Union und SPD kämpfen im Bundestag für ihr Milliarden-Kreditpaket. Doch ihre Zugeständnisse kommen bei den Grünen nicht gut an.
Merz bietet Finanz-Kompromiss an – Abfuhr der Grünen

Im Streit um ihr Multimilliarden-Finanzpaket sind Union und SPD bereit, auf die Grünen zuzugehen. Der wahrscheinlich zukünftige Kanzler Friedrich Merz (CDU) schlug im Bundestag vor, die Schuldenbremse nicht nur für Verteidigung, sondern auch für Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie Nachrichtendienste zu lockern. Außerdem schlug er vor, einen Teil des geplanten, 500 Milliarden Euro schweren Infrastruktur-Sondertopfs fest für den Klimaschutz vorzusehen. Merz äußerte sich in der ersten Lesung zu den geplanten Grundgesetzänderungen, die endgültige Abstimmung über das Paket ist für nächsten Dienstag geplant.
Bis zu 50 Milliarden für Klima- und Transformationsfonds
Bis zu 50 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen sollten in den Klima- und Transformationsfonds fließen, sagte Merz. Damit könne Deutschland nicht nur bei der Verteidigung, sondern auch bei der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und beim Klimaschutz einen großen Sprung nach vorn machen. «Was wollen Sie noch mehr?», fragte Merz die Grünen.
Diese erteilten dem CDU-Chef umgehend eine ganz klare Absage. Fraktionschefin Katharina Dröge sagte an Merz gewandt, falls dieser sich frage, warum die Verhandlungen mit den Grünen gerade so liefen, wie sie liefen, dann antworte sie ihm: «Weil wir uns nicht auf Ihr Wort verlassen.»
Es wird keine Garantie gegeben, dass die Ausgaben aus dem Infrastruktur-Topf tatsächlich zusätzlich sind. «Und wer von uns die Zustimmung für Hunderte von Milliarden Euro haben will für die Investitionen in dieses Land, der muss damit rechnen, dass wir darauf schauen, dass das Geld auch wirklich in die Infrastruktur in diesem Land gesteckt wird und nicht in Steuersenkungen», sagte Dröge.
Sie warf Merz Parteitaktik vor und erinnerte daran, dass SPD und Grüne vor der Wahl mehrfach eine Reform der Schuldenbremse ins Spiel gebracht hätten. «Sie haben dieses Angebot damals mehrfach abgelehnt», sagte sie zu Merz. «Weil Sie noch nie in der Lage waren, die Interessen dieses Landes an die erste Stelle zu stellen und nicht Ihre eigenen.»
Unbegrenzte Schulden-Möglichkeiten für Verteidigung
Das geplante Multimilliarden-Finanzpaket soll die Basis für eine neue schwarz-rote Koalition bilden. Genau genommen haben sich CDU, CSU und SPD vorgenommen, Verteidigungsausgaben ab einer bestimmten Summe von der Schuldenbremse auszunehmen. Alles, was über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt, also über etwa 44 Milliarden Euro, soll aus Krediten finanziert werden dürfen. Nach oben soll es keine Grenze geben.
Die Länder sollen auch die Möglichkeit erhalten, ihre eigene Verschuldung zu erhöhen. Ein weiteres Vorhaben ist die Einrichtung eines Sondervermögens für Investitionen in die Infrastruktur, das mit Krediten von bis zu 500 Milliarden Euro ausgestattet wird.
Dies soll Deutschland nicht nur ermöglichen, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu erreichen und die Bundeswehr fit zu machen, sondern auch den enormen Investitionsstau bei Autobahnen, Brücken, Energienetzen, Kitas und Schulen anzugehen.
Die Grünen werden dringend gebraucht
Ohne die Zustimmung von Grünen oder FDP kann das Paket im Bundestag nicht beschlossen werden, da Union und SPD allein nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit für eine Änderung des Grundgesetzes haben. Bisher ist jedoch keine der beiden Fraktionen zur Zustimmung bereit.
Es gibt seit einigen Tagen Gespräche mit den Grünen. Sie möchten sicherstellen, dass die 500 Milliarden tatsächlich für zusätzliche Infrastrukturprojekte verwendet werden. Es besteht die Sorge, dass stattdessen bereits geplante Maßnahmen aus dem Kernhaushalt ausgelagert werden, um Geld für Wahlgeschenke wie die Mütterrente und eine Steuersenkung in der Gastronomie freizusetzen.
Die Grünen schlagen vor, vorerst nur eine Änderung der Schuldenbremse für Verteidigung zu beschließen – und dabei auch Nachrichtendienste und Cyberabwehr einzubeziehen. Die Verhandlungen über die Infrastruktur-Milliarden sollen dann im neuen Bundestag auch mit der Linken geführt werden. Die SPD lehnt dies jedoch ab, da sie befürchtet, dass es dann kein zusätzliches Geld für die Infrastruktur geben wird.
Die CDU ist optimistisch, dass eine Einigung mit den Grünen erzielt werden kann. Die Grünen-Spitze hingegen sendet bisher völlig andere Signale. Es gab bisher keine so bedeutende Annäherung, dass man zusagen könnte, zeitnah eine gemeinsame Position zu finden, sagte Fraktionschefin Dröge. Sie kritisierte auch, dass im Topf für Infrastruktur kein Geld für das Klima vorgesehen ist.
Möglicher Stolperstein: Bundesverfassungsgericht
Das Vorhaben könnte auch am Bundesrat scheitern, der ebenfalls mit zwei Dritteln der Stimmen zustimmen muss. Diese sind derzeit ebenfalls noch nicht sicher.
Des Weiteren steht noch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus, das prüft, ob der alte Bundestag mit so knappen Fristen und wenig Zeit überhaupt eine Grundgesetzänderung beschließen darf. Denn bereits am Dienstag soll das Parlament darüber abstimmen. Es ist möglich, dass das Gericht diese Sitzung noch kurzfristig untersagt.
Koalitionsverhandlungen beginnen am Abend
Trotz all dieser Unsicherheiten arbeiten Union und SPD weiterhin auf eine gemeinsame Bundesregierung hin. Der Startschuss erfolgt heute Abend in der CDU-Zentrale mit einer größeren Runde. Anschließend beginnt die Arbeit in den 16 thematischen Arbeitsgruppen.
Die Zeit, die sie haben, um einen ersten Vorschlag für ihren Bereich im Koalitionsvertrag zu machen, beträgt nur zehn Tage. Anschließend übernimmt eine Steuerungsgruppe die Textarbeit, bevor die Hauptverhandlungsgruppe wieder einsteigt. Diese Gruppe besteht aus den Parteichefs Friedrich Merz (CDU), Lars Klingbeil und Saskia Esken (SPD) sowie Markus Söder (CSU).
In den Sondierungen hatten sich Union und SPD auf wichtige Punkte geeinigt, aber es gibt noch viele offene Fragen. Um sicherzustellen, dass alles reibungslos verläuft, gibt es strenge Regeln für die Arbeitsgruppen: keine Pressekonferenzen, keine Kommunikation von Zwischenergebnissen, keine Selfies.