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Könnten die «Midterm»-Wahlen Folgen für Ukraine-Krieg haben?

Bei den US-Kongresswahlen geht es nicht nur innenpolitisch um viel. Teile der Republikaner drohen, im Fall eines Sieges die Ukraine-Hilfen zu kappen. Das hätte gravierende Folgen. Biden ist besorgt – zu Recht?

Republikaner Kevin McCarthy (l) hinterfragt die Ukraine-Hilfen in Milliardenhöhe.
Foto: Richard Graulich/Palm Beach Post via ZUMA Wire/dpa/Archiv

Kevin McCarthy sprach das aus, was zuvor nur Parteikollegen von ganz Rechtsaußen diskutiert hatten: Warum sollten die USA weiter Abermilliarden an die Ukraine geben, während sich daheim die wirtschaftliche Lage zuspitzt? «Ich denke, dass die Leute nicht in einer Rezession sitzen und der Ukraine einen Blankoscheck ausstellen werden», sagte der oberste Republikaner im US-Repräsentantenhaus kürzlich in einem Interview.

McCarthys Äußerung ist eine offene Drohung, dass die Republikaner bei den Ukraine-Hilfen auf die Bremse treten könnten, falls sie bei den Kongresswahlen am 8. November die Mehrheit in der Kammer erobern sollten. Und ihre Chancen dafür stehen nicht schlecht. Ein Bluff oder eine echte Gefahr?

Hilfen in Milliardenhöhe

Die USA haben in den vergangenen Monaten gewaltige Summen für die Ukraine locker gemacht. In rasanter Abfolge brachte die US-Regierung ein Milliarden-Paket nach dem anderen für Kiew auf den Weg: Zusagen im Umfang von etwa 18 Milliarden Dollar allein für militärische Ausrüstung seit dem russischen Einmarsch im Februar.

Kein anderes Land hat mehr Waffen, mehr Munition, mehr militärische Ausrüstung und Geld an Kiew geschickt als die USA. Die groß angelegten US-Waffenlieferungen haben nach Einschätzung von Experten entscheidenden Anteil an den bisherigen militärischen Erfolgen der Ukrainer. Sollte aus den Vereinigten Staaten bedeutsam weniger kommen, könnte dies das Blatt im Krieg zu Gunsten Russlands wenden. Und sollten die Amerikaner nicht mehr mit enormen Summen vorangehen, könnten womöglich auch andere Länder ihren Beitrag überdenken.

Biden: «Es geht um die Nato»

US-Präsident Joe Biden äußerte sich daher «besorgt» über McCarthys Drohung. Die Republikaner verstünden nicht, wie folgenreich und ernst eine solche Blockade wäre, mahnte er. «Es geht um viel mehr als die Ukraine. Es geht um Osteuropa. Es geht um die Nato.»

In der Außenpolitik hat der US-Präsident eigentlich relativ freie Hand. Doch wenn es ums Geld geht, wie im Fall der Ukraine-Hilfen, ist er auf den Kongress angewiesen, um die Mittel bewilligt zu bekommen – vor allem auf das Repräsentantenhaus. Und die Republikaner haben gute Chancen, nach der Wahl die Kontrolle in der Kammer zu übernehmen.

Die bisherigen Milliarden für Kiew wurden mit parteiübergreifenden Mehrheiten verabschiedet. Laut einer aktuellen Umfrage sind auch knapp drei Viertel der Bevölkerung der Meinung, dass die USA weitermachen sollten mit ihrer Unterstützung für die Ukraine. Der Kurs ist nicht wirklich umstritten, zumindest nicht jenseits von extremen Teilen der Republikanischen Partei.

Dass McCarthy deren Duktus aufgreift, passiert aber nicht zum ersten Mal. Der Republikaner will im Fall eines Wahlsieges seiner Partei im Repräsentantenhaus Vorsitzender der Kammer werden und versucht seit geraumer Zeit, sich in den eigenen Reihen für den mächtigen Posten zu profilieren – auch und gerade bei jenen in der Partei, die stramm zu dem republikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump stehen.

Ist McCarthys Vorstoß eine Doppelstrategie?

Der Wissenschaftler Gregory Magarian sieht in McCarthys Vorstoß eine Doppelstrategie: Der 57-Jährige versuche zum einen, einige der extremeren republikanischen Stammwähler anzusprechen, sagt Magarian im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Er forscht an der Washington University in St. Louis. Vor allem aber gehe es McCarthy wohl darum, «diese Drohung als Druckmittel einzusetzen, um in anderen politischen Fragen mehr von dem zu bekommen, was er will», sagt er. «Wenn die Republikaner das Repräsentantenhaus erobern, kann er sagen: Okay, wenn Biden uns in Sachen XYZ nicht das gibt, was wir wollen, dann werden wir unsere Bereitschaft, die Hilfe für die Ukraine zu unterstützen, überdenken.»

Magarian glaubt nicht, «dass es auf der republikanischen Seite eine kritische Masse gibt, die die Haltung der Regierung zum Krieg grundsätzlich ablehnt». Für die Partei als Ganzes wäre es sehr schwierig, eine solche Position einzunehmen und Militärhilfe für Kiew zu blockieren, meint er. Doch auch wenn es nicht McCarthys Ziel sei, die Hilfen tatsächlich zu stoppen oder dramatisch zu verringern, sei es dennoch rücksichtlos und leichtsinnig, mit einer solchen Drohung zu hantieren, kritisiert der Wissenschaftler. Andere Länder und Akteure seien bei dieser Frage auf Stabilität aus den USA angewiesen.

Der oberste Republikaner in der anderen Kongresskammer, Mitch McConnell, mühte sich denn auch, schnell nach McCarthys Äußerung klarzustellen, dass er nicht vorhat, im Senat Ukraine-Hilfen zu blockieren. Es liege im nationalen Sicherheitsinteresse Amerikas, klarzumachen, dass Staaten wie Russland oder China sich kleinere Nachbarn nicht einfach einverleiben könnten.

Auch Widerstand aus den Reihen der Demokraten

Doch auch bei Bidens Demokraten läuft es in Sachen Ukraine nicht geräuschlos. Zuletzt machte ein Brief von 30 demokratischen Abgeordneten Schlagzeilen: Die Parlamentarier verurteilten darin zwar Russlands Krieg gegen die Ukraine und lobten die bisherige US-Hilfe für das Land, legten Biden aber zugleich eine Kursänderung nahe. Ihr Vorschlag: direkte Verhandlungen der USA mit Russland für ein rascheres Ende des Krieges. Das Weiße Haus wies das ab, weil es Bidens Kurs widerspricht, nichts über den Kopf Kiews hinweg zu tun. Nach einiger Aufregung zogen die Abgeordneten den Brief zurück. Dass der Vorstoß aus den eigenen Reihen mit McCarthys Drohgebärden zusammenfiel, ließ Biden nicht gut dastehen.

Insgesamt könnte es nach der Wahl schwieriger und politisch kostspieliger für den Präsidenten werden, die Ukraine-Hilfen auf bisherigem Niveau zu halten. Beobachter erwarten, dass er präventiv versuchen könnte, noch vor Jahresende eine größere Summe für Kiew durch das Parlament zu bringen – also bevor im Januar der neue Kongress zusammentritt. Auf Vorrat quasi.

dpa