Zehn Jahre nach dem Abkommen von Paris ist die Klimakrise alles andere als bewältigt. Stattdessen ist das Problem noch größer geworden. Nun gibt es ein Krisentreffen an einem ganz besonderen Ort.
Krisentreffen am Amazonas – Was bringt die Klimakonferenz?

Vor zehn Jahren brach Jubel aus in Paris: Nach zähem Ringen hatte sich die Weltgemeinschaft darauf verständigt, die Klimakrise in den Griff bekommen zu wollen. Das Pariser Klimaabkommen war geboren. Inzwischen hat sich die Krise aber deutlich weiter zugespitzt – und man trifft sich in Brasilien am Rande des für das Weltklima so wichtigen Tropenwalds am Amazonas.
In den vergangenen Tagen trafen sich bereits Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und viele seiner Kollegen aus aller Welt in Belém. Doch erst jetzt, wo die Staats- und Regierungschefs wieder abgereist sind, geht es richtig los mit den harten Verhandlungen. Es steht viel auf dem Spiel.
Wie steht es denn mittlerweile ums Klima?
Gemäß der aktuellen UN-Prognose wird die Welt mit ihrer derzeitigen Klimapolitik bis zum Ende des Jahrhunderts auf eine Erwärmung von 2,8 Grad zusteuern und das international vereinbarte 1,5-Grad-Ziel bereits innerhalb des nächsten Jahrzehnts verfehlen. Dies würde bedeuten: mehr Stürme, mehr Überschwemmungen, mehr Dürren und so weiter – ohne die drohenden Kipppunkte mit ihren unumkehrbaren Folgen zu vernachlässigen.
UN-Generalsekretär António Guterres betonte vor den Staatenlenkern aus aller Welt: «Die bittere Wahrheit ist, dass wir es nicht geschafft haben unter 1,5 Grad zu bleiben.»
Bis jetzt haben die Menschen trotz aller Konferenzen und Pläne nicht geschafft, die Situation zu ändern: Die globalen Emissionen steigen weiterhin an. Im letzten Jahr stiegen sie laut Weltwetterorganisation (WMO) sogar so drastisch wie seit Beginn der modernen Messungen 1957 nicht.
Und nun soll am Amazonas die Kehrtwende gelingen?
Brasilien will die Symbolkraft des Amazonas nutzen, um der Welt die Dringlichkeit vor Augen zu führen. Nehme die Entwaldung durch Abholzung noch um einige Prozent zu, verwandle sich der Regenwald in eine Savanne, warnt der deutsche Greenpeace-Chef Martin Kaiser. «Dann kippt das globale Klima. Ohne den Schutz des Amazonas gibt’s keinen Klimaschutz. Das ist eine so simple wie unbequeme wissenschaftliche Wahrheit.» Große Waldgebiete wie der Amazonas sind natürliche Speicher für Treibhausgase – was in Bäumen und Pflanzen steckt, belastet nicht das Klima.
Der Klimagipfel kehrt nach drei Jahren in autoritär regierten Staaten – Ägypten, Vereinigte Arabische Emirate und Aserbaidschan – erstmals wieder in einem demokratischen Land, Brasilien, statt, das mehr Raum für Proteste von Aktivistinnen und Aktivisten bietet.
Die Aussichten sind jedoch nicht besonders positiv. Kriege und andere Krisen führen dazu, dass das Klima auf der Prioritätenliste vieler Regierungen nach unten rutscht, und fast überall sind die Finanzen knapp. Die Öl- und Gaslobby versucht, die Energiewende zu verlangsamen – und hat mit US-Präsident Donald Trump einen einflussreichen Unterstützer gefunden.
Lässt sich Trump in Brasilien blicken?
In Belém wird der US-Präsident nicht erwartet – bereits am ersten Tag seines Amtsantritts im Januar hat er die erneute Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens unterzeichnet. Dieser Austritt wird jedoch erst ein Jahr später wirksam.
«Die Amerikaner könnten also theoretisch zur Konferenz reisen und dort die Verhandlungen nach Kräften sabotieren», erklärt Experte Jan Kowalzig von der Entwicklungsorganisation Oxfam. «Allerdings ist gut möglich, dass sie gar keine Unterhändler schicken werden – mit Blick auf die Haltung der Trump-Administration zum Klimawandel wohl das bessere der möglichen Szenarien.»
