Klingbeil plant 170 Milliarden Euro neue Schulden, um Schwerpunkte auf Verteidigung und Infrastruktur zu setzen.
Finanzminister Klingbeil plant Etat mit Rekordschulden
Vor einigen Monaten brach die Ampel-Koalition über den Streit um einige Milliarden Euro im Bundeshaushalt zusammen. Finanzminister Lars Klingbeil hat nun diesen Etat ohne größere Regierungszoff aufgestellt. Schwerpunkte liegen auf Verteidigung und Investitionen in die Infrastruktur, alles ohne größere Finanzierungslücken, wie aus den vorliegenden Plänen der Deutschen Presse-Agentur hervorgeht. Es scheint jedoch, dass die geräuschlose Abwicklung weniger am Verhandlungsgeschick des neuen Vizekanzlers liegt.
Im Gegensatz zur Ampel-Koalition kann Klingbeil tatsächlich viele Milliarden Euro an Krediten aufnehmen – und das macht er auch. In diesem und im nächsten Jahr plant der SPD-Politiker, insgesamt 170 Milliarden Euro neue Schulden zu machen. Während im Jahr 2024 noch Schulden von 33,3 Milliarden Euro verzeichnet waren, sollen es in diesem Jahr bereits weit über das Doppelte sein: 81,8 Milliarden – und 2026 dann 89,3 Milliarden.
Das ist möglich, weil das schwarz-rote Bündnis von Kanzler Friedrich Merz (CDU) vor der Kanzlerwahl eine Lockerung der Schuldenbremse und einen 500 Milliarden Euro schweren Sondertopf für Infrastruktursanierung durchsetzte.
Zwei Haushalte innerhalb weniger Monate
Klingbeil stand vor einer Herausforderung. Nach weniger als zwei Monaten im Amt muss er bereits zwei Haushalte präsentieren: Zuerst den für das laufende Jahr, den die Ampel nicht rechtzeitig fertigstellen konnte. Seit Jahresbeginn müssen die Ministerien daher Prioritäten setzen. Gleichzeitig wird am Etat für 2026 gearbeitet, der ebenfalls noch vor der Sommerpause im Juli verabschiedet werden soll.
Die Gespräche mit seinen Ministerkollegen führte Klingbeil anders als sein Vorvorgänger Christian Lindner allein, ohne Kanzler am Tisch. Angenehm dürften sie kaum gewesen sein, denn fast alle Vorhaben im Koalitionsvertrag stehen unter Finanzierungsvorbehalt – und natürlich hält jedes Ministerium seine Projekte für wichtig. Es heißt, die in der Finanzplanung bis 2029 angemeldeten Wünsche der neuen Minister hätten Klingbeils Pläne um rund 50 Milliarden Euro gesprengt. Der Vizekanzler habe «das abgewendet» und seine Kollegen runtergehandelt.
Etatvolumen
Der Etatentwurf für dieses Jahr und erste Pläne für 2026 sollen an diesem Dienstag im Kabinett beschlossen werden. In diesem Jahr will Klingbeil 503 Milliarden Euro ausgeben, etwa sechs Prozent mehr als im vergangenen Jahr. 2026 soll das Etatvolumen dann auf 519,5 Milliarden Euro steigen.
Verteidigung und Rüstung
Für die Bundeswehr, den Bevölkerungsschutz, die Nachrichtendienste und die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten wie die Ukraine sind in diesem Jahr 75 Milliarden Euro vorgesehen. Ohne die Lockerung der Schuldenbremse wäre es schwierig gewesen, dies zu finanzieren. Die Grundgesetzänderung ermöglicht es Deutschland jedoch, theoretisch unbegrenzt viel Geld in diese Bereiche zu investieren. Laut Berechnungen des Finanzministeriums werden davon nun 32,1 Milliarden Euro durch neue Kredite finanziert.
