Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Nach wochenlangem Flehen soll die Ukraine mehr Flugabwehr erhalten. Präsident Selenskyj zeigt sich zufrieden, bleibt aber zurückhaltend. Die News im Überblick.

Russische und ukrainische Truppen lieferten sich schwere Gefechte in der Umgebung der Stadt Awdijiwka.
Foto: Efrem Lukatsky/AP/dpa

Die Nato hat der Ukraine weitere dringend benötigte Luftabwehr-Systeme zugesagt, aber zunächst keine konkreten Lieferfristen genannt. Entsprechend ließ der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach dieser Entscheidung des Verteidigungsbündnisses nur verhalten Zufriedenheit erkennen. «Wir in der Ukraine schätzen die Bemühungen jedes Führers, jedes Staates, der wirklich aktiv ist, seine Versprechen einhält und versucht, die Fähigkeiten unserer Luftverteidigung zu verbessern», sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache, die diesmal außergewöhnlich kurz gefasst war.

Verteidigungsminister der Nato-Staaten hatten der Ukraine zuvor bei einer Krisensitzung mit Selenskyj die Lieferung zusätzlicher Luftverteidigungssysteme zugesagt. Das erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Anschluss an die per Videokonferenz abgehaltenen Beratungen in Brüssel. «Die Nato-Verteidigungsminister haben sich darauf geeinigt, ihre militärische Unterstützung zu verstärken und weiter auszubauen, auch im Bereich der Luftverteidigung», sagte er.

Nach der Sitzung des sogenannten Nato-Ukraine-Rates wollte der Norweger zunächst nicht verraten, welche Staaten ihre Zusagen gemacht haben. Es wird erwartet, dass konkrete Ankündigungen in den kommenden Tagen von einzelnen Mitgliedstaaten gemacht werden. Länder, die selbst keine verfügbaren Luftverteidigungssysteme besitzen, haben laut Stoltenberg finanzielle Unterstützung für den Kauf von Systemen für die Ukraine zugesagt. Die Bundesregierung hatte der Ukraine erst am vergangenen Wochenende die Lieferung eines dritten Patriot-Flugabwehrsystems aus deutschen Beständen zugesichert.

«Die Ukraine braucht Flugabwehr, und unsere Partner können dabei helfen», sagte Selenskyj. «Wir brauchen Artillerie, und die hat die Welt.» Nur eine ausreichende Anzahl von Flugabwehrsystemen und Kampfflugzeugen könne die Ukraine vor den russischen Luftangriffen schützen. Selenskyjs Credo: «Lösungen sind nötig, Lösungen sind möglich.»

Selenskyj: Mindestens sieben Patriot-Systeme notwendig

Konkrete Zahlen hatte Selenskyj bei seiner Videoschalte mit den Teilnehmern des Nato-Ukraine-Rates genannt. Sein Land benötige aktuell mindestens sieben weitere Patriot-Systeme oder ähnliche Flugabwehr-Unterstützung. «Und das ist die Mindestanzahl», sagte er. «Unsere Positionen auf dem Schlachtfeld brauchen wirklichen Schutz vor Luftschlägen.» Das gelte auch für die Städte im ukrainischen Hinterland. Er erinnerte an die russischen Raketenangriffe auf die Großstadt Dnipro am Freitagmorgen und auf Anlagen im Odessa-Hafen Piwdennyj.

Seit Beginn des Jahres hat Russland mehr als 1200 Raketen auf Ziele in der Ukraine abgefeuert, so Selenskyj. Außerdem seien über 1500 Kampfdrohnen iranischer Bauart eingesetzt worden. Trotz aller Herausforderungen gelang es der ukrainischen Luftabwehr, die meisten davon abzuschießen. Gleichzeitig habe die russische Luftwaffe über 8500 Gleitbomben eingesetzt, sagte Selenskyj – und dagegen gebe es bisher kein Gegenmittel.

Daneben benötige die Ukraine noch mindestens eine Million Artilleriegranaten. «Sie müssen endlich an die Front geliefert werden», forderte der ukrainische Staatschef. Er und seine führenden Militärs klagen seit Wochen über Munitionsmangel. Aus diesem Grund mussten ukrainische Truppen wiederholt Stellungen aufgeben und vor den russischen Einheiten zurückweichen. Die tschechische Regierung hat vor Wochen eine Initiative gestartet, um in verschiedenen Ländern Artilleriegeschosse für die Ukraine aufzutreiben.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) forderte die internationale Gemeinschaft auf, der Ukraine angesichts des Vormarsches der russischen Besatzungstruppen umgehend mehr Waffen und Munition zu liefern. «Jetzt gibt es eine Lücke, diese Lücke ist aber endlich», sagte der Vizekanzler im ZDF-«heute-journal» nach einem Ukraine-Besuch in Moldau. «Im Moment ist es eine wirklich angespannte Situation. Das heißt, alle Länder, die helfen können, müssen jetzt helfen, nicht in fünf Monaten oder in zehn Monaten.» Er hoffe, die USA würden sich bereit erklären, von ihren 60 Patriot-Flugabwehr-Systemen einen Teil der Ukraine zur Verfügung zu stellen.

Präsident erneut an der Front

Selenskyj hat am Freitag die Frontlinien und Verteidigungsstellungen im Osten der Ukraine inspiziert. Währenddessen besuchte er im Gebiet Donezk einen Kommandopunkt in der Nähe der umkämpften Stadt Tschassiw Jar. Er hat sich über die aktuelle Lage informiert, wie er auf Telegram mitteilte. Tschassiw Jar wird als das nächste Ziel der russischen Armee angesehen. Die Front verläuft nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Tschassiw Jar befindet sich in der Nähe von Bachmut, das vor knapp einem Jahr von den Russen nach heftigen Kämpfen eingenommen wurde.

Zum Abschluss seiner Frontbesuche kam Selenskyj nach Dnipro. Dort informierte er sich auch über die Sicherheitslage und Schutzmaßnahmen für die kritische Infrastruktur der Großstadt. «Es ist sehr wichtig, dass alle, die jetzt Hilfe brauchen, diese auch erhalten», schrieb er auf Telegram. «Und wir arbeiten mit unseren Partnern daran, zusätzliche Luftabwehr-Systeme für die Ukraine bereitzustellen.» Zuletzt war Dnipro mehrfach Ziel russischer Luft- und Raketenangriffe.

Schwere Kämpfe bei Awdijiwka

Russische und ukrainische Truppen kämpften am Freitag heftig in der Nähe der Stadt Awdijiwka, die vor Wochen von russischen Streitkräften eingenommen wurde. Während russische Soldaten von erfolgreichen Angriffen auf die ukrainischen Frontlinien berichteten, sprach die ukrainische Militärführung von erfolgreicher Verteidigung mit hohen Verlusten auf russischer Seite. Diese Behauptungen konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Das wird am Samstag wichtig

Der US-Kongress wird möglicherweise am Samstag nach langen Blockaden aufgrund interner Machtkämpfe der Republikaner über ein militärisches Hilfspaket für die Ukraine in Milliardenhöhe entscheiden. Kiew benötigt dringend die Hilfe in Höhe von 61 Milliarden Dollar (57 Milliarden Euro).

dpa