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Klima-Aktivisten drohen womöglich Schadenersatzforderungen

Nach neuen Klebe-Aktionen macht sich unter den Kritikern der Letzten Generation zunehmend Genervtheit breit. Womöglich drohen den Aktivisten neben Haftstrafen bald auch hohe Schadenersatzforderungen.

Mitglieder der Protestgruppe Letzte Generation nehmen an einer Sitzblockade an der Autobahnabfahrt am Elbepark in Dresden teil.
Foto: Robert Michael/dpa

Klimaschützer, die Straßen und Flughäfen blockieren oder Veranstaltungen mit Farbattacken stören, müssen mit teils erheblichen Strafen rechnen. Das gilt vor allem dann, wenn sich die Aktivisten der Klimaschutzgruppe Letzte Generation uneinsichtig zeigen.

Jenseits von Geldstrafen und Haft stellt sich bei einigen der Aktionen der vergangenen Tage und Wochen auch die Frage nach möglichen Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe.

Aus rechtlicher Sicht, heißt es von Experten, handelte es sich bei den Klebe-Aktionen auf den Flughäfen Hamburg und Düsseldorf am vergangenen Donnerstag um einen sogenannten Eingriff in einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Der Düsseldorfer Flughafen, wo nach Angaben eines Sprechers 48 Flüge annulliert und zwei umgeleitet wurden, prüft inzwischen mögliche Ansprüche auf Schadenersatz.

«Für den Geschädigten stellt sich natürlich auch die Frage, ob es sich wirtschaftlich lohnt, Schadenersatzansprüche geltend zu machen», gibt Thomas Rüfner, Professor für Bürgerliches Recht an der Universität Trier, zu bedenken. «Denn wenn da ohnehin nichts zu holen ist, würde man durch so eine Klage letztlich nur ein Signal setzen.» Und da man den Aktivisten zubilligen müsse, dass sie mit dem Klimaschutz zumindest ein moralisch gerechtfertigtes Ziel verfolgten, könne es auch sein, dass eine Organisation aus Image-Gründen auf eine Klage verzichte.

Aus Rüfners Sicht käme auch ein Ersatzanspruch wegen vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung in Frage. Die Blockade eines Flughafens werde wohl überwiegend als sittenwidrig angesehen, sagt er, bei Straßenblockaden werde das dagegen kontrovers diskutiert.

Faeser kündigt neue Sicherheitsstandards an

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte, auf die Klebe-Aktionen an den Flughäfen angesprochen, neue Sicherheitsstandards angekündigt. Sie sagte: «Es wird demnächst tatsächliche Standards für die Betreiber kritischer Infrastruktur geben. Dazu gehören auch die Flughäfen, und das wird auch zu einer besonderen Sicherheit der Flughäfen weiterhin führen.»

Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Günter Krings (CDU), findet das zwar im Grundsatz richtig. Er meint jedoch, ein besserer Schutz des Flughafens könne hier nicht die einzige Antwort sein. Krings ermuntert Flughafenbetreiber und Fluggesellschaften, Schadenersatzansprüche zu stellen und den betroffenen Passagieren anzubieten, «ihre Ansprüche an sie abzutreten, um es dann gebündelt einzuklagen».

Seine Fraktion hatte in einem Antrag vom vergangenen November mit Blick auf Aktionen radikaler Klima-Aktivisten in Museen die Bundesregierung aufgefordert, «dafür Sorge zu tragen, dass Kultureinrichtungen des Bundes im Falle einer Schädigung von Kunstwerken durch Straftäter stets auch ihre zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche gegen die Schädiger sowie ihre Anstifter und Hintermänner vollumfänglich durchsetzen.»

Bei einer Straßenblockade mag der konkrete Schaden für die Aktivisten schwer einzuschätzen sein: Wird ein Lieferdienst mit verderblicher Ware im Stau aufgehalten? Kommt ein Krankenwagen zu spät ins Krankenhaus? Klebt sich jemand auf das Rollfeld eines internationalen Flughafens, sieht das schon anders aus.

Flughafen-Aktionen fordern Einordnung

Auch Florian Dallwig, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht des Deutschen Anwaltvereins, ist überzeugt, dass es sich bei den Flughafen-Aktionen um einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb handelt. Er sagt: «Da würde sich eine ganz andere Schadensumme berechnen lassen, sowohl was die Fluggesellschaft als auch die Betreibergesellschaft des Flughafens angeht.»

Der Anwalt aus Hamm erklärt: «Für die Frage, ob jemand durch eine Privatinsolvenz von der rechtskräftig festgestellten Verpflichtung frei wird, diese Summe zu begleichen, ist es relevant, ob man annimmt, dass es sich um eine vorsätzliche Schädigung handelt.» Diese könne von einem Zivilgericht durchaus so gesehen werden, da sich die Aktivisten in der Regel des strafbaren Mittels der Nötigung bedienten. «Dagegen spräche, wenn man die Verhinderung eines Klimanotstandes als ein legitimes übergeordnetes Ziel anerkennt.»

Anders als bei einem fahrlässig herbeigeführten Schaden – etwa durch die Unachtsamkeit eines Autofahrers im Straßenverkehr – kommt eine sogenannte Restschuldbefreiung bei jemandem, der einen Schaden vorsätzlich herbeiführt, auch im Falle eines Insolvenzverfahrens nicht in Betracht. «Die Summe kann damit über einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren beigetrieben werden», sagt Dallwig.

Er glaubt allerdings, dass Ansprüche gegen die Letzte Generation als solche nicht in Frage kämen. Vielmehr richteten sich diese gegen einzelne Aktivisten, die an der jeweiligen Aktion beteiligt sind, gegebenenfalls noch gegen Helfer. «Damit käme man dann an die Spenden, die von der Generation gesammelt werden, und die ja teilweise aus größeren Privatvermögen stammen, nicht heran», vermutet der Anwalt.

Letzte Generation könnte möglicherweise zur Kasse gebeten werden

Rechtswissenschaftler Rüfner ist sich da nicht so sicher. Dass neben den Beteiligten auch die Letzte Generation zur Kasse gebeten werden könnte, hält er zumindest für möglich. Er sagt, die Gruppe sei als sogenannter nichts rechtsfähiger Verein zu behandeln. Und soweit die Letzte Generation ein gemeinsames Vereinsvermögen gebildet habe, etwa durch Spenden, könnten Geschädigte darauf zugreifen.

Wenn es um Situationen gehe, wo jemand eine Urlaubsreise wegen einer Blockade nicht antreten könne, sei die Rechtsprechung allerdings vorsichtig, was die Höhe des Schadens angehe, räumt er ein. Eindeutiger sei der Fall des mutmaßlichen Brandanschlags auf zwei SUV-Fahrzeuge in einem Autohaus in München vor einigen Tagen.

Nach dem Brand war ein anonymes Bekennerschreiben aufgetaucht, in dem es heißt, die «Repression gegen Klimaaktivist*innen» solle nicht unbeantwortet bleiben. Deshalb habe man «in einem Schnellverfahren» die Fahrzeuge durch einen Brandsatz «zwangspensioniert und in den vorzeitigen Ruhestand versetzt». Ob das Schreiben von den möglichen Tätern stamme, sei aber völlig offen, hieß es von der Polizei. Rüfner sagt: «Wenn man der Täter habhaft wird, wird es – neben der strafrechtlichen Verfolgung – für das Autohaus unproblematisch sein, hier auch Schadenersatzansprüche geltend zu machen.»

dpa