Die schwierigen Streitfragen könnten die Verhandlungen bis Ostern verzögern, Themen wie Wehrpflicht und Verbrennungsmotoren sorgen für Diskussionen.
Entscheidende Phase in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD
Knapp fünf Wochen nach der Bundestagswahl treten die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD in die entscheidende Phase ein. Nach vorbereitenden Beratungen auf Fachbereichsebene wird ab heute eine Gruppe von 19 Unterhändlern unter Leitung der 4 Parteichefs Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU), Lars Klingbeil (SPD) und Saskia Esken (SPD) sich mit den schwierigen Streitfragen befassen. Das Ziel ist es, die Verhandlungen spätestens bis Ostern in drei Wochen abzuschließen. Das neue Kabinett könnte dann Anfang Mai im Bundestag vereidigt werden. Allerdings ist noch nicht alles in trockenen Tüchern – Themen wie die Wehrpflicht, die Zukunft von Autos mit Verbrennungsmotoren und die Rente könnten noch für Diskussionen sorgen.
Hier sind einige der Hauptstreitpunkte:
Steuern
Die Arbeitsgruppe für Haushalt und Steuern hat eine Vielzahl von kontroversen Themen in die Spitzengruppe gebracht, um Entscheidungen zu treffen. Zum Beispiel, wann soll die vereinbarte Unternehmensteuerreform aus der Sondierung umgesetzt werden, die Deutschland als Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähiger machen soll? Die Union plant, die Körperschaftsteuer ab 2026 zu senken. Die SPD hingegen setzt zunächst nur auf verbesserte Abschreibungsregeln und plant, erst 2029 minimal an der Steuer zu drehen.
Es scheint, dass der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer erst bei höheren Einkommen angewendet werden soll. Die SPD plant jedoch, ihn von 42 auf 47 Prozent zu erhöhen. Zudem beabsichtigt sie, Kapitaleinkünfte stärker zu besteuern und – das ist wohl der größte Streitpunkt – wieder eine Vermögensteuer einzuführen. Die Union ist dagegen.
Die Ansätze der Parteien bei der Erbschaftsteuer sind ebenfalls völlig unterschiedlich: Die Union plant, Freibeträge für Familienangehörige zu erhöhen. Die SPD hingegen möchte Ausnahmen beim Vererben von Betrieben überprüfen lassen – mit dem Ziel, dass Unternehmenserben höhere Steuern zahlen.
Migration
Die Zurückweisung von Asylsuchenden an den Grenzen ist ein Hauptstreitpunkt, zu dem in den Sondierungsgesprächen nur ein Formelkompromiss gefunden werden konnte. Danach soll die Zurückweisung «in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn» möglich sein. Ob das bedeutet, dass Nachbarstaaten nur über dieses Vorgehen informiert werden sollen oder zustimmen müssen, darüber gehen die Meinungen zwischen Union und SPD aber auseinander.
Die Arbeitsgruppe hat auch offen gelassen, ob die nächste Bundesregierung der Forderung der Union nachkommen wird, Asylverfahren außerhalb der EU zu ermöglichen. Auch das Staatsbürgerschaftsrecht wollen die Unions-Unterhändler anders als die SPD verschärfen. Es soll geprüft werden, ob «Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten, die zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufrufen», die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden kann, wenn sie eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen.
Rente
Union und SPD haben sich in den Sondierungsgesprächen darauf geeinigt, das Rentenniveau zu sichern, jedoch nicht auf welcher Höhe. Die SPD strebt an, das aktuelle Niveau von 48 Prozent beizubehalten, was voraussichtlich zu höheren Beitragssätzen führen würde. Die Union schlägt vor, das Rentenniveau bei 47 Beitragsjahren zu halten, anstatt bei den bisherigen 45 Jahren, wie es in einem Arbeitspapier festgehalten ist.
Ein weiteres Problem ist die Vereinbarung zur Ausweitung der Mütterrente auf Wunsch der CSU. Die SPD fordert, dass die Kosten von etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr aus Steuermitteln und nicht aus der Beitragskasse finanziert werden. Bisher stimmt die Union dem nicht zu.
Autos
In der Wirtschafts-AG gab es auch Uneinigkeit über die Zukunft von Autos mit Verbrennungsmotoren. Hintergrund ist die Entscheidung der EU-Staaten und des Europaparlaments, die ein faktisches Aus für Neuwagen mit Diesel- und Benzinmotoren ab 2035 besiegelt hatten. Die Union lehnt dies bereits seit längerem ab. Im Papier der Arbeitsgruppe fordern CDU und CSU, das Verbot des Verbrennungsmotors ab 2035 müsse rückgängig gemacht werden. Die SPD dagegen steht zum Ziel, EU-weit ab 2035 nur noch Nullemissions-Fahrzeuge zuzulassen.
Im Sondierungspapier haben Union und SPD angekündigt, die Elektromobilität durch einen Kaufanreiz zu unterstützen – jedoch ist noch unklar, wie. Es besteht Uneinigkeit über die Einführung eines generellen Tempolimits auf Autobahnen. Die SPD möchte die Geschwindigkeit auf Autobahnen auf 130 km/h begrenzen, während die Union dagegen ist.
Wehrpflicht
Die Union plant, die im Jahr 2011 beschlossene Aussetzung der Wehrpflicht nach 55 Jahren aufzuheben, um dem Personalmangel bei der Bundeswehr entgegenzuwirken. Die SPD besteht weiterhin auf Freiwilligkeit und strebt eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über die Einführung eines neuen Wehrdienstes an.
Finanzen von Ländern und Kommunen
Die SPD besteht darauf, dass der Bund die Hälfte der Altschulden hochverschuldeter Kommunen übernimmt. Die CDU, die in vielen dieser Orte Bürgermeister stellt, würde dem Vernehmen nach wohl mitmachen. Doch die CSU stellt sich quer – wohl auch, weil bayerische Kommunen vergleichsweise gut aufgestellt sind. Dafür will die CSU unbedingt eine Reform des Länderfinanzausgleichs mit dem Ziel, die Belastung für Geberländer wie Bayern zu verringern. Die SPD dagegen findet das aktuelle System angemessen.