Klimaschützer empört über Finanzflüsse an Entwicklungsländer – Deutschland-Chef von Greenpeace nennt Situation "traurigen Witz".
UN-Klimakonferenz in Aserbaidschan verlängert wegen Streit um Klimahilfen
Die UN-Klimakonferenz in Aserbaidschan wird aufgrund eines heftigen Streits über Klimahilfen in Billionenhöhe verlängert. Obwohl nach zweiwöchigen Verhandlungen Entwürfe für Abschlusstexte vorlagen, die zum planmäßigen Ende am Freitag vorbereitet wurden, lösten sie Empörung aus.
Der Hauptstreitpunkt ist, wie stark die Finanzflüsse an Entwicklungsländer erhöht werden sollen. Die Präsidentschaft schlug vor, dass vor allem die Industriestaaten bis 2035 jährlich 250 Milliarden US-Dollar mobilisieren – das wären zwar etwa 2,5 Mal mehr als derzeit fließt. Allerdings steigt auch der Bedarf erheblich, von einem Inflationsausgleich ganz zu schweigen.
Klimaschützer sprachen daher von einem «traurigen Witz». Der Deutschland-Chef von Greenpeace, Martin Kaiser, sagte: «Ein Waldbrand kann nicht mit einem Gartenschlauch gelöscht werden.»
Viele Entwicklungsländer hatten energisch Gelder in Billionenhöhe gefordert. Auch eine unabhängige UN-Expertengruppe kommt zu dem Schluss, dass der Bedarf an externer Hilfe bei rund 1.000 Milliarden US-Dollar pro Jahr bis 2030 liegt – und sogar bei 1.300 Milliarden bis 2035.
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock sagte, jetzt breche wie im Basketball die «Crunch time» an. Die gesundheitlich angeschlagene Grünen-Politikerin kündigte an, dass sie – anders als am Morgen angekündigt – doch länger für die Verhandlungen auf der Klimakonferenz bleiben will. Zunächst war eine Abreise nach dem offiziellen Ende am Abend geplant.
«Niemand wirklich verantwortlich»
Als Gesamtziel wird in dem fünfseitigen Textentwurf die Summe von mindestens 1,3 Billionen Dollar genannt, wobei auch Entwicklungsbanken und private Geldquellen eine wichtige Rolle spielen sollen, sowie weitere Geberländer. Oxfam-Experte Kowalzig kritisierte: «Niemand ist konkret für diesen Teil des Globalziels wirklich verantwortlich.»
Die Klimaexpertin Viviane Raddatz von der Entwicklungsorganisation WWF sagte: «Es ist nicht klar, wie viel echte Zuschüsse und öffentliche Mittel hier einfließen sollen, und wie viel aus privaten Quellen kommt.» Bill Hare vom Thinkthank ClimateAnalytics wies darauf hin, dem Wortlaut nach müsse das Ziel erst 2035 erreicht werden, so dass es eigentlich um eine Obergrenze gehe, nicht um eine Untergrenze.
Während der Konferenz hatten die EU einschließlich Deutschland und anderer Wirtschaftsmächte bis zum letzten Tag öffentlich keine Summen genannt oder angeboten. Die Bundesregierung sagte lediglich, es sei völlig unrealistisch, dass Gelder in Billionenhöhe jetzt aus den Haushalten kommen. Sie forderten Länder wie China und die reichen Golfstaaten auf, ebenfalls Geld einzuzahlen. Das Problem besteht darin, dass sie nach der alten UN-Logik immer noch als Entwicklungsländer gelten und daher Hilfsempfänger sind.
Kosten des Nichtstuns deutlich höher
Entwicklungsländer fordern seit langem mehr Hilfe. Ihr Argument: Sie haben praktisch nicht zum Klimawandel beigetragen, daher müssen die wohlhabenden Staaten des Nordens ihrer historischen Verantwortung gerecht werden. Schon jetzt leiden insbesondere im globalen Süden Millionen Menschen unter den Auswirkungen der globalen Erwärmung. Beispiele sind Ernteausfälle und Hungerkrisen infolge von Dürren. Oder Zerstörungen nach Stürmen, Waldbränden oder Überschwemmungen. Experten warnen davor, dass dies zu Migrationsströmen führen kann. Und: Die Kosten des Nichthandelns sind um ein Vielfaches höher und nicht mehr bezahlbar.
Im Textentwurf wurden wichtige Beschlüsse der Klimakonferenz in Dubai im Vorjahr nicht wörtlich übernommen, vermutlich aufgrund des Drucks von Saudi-Arabien, wie Beobachter und Experten vermuten. Es geht um drei konkrete Ziele: die Absage an Öl, Gas und Kohle, die Verdreifachung des Ausbaus erneuerbarer Energien und die Verdoppelung der Energieeffizienz bis 2030. Germanwatch betrachtet dies immer noch als solide Beschlusslage und keinen inhaltlichen Rückschritt.
Es wäre für Deutschland und die EU enttäuschend, wenn diese bedeutenden Formulierungen nicht erneut erwähnt würden. Dennoch würde es auch einen hohen Preis haben, eine mögliche Einigung beim Thema Geld – und somit die gesamte Konferenz – scheitern zu lassen.
Der Gastgeber als Problem
Germanwatch-Experte Christoph Bals bezweifelte, dass der Prozess bei der aserbaidschanischen Präsidentschaft in guten Händen ist: «Es ist für mich nicht klar, welches Spiel die Präsidentschaft spielt.»
Die ehemalige Sowjetrepublik, die von Staatschef Ilham Aliyev mit harter Hand regiert wird, hofft durch die Ausrichtung einer Mammutkonferenz mit Zehntausenden von Teilnehmern auf einen Imagegewinn. Es gab jedoch von Anfang an kritische Fragen, ob ein Petrostaat, dessen Exporterlöse zu 90 Prozent aus Öl und Gas stammen, glaubwürdig eine Klimakonferenz ausrichten kann. Während der Konferenz wurde deutlich, dass die Präsidentschaft zwar selbstbewusst, aber wenig ehrgeizig ist. Experten bemerkten, dass ihr Team offensichtlich schlecht vorbereitet war. Verhandler berichteten hinter vorgehaltener Hand von teilweise chaotischen Zuständen.