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USA plant Waffenlieferungen an Ukraine

Das Repräsentantenhaus stimmt über Hilfspaket ab. Ukraine erhält 61 Milliarden US-Dollar und Raketensysteme.

Bei einer russischen Raketenattacke auf die nordukrainische Stadt Tschernihiw kamen 17 Menschen ums Leben.
Foto: Francisco Seco/AP/dpa

Angesichts der bedrohlichen Situation für die Ukraine gibt es Bewegung in den seit Monaten festgefahrenen Plänen des Westens für neue Waffenlieferungen. In den USA wird das Repräsentantenhaus voraussichtlich am Samstag über ein dringend benötigtes Hilfspaket abstimmen, wie der Vorsitzende der Parlamentskammer, Mike Johnson, angekündigt hat.

Der Kontrollausschuss des Repräsentantenhauses veröffentlichte die Gesetzestexte, über die nun abgestimmt werden soll. Für die Ukraine sind darin rund 61 Milliarden US-Dollar an Unterstützung vorgesehen. Zudem hieß es, US-Präsident Joe Biden solle der Ukraine «so bald wie machbar» weittragende Raketensysteme vom Typ ATACMS zur Verfügung stellen. Kiew hofft seit langem darauf.

17 Tote bei Luftangriff auf Tschernihiw

Wolodymyr Selenskyj, der ukrainische Präsident, hat die Staaten der Europäischen Union um verstärkte Bereitstellung von Flugabwehrsystemen gegen russische Luftangriffe gebeten. Nach einem russischen Raketenangriff auf die Stadt Tschernihiw in der nördlichen Ukraine starben 17 Menschen, während rund 60 weitere verletzt wurden.

Selenskyj verwies vor den EU-Staats- und Regierungschefs auf die erfolgreiche Abwehr des iranischen Raketen- und Drohnenangriffs auf Israel. «Unser ukrainischer Himmel und der Himmel über unseren Nachbarn verdient die gleiche Sicherheit», sagte er in einer Videoschalte zum Gipfel in Brüssel. 

Die Nacht begann für die Ukraine mit Luftalarm im Osten des Landes. Die ukrainische Luftwaffe berichtete von anfliegenden russischen Kampfdrohnen. Die Großstadt Charkiw nahe der Grenze zu Russland werde beschossen. «Alle in die Schutzräume!», schrieb das Militär auf Telegram. Auf russischer Seite herrschte Raketenalarm im grenznahen Gebiet Belgorod. Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, 14 ukrainische Artillerieraketen seien abgewehrt worden. 

Lange erwartetes Hilfspaket aus Washington

Seit mehr als zwei Jahren verteidigt sich die Ukraine gegen einen russischen Angriffskrieg; heute ist der 785. Tag der Invasion. Nach dem weitgehenden Scheitern ihrer Sommeroffensive 2023 befindet sich die ukrainische Armee in den letzten Monaten in der Defensive. Es mangelt an Artilleriemunition, eigenen Flugzeugen und Mitteln zur Abwehr russischer Kampfjets, die Bomben abwerfen. An der Front bewegen sich überlegene russische Truppen in kleinen Schritten vorwärts. In der ukrainischen Heimat haben schwere Raketen- und Drohnenangriffe wichtige Teile der Stromproduktion zerstört.

Seit Jahresbeginn fielen die USA als wichtigster militärischer Unterstützer weitgehend aus. Im Februar stimmte der Senat einem milliardenschweren Hilfspaket zu, das von Biden beantragt wurde. Allerdings fehlte die Zustimmung der zweiten Kammer, des Repräsentantenhauses, in dem die Republikaner eine knappe Mehrheit haben. Aufgrund parteiinterner Machtkämpfe in der Fraktion kam es bisher nicht zu einer Abstimmung.

