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Millionen Vollzeitbeschäftigte verdienen unter 3.500 Euro

Deutschland hat ein Lohnproblem mit harten Folgen für die Renten und das Alltagsleben der Bevölkerung.

Einkommen im unteren Bereich gehören für Millionen von Menschen zum Alltag. (Symbolbild)
Foto: Jan Woitas/dpa

Jede fünfte Vollzeitbeschäftigte in Deutschland verdient weniger als 2.750 Euro brutto im Monat. Laut einer Antwort der Bundesregierung an den Linken-Abgeordneten Dietmar Bartsch sind das zuletzt rund 4,6 Millionen Menschen. 40 Prozent oder 9,2 Millionen verdienen weniger als 3.500 Euro.

Das macht aus Bartschs Sicht klar: «Deutschland ist kein Hochlohnland, sondern hat ein millionenfaches Lohnproblem.» Bei teils horrenden Mietkosten und gestiegenen Preisen für Lebensmittel und Energie sei es für Millionen Menschen eine Herausforderung, die zwingenden Kosten des Alltags zu stemmen.

Aus Sicht der Industrie wird Deutschland manchmal als «Hochlohnland» bezeichnet. Für eine geleistete Arbeitsstunde haben Unternehmen vergangenes Jahr im Schnitt 43,40 Euro an Bruttoverdiensten und Lohnnebenkosten gezahlt.

Auf welche Renten können sich Betroffene einstellen?

Für die Betroffenen haben die Löhne im unteren Segment nach Einschätzung von Bartsch harte Folgen. «Eine politische und soziale Unverschämtheit ist es, dass genau diejenigen die Armutsrentner von morgen sein werden», sagte er.

Laut der Linken ist ein Monatsbruttolohn von mehr als rund 3.300 Euro – rund 20 Euro pro Stunde – erforderlich, um eine gesetzliche Rente auf dem Niveau der Armutsrisiko-Schwelle zu erhalten. Andere Formen der Altersvorsorge werden hier nicht berücksichtigt.

In Deutschland wird eine Person laut Statistischem Bundesamt als armutsgefährdet angesehen, wenn ihr monatliches Nettoeinkommen unter 1.378 Euro liegt. 15,5 Prozent – etwa 13,1 Millionen Menschen – sind in Deutschland armutsgefährdet. Laut dem Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbands sind Ruheständler mit 19 Prozent überdurchschnittlich betroffen.

Viele Renten unter Schwelle für Armutsrisiko

«Löhne unter 3.500 Euro sind faktisch eine Garantie für Renten auf Armutsniveau», sagte Bartsch. Wie viele Menschen aktuell weniger aus der gesetzlichen Rentenkasse bekommen als für eine Rente oberhalb der Armutsgefährdungsschwelle nötig, hatte Bartsch im Juli bereits abgefragt. Unter 1.300 Euro Rente erhalten demnach – Stand 31. Dezember 2024 – mehr als jede und jeder Vierte mit mindestens 45 Jahren in der Rentenversicherung.

Die gesetzliche Rente macht laut dem neuesten Alterssicherungsbericht nur 53 Prozent der Bruttoeinkommen der über 65-Jährigen aus (2023). Betriebsrenten tragen etwa 7 Prozent bei, weiteres Erwerbseinkommen 13 Prozent, private Vorsorge 6 Prozent und Transferleistungen sowie anderes 21 Prozent.

Ost-West-Gefälle

Regional gesehen gibt es in Deutschland eine ziemlich ungleiche Verteilung der Einkommen. In den ostdeutschen Flächenländern verdienen etwa 60 Prozent der Vollzeitbeschäftigten weniger als 3.500 Euro im Monat. Baden-Württemberg hat im Vergleich zu den anderen Flächenländern den geringsten Anteil an Menschen in dieser niedrigen Einkommensgruppe (33,6 Prozent). Im Osten verdienen sogar fast ein Drittel der Menschen weniger als 2.750 Euro.

In Hamburg haben am wenigsten Beschäftigte mit einem Lohn unter 2.750 Euro (rund 15 Prozent) – am meisten in Mecklenburg-Vorpommern (36 Prozent). Mehr als jede und jeder Fünfte sind es in allen Ostländern sowie in Schleswig-Holstein (24 Prozent), Niedersachsen (23 Prozent), in Rheinland-Pfalz und dem Saarland (jeweils 21 Prozent). Bundesweit verdienen 20,9 Prozent weniger als 2.750 und 41,6 Prozent weniger als 3.500 Euro.

Ein Prozent verdient mehr als 213.286 Euro

Derzeit variiert das Gehalt in Deutschland von 20 Prozent der Vollzeitbeschäftigten, die im Jahr 77.000 Euro oder mehr verdienen, bis zu 10 Prozent, die 32.500 Euro oder weniger verdienen. Mithilfe des Statistischen Bundesamts kann man seine eigene Position bestimmen.

Wenn man beispielsweise 42.000 Euro verdient, verdienen rund 30 Prozent der Vollzeitbeschäftigten genauso viel oder weniger. Mit einem Einkommen von 66.000 Euro gehört man zu den 30 Prozent mit den höchsten Verdiensten.

1 Prozent der Vollzeitbeschäftigten verdiente nach diesen jüngsten Zahlen im Jahr 2024 mehr als 213.286 Euro brutto. Bartsch folgert aus dem Lohngefüge: «Deutschlands Beschäftigte brauchen eine ernsthafte Lohnoffensive.»

Enttäuscht über Mindestlohn

Bartsch sprach von einem «Versagen der sozialen Marktwirtschaft». Der schwarz-roten Regierung warf der Linken-Politiker vor, keinen Mindestlohn von 15 Euro als unterste Lohngrenze festgeschrieben zu haben. Dies schade dem Lohnniveau insgesamt.

Bartsch weist darauf hin, dass die Bundesregierung nicht beabsichtigt, die bevorstehende Erhöhung des Mindestlohns gesetzlich festzulegen. Die Mindestlohnkommission mit Vertretern der Gewerkschaften und Arbeitgeber hat beschlossen, dass der Mindestlohn in Deutschland ab dem 1. Januar 2027 in zwei Schritten auf 14,60 Euro pro Stunde ansteigen wird, zu Beginn des nächsten Jahres von heute 12,82 auf 13,90 Euro. Die Regierung beabsichtigt, die Empfehlung umzusetzen.

dpa