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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Die Vereinbarung zur Getreide-Ausfuhr gab Anlass zur Hoffnung. Doch Kiew sieht sie nach einem Angriff schon wieder in Gefahr. Die USA schicken weitere schlagkräftige Waffen. Die aktuellen Entwicklungen:

Beim Thema Getreide nähern sich Moskau und Kiew langsam an. Der Krieg dauert trotzdem weiterhin an.
Foto: Nariman El-Mofty/AP/dpa

Einen Tag nach der Vereinbarung über die Ausfuhr von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer hat Russland nach Angaben aus Kiew den wichtigen Hafen der Stadt Odessa mit Raketen beschossen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Russland daraufhin Vertragsbruch vor. «Was Russland auch verspricht, es findet immer einen Weg, es nicht zu erfüllen», sagte er am Samstag. Der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, forderte als Reaktion «effektive Sanktionen gegen Rusland und mehr Waffen für die Ukraine».

Russland hat nach Angaben des türkischen Verteidigungsminister Hulusi Akar erklärt, es habe nichts mit diesem Angriff zu tun und wolle den Vorfall untersuchen. Eine offizielle russische Reaktion lag bis Samstagabend nicht vor. Für die Ukraine war es der 150. Tag des russischen Angriffskriegs.

Russland hatte am Freitag in einem Abkommen zugesichert, Schiffe für den Export über einen Seekorridor fahren zu lassen und nicht zu beschießen. Auch die drei beteiligten Häfen dürfen demnach nicht angegriffen werden. Es geht dabei unter anderem um die Ausfuhr von Millionen Tonnen Getreide. Die unter der Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei unterzeichnete Einigung sieht vor, die Exporte von einem Kontrollzentrum in Istanbul überwachen zu lassen.

UN-Generalsekretär António Guterres, der am Freitag der Unterzeichnung beigewohnt hatte, betonte, alle Parteien hätten sich klar verpflichtet, den sicheren Export ukrainischen Getreides zu gewährleisten. «Die vollständige Umsetzung durch die Russische Föderation, die Ukraine und die Türkei ist zwingend erforderlich», erklärte er. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb bei Twitter, der Beschuss des Hafens zeige «erneut Russlands völlige Missachtung des Völkerrechts und der Verpflichtungen».

Ukraine: Russland schuld an globaler Lebensmittelkrise

Bei dem Beschuss von Odessa wurden nach ukrainischen Angaben zwei russische Raketen von der Luftabwehr abgefangen, zwei weitere sollen im Hafen eingeschlagen sein. Das Außenministerium in Kiew erklärte, der Beschuss wecke Zweifel an dem Abkommen. Die Ukraine rufe die UN und die Türkei auf, Russland zu seiner Einhaltung zu drängen. Sollte es nicht umgesetzt werden, trage Russland die Verantwortung für die globale Lebensmittelkrise.

Bei einem weiteren russischen Raketenangriff wurden ukrainischen Behörden zufolge im zentralen Gebiet Kirowohrad mindestens drei Menschen getötet und neun weitere verletzt. Das russische Militär habe am Samstag von Kriegsschiffen und aus der Luft insgesamt 13 Raketen unter anderem auf den Militärflughafen Kanatowo und ein Objekt der Eisenbahngesellschaft abgefeuert, teilte der Leiter der Militäradministration, Andrij Rajkowitsch, mit. Auch aus anderen Landesteilen, vor allem dem Osten und dem Süden, meldete die Ukraine Explosionen. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

London: Gegenangriffe gefährden Moskaus Nachschubrouten

Die ukrainischen Gegenangriffe im von Russland besetzten südlichen Gebiet Cherson gefährden nach Einschätzung britischer Geheimdienste die Nachschubrouten für das russische Militär westlich des Flusses Dnipro. In den vergangenen zwei Tagen hätten dort heftige Gefechte stattgefunden, hieß es am Samstag in einem Update des britischen Verteidigungsministeriums. Die einzige Straßenbrücke über den Dnipro in Cherson war einige Tage zuvor von ukrainischen Raketenangriffe mit US-amerikanischen Himars-Raketenwerfern stark beschädigt worden. Die Zerstörung der Flussquerungen wurde von Kiew als Option genannt, um einen Rückzug der Russen auf das linke Dnipro-Ufer zu verhindern.

Selenskyj-Berater: 1000 Russen in Cherson eingekesselt

Im Gebiet Cherson sind Angaben aus Kiew zufolge mehr als 1000 russische Soldaten von ukrainischen Streitkräften eingekesselt worden. Unweit der Siedlung Wyssokopillja seien die Russen in eine «taktische Umzingelung» geraten, sagte Präsidentenberater Olexij Arestowytsch. Das ukrainische Militär führt mehrere Gegenoffensiven in dem Gebiet, das russische Soldaten nach Beginn des Kriegs Ende Februar weitgehend unter ihre Kontrolle gebracht hatten.

Die US-Zeitung «Wall Street Journal» schrieb unterdessen unter Berufung auf Äußerungen Selenskyjs, die ukrainische Armee verzeichne mittlerweile deutlich geringere Verluste als noch vor einigen Wochen. Selenskyj habe dem Blatt gesagt, dass derzeit pro Tag rund 30 ukrainische Soldaten getötet würden – im Mai und im Juni seien es zwischenzeitlich 100 bis 200 täglich gewesen.

USA prüfen mögliche Kampfjet-Lieferung an Ukraine

Die US-Regierung prüft eine Lieferung amerikanischer Kampfjets an die Ukraine. Ein Vertreter des Weißen Hauses schränkte ein, «dass es sich um Sondierungsüberlegungen handelt, die nicht in naher Zukunft umgesetzt werden können». Der Betrieb moderner Kampfflugzeuge sei «ein schwieriges Unterfangen». Berücksichtigt werden müssten auch Faktoren wie die Ausbildung der Besatzungen, die Instandhaltung sowie die Lieferung von Ersatzteilen. Kirby kündigte zudem weitere US-Waffenlieferungen an die Ukraine im Wert von rund 270 Millionen Dollar an, darunter auch vier Himars-Mehrfachraketenwerfer.

Die USA sind der wichtigste Waffenlieferant für die Ukraine. Seit Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden vor eineinhalb Jahren habe die US-Regierung der Ukraine Waffen, Munition und Ausrüstung im Wert von 8,2 Milliarden Dollar zugesagt, sagte Kirby. Die EU hatte ihre Hilfen am Freitag auf 2,5 Milliarden Euro erhöht.

Kritik an deutscher Haltung bei Ringtausch von Panzern

Der polnische Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak kritisierte die bisherigen deutschen Angebote für einen Panzer-Ringtausch als unzureichend. Der Politiker ließ in einem Interview offen, wie die Verhandlungen weitergehen werden. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte am Freitagabend eingeräumt, dass der Ringtausch für Waffenlieferungen nicht wie geplant funktioniere, die scharfe Kritik Warschaus aber zurückgewiesen.

dpa