Johnson hat nun beschlossen, die Hilfen zur Abstimmung zu bringen – jedoch getrennt über die Unterstützung für die Ukraine, Israel und den Indopazifik abstimmen zu lassen. Ein Teil der Hilfe für die Ukraine ist in Form von Darlehen geplant. Dies soll den Republikanern entgegenkommen, die die Hilfe kritisch sehen oder ablehnen.

Es wird vermutet, dass Johnson sein Vorhaben von Ex-Präsident Donald Trump genehmigen ließ. Am Freitag trafen sich die beiden in Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida. Trump hat wiederholt Stimmung gegen die Ukraine-Hilfen gemacht, sich jedoch zuletzt offen für Hilfe in Form eines Darlehens gezeigt. Die Abstimmung ist für Johnson heikel, da Republikaner von Rechtsaußen ihm mit einem Misstrauensvotum drohen.

Selenskyj sorgt sich um Sicherheit der Atomkraftwerke

Der ukrainische Präsident erklärte seine Bitte um verstärkte Luftabwehr auch mit den Schäden am ukrainischen Energiesystem. Seit Mitte März habe sein Land durch Luftangriffe fast alle Wärmekraftwerke verloren, so sagte er. Russland visiere Wasserkraftwerke und die Gasversorgung an.

Mit dem besetzten Atomkraftwerk Saporischschja betreibe Moskau nukleare Erpressung. Selenskyj schloss nicht aus, dass die Infrastruktur anderer ukrainischer Kernkraftwerke auch zum Ziel werden könnte. «Das kann nur mit Flugabwehr gestoppt werden, durch bestimmte Systeme wie Patriot, Iris-T, Samp-T, Nasams», sagte er. 

Die EU hat zugesagt, angesichts der massiven russischen Raketen- und Drohnenangriffe zusätzliche militärische Unterstützung zu mobilisieren. Laut einer Erklärung des EU-Gipfels sei es dringend erforderlich, der Ukraine Luftverteidigungssysteme bereitzustellen und die Lieferung aller benötigten militärischen Unterstützung, einschließlich Artilleriemunition und Raketen, zu beschleunigen.

EU-Ratspräsident Charles Michel machte deutlich, bald Entscheidungen für mehr Luftverteidigungssysteme für die Ukraine zu erwarten. «Das ist keine Frage von Monaten. Es ist eine Frage von Tagen und Wochen», sagte der Belgier beim EU-Gipfel in Brüssel. Er könne versichern, dass alle Beteiligten alles täten, was möglich sei, um den Prozess zu beschleunigen. 

Nato-Ukraine-Rat tagt

Aufgrund eines Ersuchens der Ukraine hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg für Freitag eine Sitzung des Nato-Ukraine-Rats einberufen. Stoltenberg erklärte in Brüssel, dass es bei dem Treffen um den dringenden Bedarf der Ukraine an zusätzlichen Luftverteidigungssystemen und Artilleriegeschossen gehen werde. An der Sitzung sollen Selenskyj und die Verteidigungsminister der Mitgliedsstaaten teilnehmen. Es war zunächst unklar, ob die Sitzung per Videokonferenz oder als physisches Treffen stattfinden wird.

In Berlin forderten Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Verbündeten zur raschen Unterstützung der Ukraine mit Flugabwehr auf. Die Beiträge zur Abwehr der russischen Aggression «müssen schnell kommen», heißt es in gemeinsamen Briefen an ihre Kollegen. Sie appellierten an die Verbündeten, eine Bestandsaufnahme aller Flugabwehrsysteme in ihren Arsenalen vorzunehmen und zu überlegen, was direkt oder im Tausch mit Partnern an die Ukraine abgegeben werden könnte.

Das wird heute wichtig

Die Außenminister der Gruppe der sieben wirtschaftsstarken Demokratien (G7) kommen auf der italienischen Insel Capri zusammen. Auch die verstärkte Unterstützung für die Ukraine ist ein Thema. Die Minister beraten außerdem über weitere Sanktionen gegen den Iran angesichts einer drohenden Eskalation im Nahen Osten.

dpa