Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Kreml will Putin als haushohen Wahlsieger feiern

Das Ergebnis stand von vornherein fest: Mitten im Krieg präsentiert der Machtapparat Putin mit einem angeblichen Rekordergebnis als haushohen Wahlsieger. Doch der Protest war nicht zu übersehen.

Wladimir Putin (M) ist in Russland seit rund einem Vierteljahrhundert an der Macht.
Foto: Gavriil Grigorov/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Nach einer als Farce kritisierten Präsidentenwahl in Russland wird der Machtapparat an diesem Montag Kremlchef Wladimir Putin als haushohen Sieger feiern. Nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmzettel erhält der 71-Jährige, der seit rund einem Vierteljahrhundert an der Macht ist, laut der Wahlkommission mehr als 87 Prozent.

Zwei Jahre nach Beginn von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine wurde ein Rekordergebnis erzielt, das jedoch Berichten zufolge nur durch Repression, Zwang und Betrug erreicht wurde. Bereits vor Beginn der dreitägigen Abstimmung am vergangenen Freitag begannen auf dem Roten Platz in Moskau die Vorbereitungen für eine große Siegesfeier.

Putin, der sich nun mindestens sechs weitere Jahre an der Macht gesichert hat und laut eigens von ihm geänderter Verfassung auch 2030 noch einmal kandidieren darf, wird das Ergebnis trotz aller Kritik als Bestätigung seines antiwestlichen und autoritären Kurses präsentieren.

Putin schließt umfassenden Konflikt mit Nato nicht aus

So erklärte er am Sonntagabend, ein umfassender Konflikt mit der Nato sei nicht auszuschließen, und in diesem Fall wäre die Welt nur einen Schritt von einem Dritten Weltkrieg entfernt. «Ich halte es für unwahrscheinlich, dass irgendjemand daran interessiert ist, wurde Putin weiter von der Staatsagentur Tass zitiert. Nach Putins Worten sind in der Ukraine bereits zahlreiche Soldaten aus den Mitgliedsstaaten der Nato im Einsatz. «Das wissen wir bereits», sagte er. Man habe bereits Französisch und Englisch vernommen. «Das ist nichts Gutes, vor allem für sie, denn sie sterben dort in großer Zahl», sagte Putin – ohne diese Behauptung zu belegen.

Nach der Abstimmung fürchten viele Russen eine erneute Mobilmachung von Hunderttausenden Reservisten für den Kampf gegen die Ukraine. Auch im Inland könnten die Maßnahmen im Land deutlich verschärft werden, um den sichtbaren Protest von Putins Gegnern an den drei Wahltagen zu unterdrücken.

Bemerkenswerte Protestwelle

Die Wahlbeteiligung bei den Wahlen, die von einer bemerkenswerten Protestwelle begleitet wurden, wurde mit über 74 Prozent angegeben – ebenfalls ein Rekord. Während der Abstimmung wurden jedoch zahlreiche Fälle dokumentiert, in denen Angestellte von Staatsbetrieben zur Stimmabgabe gedrängt und sogar aufgefordert wurden, ihre ausgefüllten Wahlzettel abzufotografieren. Kritiker beklagten auch, dass insbesondere das Online-Verfahren leicht manipulierbar sei. Es wurde auch dokumentiert, wie massenhaft vorab ausgefüllte Stimmzettel in Wahlurnen gestopft wurden.

Von den 114 Millionen Menschen, die in Moskau zur Wahl aufgerufen wurden, leben mehr als 4,5 Millionen in den vier ukrainischen Gebieten Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja, die Russland im Zuge des völkerrechtswidrigen Kriegs annektiert hat. Wahlen in diesen Gebieten sind illegal und werden international nicht anerkannt.

Beobachter haben die Abstimmung, die von Protesten begleitet war, auch deshalb als undemokratisch bezeichnet, weil keine echten Oppositionskandidaten zugelassen waren. Putins drei Mitbewerber waren nicht nur alle auf Kremllinie, sondern wurden auch von Anfang an als völlig chancenlos angesehen.

Es gibt auch in Russland keine Versammlungsfreiheit, und die Medien, die vom Kreml kontrolliert werden, sind gleichgeschaltet. Unabhängige Medien werden politisch verfolgt. Personen, die Putins Krieg gegen die Ukraine oder den Machtapparat kritisieren, riskieren Strafen bis hin zu Lagerhaft.

Aus all diesen Gründen hatten am letzten Wahltag in ganz Russland Tausende Menschen den staatlichen Einschüchterungsversuchen getrotzt und an einer stillen Widerstandsaktion teilgenommen: Um exakt 12.00 Uhr Ortszeit versammelten sie sich in vielen Städten unter dem Motto «Mittag gegen Putin» vor ihren jeweiligen Wahlbüros. So wollten sie ihren Unmut zum Ausdruck bringen und zeigen, dass sie gegen den Krieg sind. Obwohl die Aktion friedlich und ruhig verlief, wurden Bürgerrechtlern zufolge bis zum Abend mindestens 85 Menschen festgenommen.

Auch im Ausland fanden viele Protestaktionen vor russischen Botschaften und Konsulaten statt. In Berlin tauchte unerwartet die Witwe des kürzlich im Straflager verstorbenen Kremlkritikers Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja, auf. Sie betrat auch die Botschaft und gab anschließend bekannt, den Namen ihres verstorbenen Mannes auf den Wahlzettel geschrieben zu haben.

Selenskyj spricht Putin jede Legitimität ab

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach Putin «jede Legitimität» ab. «Diese Wahlfälschung hat keine Legitimität und kann keine haben», sagte Selenskyj in seiner in Kiew verbreiteten abendlichen Videoansprache. «Diese Figur (Putin) muss auf der Anklagebank in Den Haag landen – dafür müssen wir sorgen, jeder auf der Welt, der das Leben und den Anstand schätzt.» Wegen des Vorwurfs der Kriegsverbrechen in der Ukraine gibt es einen Haftbefehl des Weltstrafgerichts in Den Haag gegen Putin.

Deutsche Außenpolitiker erhoben ebenfalls schwere Vorwürfe gegen Putin. »Es handelt sich um die unfreiesten Fake-Wahlen seit Ende der Sowjetunion», sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), dem «Tagesspiegel» (Montag). «Putins Regime hat faschistische und totalitäre Züge.» Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sprach von einer «Farce,» die der Scheinlegitimierung des Kriegs Putins gegen die Ukraine diene.

dpa