50 Gramm erlaubt sind. Zusätzlich ist es erlaubt, bis zu drei Cannabis-Pflanzen im Wohnbereich zu besitzen. Das Rauchen von Cannabis in der Öffentlichkeit ist erlaubt, jedoch nicht in der Nähe von Kindern und Jugendlichen, Schulen, Kitas, Spiel- und Sportplätzen sowie tagsüber auch nicht in Fußgängerzonen.

Verstöße können mit hohen Geldstrafen belegt werden. Die Weitergabe von Drogen außerhalb der Vereine bleibt strafbar, insbesondere bei Minderjährigen droht Gefängnis. Personen unter 18 Jahren dürfen kein Cannabis konsumieren.

Union: Schwarzer Tag für Jugendschutz

CDU und CSU bekräftigten ihre strikte Ablehnung der Legalisierung. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Tino Sorge (CDU), sagte der dpa: «In der Tat ist der 1. April ein historischer Tag. Er wird in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem die Ampel ein nie dagewesenes Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt ins Rollen gebracht hat. In den kommenden Wochen wird illegales Cannabis aus Altbeständen den Markt fluten.» Sorge nannte die Legalisierung in ihrer jetzigen Form ein Risiko für die innere Sicherheit. «Wir werden sie nach einem Regierungswechsel rückgängig machen.»

CSU-Generalsekretär Martin Huber nannte die Legalisierung einen schweren Fehler. Der 1. April sei ein Glückstag für Dealer und ein schwarzer Tag für den Jugendschutz. Für Bayern kündigte er eine «maximal strenge Auslegung der Cannabis-Regeln und intensive Kontrollen» an. «Wir wollen keine Kiffer-Hochburg werden.» Ähnlich hatte sich auch schon Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) geäußert. 

Die Deutsche Polizeigewerkschaft kritisiert das. Behörden und Polizei würden dadurch in eine Position gebracht, in der sie ganz genau kontrollieren müssten, sagte der bayerische Landesvorsitzende Jürgen Köhnlein. Es fehlten aber genaue Verwaltungsvorschriften und Personal. Es gebe im Cannabisgesetz bei Ordnungswidrigkeiten und Straftaten deutlich mehr Tatbestände als bisher. «Das wird ganz, ganz kompliziert», sagte Köhnlein.

Bedenken von medizinischer Seite

Vor der Legalisierung gab es eine langjährige Debatte. Während des Beratungsverfahrens zum nun gültigen Gesetz äußerten auch Medizinerverbände große Bedenken, insbesondere hinsichtlich der Gesundheitsgefahren für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Obwohl Cannabis gesetzlich für Personen unter 18 Jahren verboten bleibt, wies die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie darauf hin, dass die Hirnreifung erst mit Mitte 20 abgeschlossen sei und ein früherer Cannabiskonsum das Risiko für Psychosen erhöhen könnte.

Das Gesetz schreibt vor, die Auswirkungen der Cannabis-Freigabe durch «unabhängige Dritte» untersuchen zu lassen. Ein erster Bericht, der speziell die Auswirkungen auf den Kinder- und Jugendschutz und das Konsumverhalten von Kindern und Jugendlichen betrachtet, soll demnach bereits im Herbst nächsten Jahres vorgelegt werden.

Die Legalisierung wird durch die Öffnung für den Privatanbau von Cannabis und die ab Juli möglichen Anbauvereine insgesamt deutlich eingeschränkt, im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen der Ampel. Das Vorhaben, den freien Verkauf von Cannabis und Cannabis-Produkten in speziellen Geschäften zu ermöglichen, ähnlich wie in den USA oder Kanada, wird vorerst auf Eis gelegt. EU-rechtliche Bedenken stehen dem entgegen.

dpa