Trotz des Elefanten im Raum wird Trump immer noch präsent sein: Der Rückzug der USA führt zu einem Geldmangel – sowohl für die UN-Konferenzen als auch für die dringend benötigte Unterstützung der ärmeren Länder bei Klimaschutz und Anpassung an die steigenden Temperaturen und ihre Auswirkungen.
Worum geht es bei der Konferenz konkret?
Viele Staaten haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht: Nur rund ein Drittel hat entgegen aller Verpflichtungen überhaupt bis zur Konferenz neue Klimaschutzpläne bis zum Jahr 2035 eingereicht – und die vorliegenden reichen zur Eindämmung der Krise nicht aus. «In den kommenden Jahren bis 2035 muss deutlich mehr geschehen, als das übliche „business as usual“», betont Kaiser. «Mit Blick auf die unzureichenden Klimaschutzpläne der Staaten steht im Mittelpunkt der Konferenz, wie die für unser Überleben notwendige Begrenzung der globalen Erwärmung noch geschafft werden kann.»
Auf der offiziellen Agenda steht vor allem die Anpassung an die Klimafolgen. Hier brauche es Indikatoren, die Fortschritte messbar machen, erklärt Laura Schäfer, die bei der Organisation Germanwatch den Bereich Internationale Klimapolitik leitet. «Dazu brauchen die ärmsten und verletzlichsten Länder Klarheit und Verlässlichkeit, wie sie bei Maßnahmen für Klimaschutz und dem Umgang mit Klimawandelfolgen finanziell unterstützt werden.»
Brasilien setzt sich für einen neuen, milliardenschweren Fonds zum Schutz tropischer Regenwälder ein. Länder, die ihre Regenwälder bewahren, sollen belohnt werden. Auf der anderen Seite sollen für jeden zerstörten Hektar hohe Strafen verhängt werden, die in den Fonds fließen.
Welche Rolle spielen Deutschland und die EU?
Deutschland und die EU wurden lange Zeit auf den Klimakonferenzen als Verfechter von mehr Ehrgeiz angesehen – aber diese Zeiten haben sich geändert. Aufgrund erheblicher Widerstände hat sich die EU erst in letzter Minute auf das für die Konferenz fällige Klimaziel bis 2035 geeinigt. Die EU plant nun, bis 2031 bis zu fünf Prozentpunkte ihrer angestrebten Emissionsminderungen durch Klimazertifikate aus dem Ausland zu erreichen.
Niklas Höhne vom NewClimate Institute nannte dies einen Rückschritt, der es schwieriger macht, bis 2050 tatsächlich klimaneutral zu werden. Die EU akzeptiert nun Zertifikate, die sie zuvor aufgrund von Zweifeln an ihrer Seriosität für ihr Ziel im Jahr 2030 ausgeschlossen hatte.
Bei seinem Besuch in Belém kündigte Kanzler Merz an, dass Deutschland sich am Fonds beteiligen wolle – jedoch hatte er keine konkrete Summe dabei.
Was wäre ein Erfolg in Brasilien?
Im besten Fall würde ein Paket beschlossen, «um alle notwendigen Schritte zu gehen, damit die globale Erwärmung doch noch unter 1,5-Grad-Pfad stabilisiert werden kann», betont Kaiser – inklusive eines verbindlichen Plans zum Ausstieg aus fossilen Energien. Bei der vergangenen Klimakonferenz hatten Ölstaaten wie Saudi-Arabien versucht, eine Vereinbarung zum angestrebten Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas zu blockieren.
Laut Beobachtern wäre es außerdem wichtig, finanzielle Zusagen an ärmere Länder zu unterstützen. Im letzten Jahr in Aserbaidschan wurden einige dieser sensiblen Fragen vertagt.
Ist das Pariser Abkommen gescheitert?
Die Expertinnen und Experten sind sich einig: Ohne das Abkommen wäre die Welt auf einem noch schlechteren Kurs – nämlich vier bis fünf Grad Erderwärmung, wie sie zuvor prognostiziert wurden. «Das Pariser Klimaabkommen hat etwas ins Rollen gebracht und das ist überhaupt nicht mehr aufzuhalten», hält Klimaforscher Höhne etwa mit Blick auf den rasanten Ausbau erneuerbarer Energien fest. Die Welt habe sich verändert und das werde auch weitergehen.








