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Kremlgegner Nawalny zwei Jahre in Haft

Alexej Nawalny kehrte vor zwei Jahren nach einer Behandlung in Deutschland wegen eines Giftanschlages trotz Lebensgefahr nach Moskau zurück. Seitdem sitzt er in Haft und bleibt Oppositionsanführer.

Pranger Krieg und Folter an: Alexej Nawalny.
Foto: Alexander Zemlianichenko/AP/dpa

Vor dem zweiten Jahrestag seiner weltweit beachteten Festnahme in Moskau sind die Sorgen um den im Straflager inhaftierten Kremlgegner Alexej Nawalny groß.

Der 46-Jährige, der am 17. Januar 2021 nach einer Behandlung in Deutschland wegen eines Mordanschlags nach Russland zurückkehrte, beklagt Folter in dem «faschistischen» Gefängnissystem unter Präsident Wladimir Putin. Zu Hunderten unterschrieben nun Ärzte einen offenen Protestbrief an Putin, er möge die «Misshandlung» seines in Isolationshaft erkrankten Gegners beenden.

Trotz seiner angeschlagenen Gesundheit zeigt sich Russlands bekanntester politischer Gefangener und Anführer der vor allem vom Ausland aus arbeitenden russischen Oppositionen ungebrochen. Tagelang bangten Familienangehörige und Unterstützer um das Leben des zu insgesamt neun Jahren Haft verurteilten Nawalnys. In seiner Einzelhaft war er trotz Husten, Schüttelfrost und Fieber nach Angaben seines Anwalts Wadim Kobsew zunächst nicht behandelt worden.

Nun aber bekommt Nawalny laut Kobsew ein Antibiotikum und hatte Besuch vom Chefarzt einer Klinik, in der er schon nach einem lebensbedrohlichen Hungerstreik behandelt worden war. Der Anwalt trifft Nawalny immer wieder in der Strafkolonie 6 in Melechowo nahe der Stadt Kowrow etwa 260 Kilometer nordöstlich von Moskau.

«Große Besorgnis um sein Leben und seine Gesundheit»

Tatsächlich half nun ein von mehr als 600 Ärzten unterschriebener Brief an Putin. «Die Haftbedingungen und das äußere Erscheinungsbild von Alexej Nawalny rufen bei uns große Besorgnis um sein Leben und seine Gesundheit hervor», hieß es in dem Schreiben, das etwa der Moskauer Chirurg Alexander Wanjukow unterzeichnete und bei Facebook veröffentlichte. Er und die anderen Mediziner forderten Putin als Garant der russischen Verfassung auf, Nawalnys Recht auf ärztliche Behandlung sicherzustellen und die Einzelhaft zu beenden. Wenig später leitete der Kreml selbst den Fall an den Strafvollzug weiter.

Auch Nawalnys Ehefrau Julia hatte dem Strafvollzug geschrieben und gefragt, ob dort überhaupt noch Menschen arbeiteten. Sie und ihre beiden Kinder sind in ständiger Angst um Nawalnys Leben, seit er im August 2020 nur knapp einen Giftanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok überlebte. Nawalny hatte Putin selbst als «Mörder» bezeichnet, der ein Killerkommando des Inlandsgeheimdienstes FSB mit dem Attentat beauftragt habe. Der Kreml weist das zurück.

Zwei Jahre ist es an diesem Dienstag (17. Januar) her, dass Nawalny trotz absehbarer Inhaftierung von einer Behandlung in der Berliner Charité und im Schwarzwald nach Russland zurückkehrte. Er hatte damals erklärt, dass er sich im Land dem Kampf gegen Putin stellen wolle – nicht aus der Ferne als Kritiker im Ausland. Immer wieder nutzt er nun trotz drohender neuer Strafen seine Auftritte bei laufenden Gerichtsverfahren, um öffentlich Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine als Verbrechen anzuprangern.

Bereits zehn Mal Nawalny in eine Strafzelle gesperrt

Die meist per Video aus dem Straflager übertragenen Auftritte zeigten einen abgemagerten Häftling. Schon zehn Mal sei Nawalny in eine Strafzelle gesperrt worden, 105 Tage insgesamt, sagt seine Sprecherin Kira Jarmysch. Sie beklagt eine totale Entmenschlichung des Systems. Der Politiker muss diese besonders harten Strafen immer wieder hinnehmen, weil er sich mit Wächtern anlegt und etwa Rechte einklagt.

In einem bei Instagram veröffentlichten Beitrag zum 2. Jahrestag seiner Inhaftierung schrieb Nawalny, dass ihm in Einzelhaft ein psychisch kranker Mann in eine Zelle gegenüber gesetzt wurde. «Er schreit 14 Stunden am Tag und drei in der Nacht», teilte Nawalny mit. «Bekanntlich ist Schlafentzug eine der wirksamsten Folter.» Er habe viel erlebt und gelesen, aber das sei etwas Neues.

«Alles, was Ihr lest über den Horror und die faschistischen Verbrechen unseres Gefängnissystems, das ist alles die Wahrheit. Mit einer Richtigstellung: die Wirklichkeit ist noch schlimmer», schrieb Nawalny. Es gebe etwa die bekannten Vergewaltigungen mit dem Schrubber – Dinge, die normalen Menschen nie in den Sinn kämen. «Das Gefängnissystem wird nicht nur von einer wahren Ansammlung an Schurken geführt, sondern von echten kranken Perversen.»

Nawalny wird als Galionsfigur verehrt

Nawalnys Team wirft dem Kreml vor, weiter alles dafür zu tun, um Putins wichtigsten Gegner auszuschalten. Zwar ist die Hoffnung der Opposition groß, dass Putin in seinem Krieg gegen die Ukraine eine Niederlage erleidet und abtreten muss. Nawalny, der sich als Kämpfer gegen Korruption einen Namen gemacht, zeigte sich als Anführer der nicht zugelassenen Partei der Zukunft Russlands auch zur Übernahme der Macht bereit. Aber weder eine politische Führungsrolle in Russland oder auch nur seine Freilassung sind bisher in Sicht.

Russlands liberale Opposition, die Nawalny als Galionsfigur verehrt, versucht derweil vor allem aus dem Ausland, den Widerstand im Untergrund in Russland zu organisieren. Nawalnys Team enthüllt weiter viel beachtete Korruptionsskandale in der russischen Politik und führt vor, wie etwa Kinder ranghoher Staatsbeamter auch in Kriegszeiten rauschende Feste im Ausland feiern. Millionen folgen in den sozialen Netzwerken Nawalnys Team, das auch aktuelle politische Nachrichtensendungen, Kommentare und Talkrunden bei Youtube bringt.

Nawalnys politischer Direktor Leonid Wolkow führt von seinem Exil in Litauen aus nicht zuletzt die Anti-Korruption-Stiftung. Er glaubt, dass Putins Zeit abläuft und Russland eine Zukunft in Europa erwartet. Vor allem aber konzentriert er sich gegenwärtig darauf, dass möglichst viele Kriegsbefürworter auf die Sanktionslisten des Westens kommen. Korruption habe Putins Elite stark gemacht für diesen Krieg, meinte einmal auch Stiftungsgründer Nawalny. «Wir kämpfen seit 2011 gegen Putin. Wir werden ihn bekämpfen, bis wir gewinnen.»

dpa