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Klimakrise spitzt sich zu – Welche Rolle spielt Deutschland?

Die Erdtemperatur steigt auf einen Höchstwert und die USA als größte Wirtschaftsmacht der Welt wählt einen Mann zum Präsidenten, der Ölbohrungen ausbauen will. Was tun?

Das Hochwasser im Juni dieses Jahres hat in Ruderberg (Baden-Württemberg) ein Auto weggespült. (Archivbild)
Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Die Auswirkungen des Klimawandels, wie Überschwemmungen, Dürren und Hitzewellen, werden immer offensichtlicher. Laut dem UN-Umweltprogramm stieg der weltweite Treibhausgas-Ausstoß im Jahr 2023 um 1,3 Prozent, was schneller ist als in den zehn Jahren vor der Corona-Pandemie. Mit der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA wird nun eine verstärkte Förderung von Öl angestrebt, und in seiner ersten Amtszeit hat er sich vom Pariser Klimaabkommen distanziert. Kann Deutschland in dieser Situation noch etwas Langfristiges bewirken?

Behauptung: Deutschland hat angesichts der Weltlage nur eine geringe Bedeutung für das Klima. 

Das ist nicht korrekt. Obwohl Deutschland nur etwa ein Prozent der Weltbevölkerung ausmacht, hat im Jahr 2022 jeder Deutsche im Durchschnitt immer noch rund 1,7-mal mehr CO2 pro Kopf produziert als ein Durchschnittsbürger der Welt, wie aus dem Statistikportal Our World in Data hervorgeht. Deutschland stand mit etwa 1,8 Prozent der weltweiten Emissionen an achter Stelle.

Deutschland habe eine besondere Verantwortung beim Klimaschutz, sagt Niklas Höhne vom NewClimate Institute in Köln. «Wir sind eins der reichsten Länder der Welt, eins auch mit der höchsten Wirtschaftskraft und deswegen müssen wir sozusagen als Vorreiter vorangehen, damit andere nachziehen können.» Zum einen könne Deutschland dann rein diplomatisch andere Länder dazu bewegen, zum anderen könne man Technologien entwickeln, die dann von anderen Ländern umgesetzt werden. «Wir haben, wenn man eben Vorreitertechnologien nimmt, einen großen Einfluss.» 

So habe Deutschland die erneuerbaren Energien finanziell extrem gefördert und tue es immer noch, was zu einem so günstigen Preis von Wind- und Solarkraft geführt habe, dass sie weltweit genutzt würden. Dazu habe Deutschland wesentlich beigetragen und tue das eben heute noch. «Das ist sozusagen die größte Klimaschutzmaßnahme überhaupt weltweit.» Eine mögliche CDU/CSU-Regierung wird die aktuelle Förderung nach Ansicht Höhnes umbauen, sie aber nicht generell abschaffen. 

Deutschland habe als Teil der EU auch Einfluss auf deren politische Gesetzgebung «und die EU wiederum ist so groß, dass sie eben auch eine Macht hat», sagt Höhne. So dürften bestimmte Produkte nur in die EU importiert werden, wenn sie klimafreundlich produziert worden seien oder es seien Zollgebühren fällig. «Das bedeutet, es wird sich jeder überlegen, der weltweit so was produziert, ob das nicht auch klimafreundlich geht, um überhaupt am EU-Markt teilnehmen zu können.» 

Mit der Wahl Trumps komme Deutschland nun umso mehr eine Vorreiterrolle zu. «Deutschland und die EU müssen sich nun noch mehr international einbringen und durch gute Kooperationen mit anderen Ländern das Thema Klimaschutz voranbringen.» Mit dem Bruch der Regierungskoalition bekommt dieser Wunsch aktuell einen Dämpfer, der sich auch konkret äußert: Bundeskanzler Olaf Scholz hat seine für Mitte November geplante Reise zur Weltklimakonferenz im aserbaidschanischen Baku abgesagt. 

US-Klimaschutz unter Trump

Im Jahr 2022 lagen die USA mit etwa 14 Prozent weltweit an zweiter Stelle bei den CO2-Emissionen. Der Vergleich zum Jahr 2007 zeigt einen Rückgang ihres CO2-Ausstoßes. Darüber hinaus haben insbesondere der Inflation Reduction Act zur Förderung erneuerbarer Energien, unterzeichnet von US-Präsident Joe Biden, signifikante Investitionen ausgelöst, sagt Höhne. Es ist unwahrscheinlich, dass dieser vollständig von Trump abgeschafft wird, da insbesondere republikanische Bundesstaaten davon profitieren.

Der Wahlsieg von Trump sei sicher keine gute Nachricht für den Klimaschutz, «aber auch Trump kann nicht gegen den Markt arbeiten». Auch in den USA seien die erneuerbaren Energien günstiger als die fossilen. «Beim vergangenen Mal in der Regierung hat er gesagt, dass er Kohlekraftwerke wieder nach vorne bringen will, hat das aber gar nicht geschafft.» 

