Trump schafft ohne Absprachen mit den Europäern Tatsachen. Zugleich sehen die USA die Europäer bei der Absicherung eines Friedens weitgehend alleine in der Pflicht. Es wird problematisch.
Trump dealt mit Putin – Ukraine und Europäer außen vor?
US-Präsident Donald Trump betritt Gespräche mit Kremlchef Wladimir Putin über die Ukraine ohne die europäischen Verbündeten. Trump strebt ein rasches Ende des russischen Angriffskriegs an, jedoch sollen die Europäer wahrscheinlich die Hauptlast tragen. Sie sind unzureichend vorbereitet und könnten vor der Entscheidung stehen, Friedenstruppen zu entsenden, die an anderer Stelle fehlen würden, oder die Ukraine selbst stark militärisch zu unterstützen.
Hat die neue US-Regierung die Ukraine schon vor den Verhandlungen aufgegeben?
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zog die Taktik Trumps öffentlich in Zweifel. Es sei schlecht, dass die USA noch vor Verhandlungen mit dem Kreml öffentlich Zugeständnisse gemacht haben. «Aus meiner Sicht wäre es besser gewesen, über eine mögliche Nato-Mitgliedschaft der Ukraine oder über mögliche Gebietsverluste des Landes erst am Verhandlungstisch zu sprechen – und es nicht vorher vom Tisch zu nehmen», sagte er in Brüssel.
Welche Rolle haben die Europäer und die Nato noch zu spielen?
Die Europäer müssen befürchten, in die Rolle von Erfüllungsgehilfen gedrängt zu werden. Pistorius mahnte voller Sorge, die Europäer dürften nun «nicht am Katzentisch sitzen».
In Bezug auf zukünftige Belastungen wird Europa jedoch aus amerikanischer Sicht benötigt: Die von Trump geführte US-Regierung plant, der Ukraine für ihren Abwehrkampf deutlich weniger militärische und finanzielle Unterstützung zu gewähren und erwartet, dass die Lücken von den Partnern jenseits des Atlantiks geschlossen werden. Sollte bei möglichen Friedensverhandlungen entschieden werden, dass eine Friedenstruppe erforderlich ist, wären aus US-Sicht auch die Europäer in der Verantwortung. Die USA haben nämlich nicht vor, Truppen in der Ukraine zu stationieren, und schließen auch aus, dass die NATO eine Rolle spielen wird.
Ist Moskau überhaupt zu einem Kriegsende bereit?
Moskau zeigt keine Eile, da die eigenen Truppen in der Ukraine vorrücken. Russland hat grundsätzlich großes Interesse an Gesprächen, da der wirtschaftliche Druck hoch ist und die Verluste groß sind. Gleichzeitig ist die Verhandlungssituation für den Kreml nahezu optimal. Er kann aus einer Position der Stärke heraus handeln. Die russische Führung strebte schon immer Verhandlungen auf Augenhöhe mit Washington an und wollte Ukrainer und Europäer an den Katzentisch verbannen – darauf könnte es nun hinauslaufen. Zudem wurde eine zentrale Forderung praktisch schon im Voraus erfüllt: Der Nato-Beitritt der Ukraine ist laut US-Regierung quasi vom Tisch. Daher geht es für Moskau darum, sich die Annexion möglichst großer ukrainischer Gebiete zusichern zu lassen und ein Mitspracherecht bei der Politik in Kiew zu sichern.
Worauf hofft die Ukraine?
«Keiner will den Frieden mehr als wir», hat Präsident Wolodymyr Selenskyj gesagt. Und tatsächlich überlagert der Wunsch nach einem Kriegsende inzwischen vieles andere. Kiew ist klar, Zugeständnisse zu machen, hofft aber seine Eigenständigkeit sichern zu können und nicht noch mehr Gebiete aufgeben zu müssen. Dazu braucht die Ukraine in erster Linie wirksame Sicherheitsgarantien.
Wäre eine Friedenstruppe ohne US-Beteiligung denkbar?
Die Sicherheitsforscherin Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) schreibt, bislang gebe es keine schlüssigen Ideen dazu. «Was die Europäer ad hoc bereitstellen können, würde keinen glaubhaften Schutz bieten», stellt sie in ihrer Studie fest. Nötig wäre für eine Abschreckung eine «zusätzlich notwendige westliche ideale Kontingentstärke von etwa 150.000 Soldaten». Major warnt: «Ein „Bluff and Pray“-Ansatz (bluffen und beten), der zu wenig Truppen einsetzt und im Wesentlichen auf der Hoffnung fußt, dass Russland diesen nicht testet, wäre fahrlässig und erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Krieges in Europa.» Militärplaner weisen zudem darauf hin, dass entweder die Aufrüstung der Ukraine umfangreicher oder aber eine Friedenstruppe größer sein muss.
Erleben wir den sicherheitspolitischen Rückzug der USA aus Europa?
Heute ist zumindest Trumps Plan. Sein Verteidigungsminister Pete Hegseth hat den europäischen Alliierten unmissverständlich klargemacht, dass sein Land sich künftig auf die Bedrohungen durch China konzentrieren wird. Die Europäer müssten sich federführend um die konventionelle Verteidigung und Abschreckung in Europa kümmern. Nur bei der nuklearen Abschreckung würde alles beim Alten bleiben.
Kann die EU überhaupt mehr Verantwortung übernehmen?
Es ist in der Tat fraglich – besonders, weil der Kurs der USA die EU spalten könnte. In den letzten Monaten hat Ungarn wiederholt Entscheidungen zur Unterstützung der Ukraine auf europäischer Ebene blockiert. Es ist absehbar, dass die EU nun auch über Verteidigungsinvestitionen und mögliche neue Schulden streiten wird. Ein Rückzug der Amerikaner aus Europa würde zusätzliche Milliardeninvestitionen erfordern – jedoch sind viele EU-Staaten hoch verschuldet. Deutschland ist gegen neue EU-Schulden für dieses Vorhaben.
Und was ist mit der Nato?
Auf sie kommen schwierige Zeiten zu. Frankreichs Verteidigungsminister Sébastien Lecornu sagte, es stelle sich nun «ein bisschen» die Frage nach der Zukunft der Nato. «Man sagt, sie sei das wichtigste und robusteste Militärbündnis der Geschichte. Das ist historisch gesehen wahr», sagte er. Die eigentliche Frage sei jedoch: «Wird das in 10 oder 15 Jahren immer noch der Fall sein?»
Welche Bedeutung hat Kursk als Verhandlungsmasse?
Es ist nicht klar. Selenskyj plant, die in Russland eroberten Gebiete in Kursk gegen besetzte Teile der Ukraine auszutauschen. Der Kreml betrachtet dies bisher als inakzeptabel, da es der eigenen Wahrnehmung der Stärke widerspricht.
Wie geht es jetzt weiter?
Der Fokus liegt jetzt auf der Münchner Sicherheitskonferenz, wo US-Vizepräsident J.D. Vance und der US-Sondergesandte Keith Kellogg die Gelegenheit haben, direkt mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu sprechen. Bald soll auch ein persönliches Treffen zwischen Trump und dem Kremlchef Putin in Saudi-Arabien stattfinden.