Insgesamt erreicht Klingbeils Entwurf für dieses Jahr eine Nato-Quote von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – und erfüllt damit die Vorgabe von zwei Prozent. In den kommenden Jahren sollen die Ausgaben schrittweise steigen, bis auf 3,5 Prozent im Jahr 2029. Damit berücksichtigt der Vizekanzler in seinen Plänen schon jetzt, was in dieser Woche voraussichtlich auf dem Nato-Gipfel beschlossen wird: Die Alliierten wollen die klassischen Militärausgaben auf mindestens 3,5 Prozent des BIP hochfahren und zusätzlich in militärisch nutzbare Infrastruktur investieren, so dass insgesamt 5 Prozent zu Buche schlagen.
In seiner eigenen Partei muss sich der SPD-Chef jedoch auf eine größere Debatte darüber gefasst machen. Denn prominente Sozialdemokraten haben gerade erst eine Abkehr von der Aufrüstungspolitik gefordert und sich gegen eine Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland sowie gegen die Erhöhung des Verteidigungshaushalts ausgesprochen.
Infrastruktur
Zweiter Schwerpunkt im Bundeshaushalt der nächsten Jahre ist die Sanierung der maroden Infrastruktur – und damit verbunden die Hoffnung auf mehr Wirtschaftswachstum. «Uns ist wichtig, dass dieses Land wieder leistungsstark wird», heißt es im Finanzministerium. «Es muss Schluss sein mit der Phase des Kaputtsparens.»
Insgesamt sind für dieses Jahr Investitionen in Höhe von rund 115,7 Milliarden Euro geplant, für das kommende Jahr 123,6 Milliarden. Dies wird auch durch die neuen Spielräume für Verschuldung des Bundes ermöglicht – in diesem Fall durch ein Sondervermögen, das von Krediten in Höhe von bis zu 500 Milliarden Euro gespeist werden soll, für das die Schuldenbremse nicht gilt.
Das Geld wird über einen Zeitraum von zwölf Jahren ausgezahlt. In diesem Jahr plant Klingbeil, 37,2 Milliarden Euro aus dem Sondertopf zu entnehmen, im nächsten Jahr 57,9 Milliarden Euro. Dieses Geld soll hauptsächlich für die Instandhaltung von Brücken, Straßen und Energienetzen verwendet werden, aber auch für Investitionen in die Digitalisierung, Krankenhäuser und den Wohnungsbau. Ein Teil der Mittel wird von den Bundesländern verwaltet, ein anderer Teil fließt in einen Fonds für Klimaschutz-Investitionen.
Probleme in der Zukunft
In den Haushaltsverhandlungen der Ampel-Regierungsjahre war «Handlungsbedarf» ein geflügeltes Wort, das Finanzierungslücken umschreiben sollte. Davon spricht man im Finanzministerium für 2025 und 2026 nun nicht. Eingeplant ist lediglich eine sogenannte globale Minderausgabe. Man erwartet, dass die Ministerien in diesem Jahr vier Milliarden ihrer Mittel nicht ausgeben, im nächsten Jahr acht Milliarden. Das gilt als realistisch.
Die Etats der Jahre 2027 bis 2029 könnten jedoch problematisch werden. In diesem Zeitraum müssen unter anderem die Kredite zurückgezahlt werden, die der Bund während der Corona-Pandemie aufgenommen hat. Zudem wird der Kreditspielraum sinken, wenn sich die Wirtschaft wie geplant erholt.
Zeitplan
Das Kabinett plant, beide Haushalte an diesem Dienstag auf den Weg zu bringen. Der Etat für 2025 soll vor der Sommerpause Mitte Juli erstmals im Bundestag beraten werden und der Beschluss ist für Mitte September geplant. Beim Haushalt für 2026 gibt es weniger Eile: Zunächst werden nur Eckwerte beschlossen, der genaue Plan soll am 30. Juli beraten werden. Wenn alles nach Plan läuft, könnte der Bundestag den Etat 2026 Mitte Dezember beschließen.