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und auch Höhne erkennen jedoch eine Herausforderung, da nun einer der bedeutendsten Geldgeber für den Klimaschutz möglicherweise wegfällt: Geld, das Industriestaaten an ärmere Länder für den Klimaschutz oder die Anpassung an den Klimawandel gewähren, war ein zentraler Bestandteil vieler Klimakonferenzen. In Baku soll ein neues Finanzziel verhandelt werden.

China Weltmeister bei Erneuerbaren Energien

Der pro Kopf Ausstoß an CO2 lag in China 2022 mit rund acht Tonnen so hoch wie der in Deutschland. Insgesamt stand es mit 31 Prozent jedoch an der Spitze aller Länder beim CO2-Ausstoß. China baue erneuerbaren Energien extrem schnell aus, sagt Höhne. Zudem würden 80 Prozent der Solarmodule und 50 Prozent der Windkraftanlagen weltweit in China produziert. «Das wird sehr viel zum Klimaschutz beitragen, nicht nur innerhalb von China, sondern eben auch außerhalb davon.» Chinas Regierung habe auch schon früh die Elektromobilität vorangetrieben. Gleichzeitig baue das Land immer noch Kohlekraftwerke. «Man kann nicht sagen, China macht nichts, sondern es macht sehr viel. Ob China damit seiner Verantwortung gerecht wird, darüber kann man streiten.» Aber auch Deutschlands Klimaschutz reiche für die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimaschutzabkommens nicht aus.

Behauptung: Der Klimawandel ist real, aber Deutschland wird es schon nicht so hart treffen

Das ist sehr unwahrscheinlich. Laut Weltwetterorganisation war die Erdtemperatur im Durchschnitt im Jahr 2023 um 1,45 Grad höher als im vorindustriellen Zeitraum, was einen neuen Rekordwert darstellt. In Deutschland lag die Temperatur laut Umweltbundesamt sogar um 2,8 Grad höher als im Zeitraum von 1881 bis 1910 – hauptsächlich aufgrund der schnelleren Erwärmung von Landregionen im Vergleich zu den Meeren.

Laut dem neuesten Klima-Risiko-Index von Germanwatch für die Jahre 2000 bis 2019 belegt Deutschland aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels den 18. Platz. In dieser Zeit starben mehr als 10.700 Menschen aufgrund von Extremwetterereignissen – hauptsächlich aufgrund von Hitzewellen. Der wirtschaftliche Schaden belief sich durchschnittlich auf 3,54 Milliarden Euro pro Jahr, bereinigt nach Kaufkraft.

Überschwemmung werden häufiger

«Doch auch die Stärke der Niederschläge und die Häufigkeit der Überschwemmungen haben jetzt bereits zugenommen», sagt Diana Rechid, Leiterin der Abteilung regionaler und lokaler Klimawandel am Climate Service Center Germany (Gerics). «Dieses Jahr ist mit Dauerregen in großen Teilen Deutschlands und Hochwasser entlang vieler Flüsse in Niedersachsen und weiteren Bundesländern gestartet. Pfingsten gab es Hochwasser im Saarland und in Rheinland-Pfalz, danach im Juni in Süddeutschland.» 

Die Wissenschafts-Initiative World Weather Attribution (WWA) hat das September-Hochwasser, das von Deutschland bis Rumänien reichte, genauer analysiert und festgestellt, dass der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit für ein derart großräumiges Hochwasser in Mitteleuropa etwa verdoppelt hat.

Die Hitzewelle im Juli 2019 in Westeuropa wäre an allen Orten bei unverändertem Klima um 1,5 bis 3 Grad kühler gewesen, so die Berechnungen der WWA. Der menschengemachte Klimawandel hat dazu geführt, dass Hitzewellen deutlich häufiger und intensiver auftreten. Hitze und Trockenheit haben auch zu erheblichen Schäden im deutschen Wald geführt, der laut Bundeswaldinventur bereits seit 2017 mehr Kohlenstoff freisetzt, als er aufnimmt.

In Deutschland wird es nach Berechnungen von Gerics zukünftig noch mehr heiße und sehr heiße Tage geben. «Das hat ganz direkte Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen», sagt Rechid, nicht nur für Ältere und Säuglinge. «Dazu zählen zum Beispiel auch Menschen, die im Freien arbeiten müssen.» Laut Umweltministerium hat der Klimawandel zudem die Pollensaison und damit auch die Beschwerdezeit der Allergiker verlängert. 

Weltweite Missernten könnten auch das reiche Deutschland treffen, vor allem die ärmeren Menschen. Beispiel Olivenöl. «Der Preis steigt, weil die Olivenbäume durch das veränderte Klima im Mittelmeerraum teilweise weniger Ernte abgeben», sagt Rechid. Der Preisanstieg für viele Nahrungsmittel vergrößere die Ungerechtigkeit zwischen Arm und Reich. 

Das Allerwichtigste sei natürlich, fossile Energieträger zu meiden: «Wenn jeder sagt, dass er nichts machen könne, weil er nur zu einem Prozent der Bevölkerung gehört, was machen wir denn dann?» Nötig sind laut Rechid aber auch die Anpassung, zum Beispiel eine frühere und besser verständliche Warnung vor Hochwasser oder Wasserspeicher für Phasen mit Trockenheit und zu wenig Wasser.

dpa