Der Vizekanzler sucht in Kiew nach Wegen, wie Deutschland die Ukraine bei einem möglichen Friedensprozess unterstützen kann. Im Fokus stehen Sicherheitsgarantien und finanzielle Hilfen.
Klingbeil in Kiew: Verlässliche Sicherheitsgarantien nötig

Vizekanzler und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil lotet in der Ukraine deutsche Beiträge für einen möglichen Friedensprozess aus. «Ich suche in enger Abstimmung mit dem Bundeskanzler den Austausch, wie Deutschland die Ukraine bei einem möglichen Friedensprozess bestmöglich unterstützen kann», sagte der SPD-Chef nach seiner Ankunft am Morgen in der Hauptstadt Kiew. «Es geht um die ukrainische, aber auch um die europäische Sicherheit.»
Es brauche «verlässliche Sicherheitsgarantien, die einen dauerhaften Frieden für die Ukraine gewährleisten», erklärte Klingbeil. «Dazu stimmen wir uns international eng ab. Deutschland wird seiner Verantwortung gerecht werden.» Der Minister wollte in Kiew Vertreter der ukrainischen Regierung und des Parlaments sowie der Zivilgesellschaft treffen.
Debatte um Sicherheitsgarantien: Was kann Deutschland machen?
Nach dem letzten Ukraine-Gipfel in Washington setzen Deutschland und seine Partner alles daran, die genauen Details und die Umsetzung verlässlicher Sicherheitsgarantien zu klären. Diese sind entscheidend dafür, dass die Ukraine nach dreieinhalb Kriegsjahren möglicherweise bereit ist, Zugeständnisse gegenüber dem Angreifer Russland zu machen.
In Deutschland gibt es in den Reihen von Union und SPD noch keine einheitliche Position zu der Frage, ob sich Deutschland auch mit Soldaten an möglichen Sicherheitsgarantien gegen erneute russische Angriffe nach einem Friedensschluss beteiligen sollte. Allerdings hat die Bundesregierung wiederholt betont, dass Deutschland eine Führungsrolle zukomme.
Niemand sehne sich mehr nach Frieden als die Ukrainerinnen und Ukrainer, so Klingbeil in Kiew. Auf diesem Weg unterstütze die Bundesregierung die Ukraine. «Es liegt nun an Russland, endlich ein ernsthaftes Interesse an einem gerechten Frieden zu zeigen. (Russlands Präsident Wladimir) Putin muss seinen brutalen Angriffskrieg endlich beenden», forderte er.
Ukraine «kann sich auf Deutschland verlassen»
Klingbeil bekräftigte zudem die Forderung nach einem Waffenstillstand. «Während über einen Frieden verhandelt wird, dürfen nicht weiter jeden Tag Menschen durch die brutalen russischen Angriffe sterben», sagte er. Es könne keine Verhandlungen über die Köpfe der Ukrainer hinweg geben.
«Putin sollte sich keinerlei Illusionen machen, dass unsere Unterstützung für die Ukraine bröckeln könnte. Im Gegenteil: Wir bleiben weltweit der zweitgrößte und in Europa der größte Unterstützer der Ukraine», so Klingbeil. «Als Finanzminister bringe ich damit heute auch die klare Zusage mit: Die Ukraine kann sich weiter auf Deutschland verlassen.»
Zugleich werde schon jetzt über einen künftigen Wiederaufbau und über die EU-Beitrittsperspektive der Ukraine gesprochen. «Hierfür ist es zentral, dass die Ukraine ihren eingeschlagenen Reformweg konsequent weiter geht», mahnte er.
Selenskyj will Tempo
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj drückt mit öffentlichen Äußerungen aufs Tempo. Er erwartet, dass bereits in den kommenden Tagen Sicherheitsgarantien für die Zeit nach dem Krieg vereinbart sein werden. «Derzeit arbeiten die Teams der Ukraine, der Vereinigten Staaten und der europäischen Partner an deren Ausgestaltung. Alle Entwicklungen werden in den kommenden Tagen abgeschlossen sein», schrieb Selenskyj am Wochenende auf der Plattform X.
Bundesregierung will weitere Milliarden bereitstellen
Am 24. Februar 2022 begann Russland seinen Angriffskrieg. Laut Bundesfinanzministerium beläuft sich der Gesamtwert der bisher geleisteten bilateralen Unterstützung der Bundesregierung für die Ukraine auf etwa 50,5 Milliarden Euro.
Etwa 25 Milliarden Euro entfallen auf die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine, 17 Milliarden Euro auf militärische Unterstützung, 6,7 Milliarden Euro auf zivile Unterstützung und 1,9 Milliarden Euro auf Budgethilfe. Die bilaterale militärische Unterstützung soll gemäß den Finanzplanungen bis 2027 auf einem hohen Niveau von jährlich mehr als 8 Milliarden Euro beibehalten werden.
Ukraine braucht wegen des Krieges auch mehr Geld
Der jährliche Finanzbedarf der Ukraine bleibt hoch, da der Krieg andauert. Finanzminister Serhij Martschenko gab an, dass im Jahr 2026 fast 38,5 Milliarden Euro aus dem Ausland benötigt werden, um das ukrainische Budget zu finanzieren. Aufgrund steigender Kosten musste bereits ein Nachtragshaushalt von über acht Milliarden Euro verabschiedet werden.
Im Vergleich zum Jahr vor dem Krieg 2021 hat sich der Haushaltsbedarf verdreifacht. Mehr als 40 Prozent davon werden mit Krediten und Hilfszahlungen aus dem Ausland gedeckt. Seit Beginn des Krieges sind nach ukrainischen Angaben mehr als 118 Milliarden Euro an ausländischen Finanzmitteln in den ukrainischen Haushalt geflossen.
Laut der Vorsitzenden des Haushaltsausschusses im Parlament, Roxolana Pidlasa, werden für Verteidigungszwecke umgerechnet über 54 Milliarden Euro ausgegeben. Dies entspricht ihren Angaben zufolge etwas mehr als 31 Prozent des für dieses Jahr erwarteten Bruttoinlandsprodukts oder zwei Dritteln des gesamten Staatshaushalts.