Koalitionsvertrag als Grundlage für Kurswechsel – Abschiebeflüge geplant, Einbürgerung erschwert, Abschiebungen gestiegen
Politiker von CDU und CSU optimistisch trotz Hürden in der Migrationspolitik

Politiker von CDU und CSU sind ungeachtet möglicher rechtlicher und praktischer Hürden optimistisch, dass der von ihnen angekündigte Kurswechsel in der Migrationspolitik gelingen wird. Der von Union und SPD ausgehandelte Koalitionsvertrag sei eine «verlässliche Grundlage», um die Zahl der Asylsuchenden kurzfristig weiter zu reduzieren, sagt Bayerns Innenminister, Joachim Herrmann (CSU).
Der Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei versprach, dass in Zukunft regelmäßige Abschiebeflüge nach Afghanistan und Syrien stattfinden werden. «Darauf können sich die Deutschen verlassen», sagte der CDU-Politiker der «Bild»-Zeitung. Migrantenverbände äußerten ihre Zufriedenheit darüber, dass einige vom Union geforderte Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht nun doch nicht umgesetzt werden.
Die wichtigsten geplanten Änderungen
Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD heißt es: «Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen.» Neue freiwillige Bundesaufnahmeprogramme wird es nicht geben. Mindestens zwei Jahre lang soll es keinen Familiennachzug zu Menschen mit eingeschränktem Schutzstatus geben.
Um Herkunftsländer von Ausreisepflichtigen um mehr Zusammenarbeit bei der Rücknahme ihrer Staatsbürger zu bewegen, soll notfalls Druck ausgeübt werden – etwa über die Entwicklungszusammenarbeit, die Wirtschafts- und Handelsbeziehungen und die Visa-Politik. Die von der Union als «Turbo-Einbürgerung» geschmähte Einbürgerung von besonders gut integrierten Ausländern bereits nach drei Jahren soll es demnächst nicht mehr geben.
Zurückweisung von Asylsuchenden
Das Vorhaben, künftig auch Asylsuchende, gegen die keine Einreisesperre vorliegt, an deutschen Grenzen zurückzuweisen, stößt auch in Nachbarländern auf Skepsis. Dass der Vorbehalt, dies «in Abstimmung» mit den Nachbarn zu machen, den Plan bremsen könnte, weist Herrmann zurück. Zum einen dürfe nun einmal jeder Staat an seinen Grenzen entscheiden, wer einreisen dürfe und wer nicht. Vor allem aber wollten ja auch die anderen EU-Länder eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen. Er glaubt: «Da wird es überhaupt kein Problem geben.»
Merz selbst hatte am Abend nach der Vorstellung des Koalitionsvertrages bei «RTL Direkt» gesagt: «Wir werden das in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn machen. Und diese Abstimmung läuft.» Ob das bedeute, dass künftig alle Asylsuchenden an den Grenzen abgelehnt werden, wollte er nicht sagen.
Im Jahr zuvor hatten 229.751 Menschen erstmals in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Dies entsprach ungefähr 100.000 Asylanträgen weniger als im Vorjahr.
Derzeit wird auf EU-Ebene über die mögliche Verschärfung eines Punktes in der bereits vereinbarten Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) diskutiert. Insbesondere die Grünen hatten das Streichen des sogenannten Verbindungselements aus dem Konzept des sicheren Drittstaats abgelehnt.
Bisher dürfen Asylsuchende laut GEAS-Reform nur in Drittstaaten geschickt werden, zu denen sie eine persönliche Verbindung haben – etwa weil sie früher einmal dort gelebt haben. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD steht jetzt, Deutschland werde auf europäischer Ebene nun eine Initiative zur Streichung des «Verbindungselements» ergreifen. Allerdings hat sich bislang noch kein Staat gefunden, der bereit wäre, im großen Stil Asylbewerber aus Europa aufzunehmen.
Mehr freiwillige Ausreisen und Abschiebungen
Die Ampel-Koalition hat erklärt, dass Ausreisepflichtige Deutschland verlassen sollen. Tatsächlich ist die Anzahl der Abschiebungen in den letzten zwei Jahren gestiegen. Im Jahr 2024 gab es laut Bundesinnenministerium 20.084 Rückführungen, im Jahr zuvor waren es 16.430 Abschiebungen. Das Niveau vor der Corona-Pandemie wurde jedoch auch im Jahr 2024 nicht erreicht.
Das liegt unter anderem daran, dass es in den vergangenen Jahren nur eine Sammelabschiebung nach Afghanistan und gar keine Abschiebungen nach Syrien gab. Die beiden Staaten zählen seit langer Zeit zu den Hauptherkunftsländern von Asylbewerbern in Deutschland. Vor allem daran, Straftäter und radikale Islamisten wieder dorthin bringen zu können, hat die Bundesregierung großes Interesse.
Möglicherweise könnten restriktivere Visa-Regeln oder Handelshemmnisse, wie sie im Koalitionsvertrag vorgesehen sind, einige Herkunftsländer dazu bringen, bei der Rücknahme ihrer Ausreisepflichtigen kooperativer zu sein. Ohne eine europäisch abgestimmte Maßnahme dürften solche Drohungen jedoch wenig Wirkung zeigen.
Praktische Hürden für Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien
Abschiebungen nach Afghanistan sind eine große Herausforderung. Ende August 2024 wurden 28 männliche Straftäter aus Deutschland mit Unterstützung von Katar nach Afghanistan gebracht. Trotz Anstrengungen der Ampel-Regierung hat es seitdem keine weiteren Abschiebungen in das Land gegeben, das seit August 2021 wieder von den islamistischen Taliban regiert wird.
Der CDU-Politiker Frei bleibt dennoch optimistisch. Der «Bild» sagt er, der Flug im Spätsommer 2024 habe schließlich gezeigt, dass das funktioniere. «Deswegen sind wir davon überzeugt, dass wir das auch zukünftig, dauerhaft und in wesentlich größeren Bereichen auch hinbekommen.»
Es gab bereits einige Treffen mit Vertretern der Übergangsregierung in Syrien, die sich nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Baschar al-Assad etabliert hat, was Abschiebungen in das arabische Land wieder möglich erscheinen lässt. Die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) musste jedoch Ende März einen geplanten Kurzbesuch in Damaskus absagen, da die Lage dort noch zu instabil ist.
Muslime fühlen sich übergangen
Dass Deutschland im Koalitionsvertrag als «einwanderungsfreundliches Land» bezeichnet werde, sei ein Grund für Erleichterung, sagt der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Gökay Sofuoglu. Er ruft die Koalitionäre gleichzeitig auf, bei der Besetzung der Kabinettsposten dafür zu sorgen, dass dort auch Menschen mit Migrationshintergrund einen Platz finden.
Die Co-Vorsitzende des Dachverbands, Aslihan Yesilkaya-Yurtbay, sagt, es sei gut, dass ein klares Bekenntnis zum bedingungslosen Schutz von Jüdinnen und Juden in Deutschland in den Koalitionsvertrag aufgenommen worden sei. Doch sie fügt hinzu: «Angesichts der explodierenden Zahlen im Bereich der rassistischen Übergriffe hätte ich mir gewünscht, dass auch Schwarze Menschen, Muslime und Sinti und Roma eine vergleichbare Berücksichtigung im Text erfahren».
Der Bundesvorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Abdassamad El Yazidi, sagt: «Musliminnen und Muslime sind fester Teil dieses Landes. Ihre strukturelle Unsichtbarkeit im Koalitionsvertrag ist kein Zufall – sie ist ein politischer Mangel, der Konsequenzen haben wird.»