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Lauterbach: Corona-Lage wieder kritisch

«Die Lage ist objektiv viel schlechter als die Stimmung», warnt der Bundesgesundheitsminister angesichts wieder stark steigender Infektionszahlen. Die allgemeine Impfpflicht sei unbedingt nötig.

Bundesminister für Gesundheit Karl Lauterbach (SPD).
Foto: Carsten Koall/dpa

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat vor dem geplanten baldigen Wegfall von Corona-Beschränkungen in Deutschland vor Sorglosigkeit gewarnt.

«Die Lage ist objektiv viel schlechter als die Stimmung», sagte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin mit Blick auf wieder stark steigende Infektionszahlen. Er bezeichnete die Lage als kritisch und wandte sich gegen pauschale Einschätzungen, dass die Omikron-Variante milder sei. «Wir können nicht zufrieden sein mit einer Situation, wo 200 bis 250 Menschen jeden Tag sterben.» Dies sei eine unhaltbare Lage, auf die man reagieren müsse.

Lauterbach verteidigte die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Neuregelungen zu weiter möglichen Schutzmaßnahmen über den Frühling hinaus. Nach einem Entwurf für eine neue Rechtsgrundlage sollen allgemeine Basismaßnahmen möglich sein und weitergehende Eingriffsmöglichkeiten in «Hotspots» mit kritischer Infektionslage. Hintergrund ist ein Beschluss von Bund und Ländern, dass zum 20. März alle weitgehenden Alltagsbeschränkungen wegfallen sollen.

Regionale Maßnahmen möglich

Lauterbach sagte, er erwarte wegen der Infektionslage solche «Hotspots» in zahlreichen Bundesländern. Bereits in wenigen Tagen würden die künftig vorgesehenen Maßnahmen daher sehr schnell eingesetzt werden müssen. Er forderte die Landesregierungen auf, sich nicht mit Kritik an dem Gesetz aufzuhalten, sondern nun die Nutzung vorzubereiten. Mehrere Länder fordern mehr Schutzinstrumente.

Der Minister rechtfertigte es, dass weitergehende Beschränkungen an eine hohe Klinikbelastung oder gefährlichere Virusvarianten in einer Region geknüpft werden sollen. Solche Freiheitseingriffe müssten gerechtfertigt werden, um eine rechtssichere Regelung zu haben. Lauterbach betonte erneut, dass die allgemeine Impfpflicht unbedingt nötig sei, um neue breite Beschränkungen im Herbst zu vermeiden.

Keine weiteren Eischränkungen an Schulen

Wenige Tage vor der nächsten MPK am kommenden Donnerstag kritisierte der derzeitige MPK-Vorsitzende, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), den Lauterbach-Buschmann-Entwurf. «Weitgehend flächendeckend verabredete Basisschutzmaßnahmen und bewährte Instrumente der Pandemiebekämpfung werden abgeschafft, stattdessen zeichnet der Entwurf einen Flickenteppich an Regeln vor, den die Menschen kaum verstehen werden», sagte Wüst der «Welt».

NRW-SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty mahnte in der «WAZ»: «Das Virus richtet sich nicht nach dem Terminkalender. Auch nach dem 19. März müssen wir deshalb weiterhin mit Vorsicht unterwegs sein.»

Die Corona-Einschränkungen an Schulen sollen spätestens bis Mai aufgehoben werden. Das gelte für das Tragen von Masken ebenso wie für anlasslose Tests, sagte die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) zum Ende der KMK-Beratungen in Lübeck. Die Öffnungen der Gesamtgesellschaft könnten an den Schulen nicht vorbeigehen. Aber man wolle einen vorausschauenden und behutsamen Weg in die Normalität gehen. «Dabei ist für uns die Richtschnur immer das Wohl der Kinder und Jugendlichen.»

Keine Masken mehr beim Tanzen in Niedersachsen

Die Maskenpflicht in Clubs, Diskotheken und Shisha-Bars in Niedersachsen ist vom Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg vorläufig außer Vollzug gesetzt worden. Die Betreiberin einer Diskothek in Osnabrück habe sich gegen diese Regelung gewandt. Das Gericht habe entschieden, dass die Regelungen keine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des Infektionsschutzgesetzes seien und zudem nicht angemessen. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Seit vergangener Woche Freitag dürfen Clubs und Diskotheken im Bundesland wieder öffnen. Bislang durfte die Maske nur am Sitzplatz abgenommen werden, beim Tanzen musste sie getragen werden.

Wieler: Lage in Deutschland weiter angespannt

Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, hält die derzeitige Corona-Lage in Deutschland für angespannt und mahnt zu großer Achtsamkeit. «Nach wie vor erkranken viel zu viele Menschen schwer an Covid und nach wie vor sterben auch zu viele Menschen an dieser Erkrankung. Und nach wie vor erleiden auch viele Menschen Langzeitfolgen von Covid», sagte Wieler am Freitag in Berlin. Vor dem Hintergrund der zuletzt steigenden Infektionszahlen machte er erneut auf den kontinuierlich steigenden Anteil des besonders leicht übertragbaren Omikron-Subtyps BA.2 aufmerksam. Der Infektionsdruck, so der RKI-Chef, sei weiterhin sehr hoch.

Insbesondere in den höheren Altersgruppen steige die Hospitalisierungsrate, mahnte Wieler. Dies sei auch auf die schrittweisen Lockerungen der Infektionsschutzmaßnahmen vielerorts und das damit verbundene veränderte Verhalten vieler Menschen zurückzuführen.

Wieler ging auch besonders auf mögliche Langzeitfolgen nach einer Infektion ein, von denen Erwachsene, und – obgleich wohl seltener – auch Jugendliche und Kinder betroffen sein könnten. Ein Teil dieser Menschen bleibe längerfristig stark eingeschränkt. Die Datenlage zu den Langzeitfolgen sei aber noch begrenzt.

Gefährdete Gruppen besonders schützen

«Die Lage ist also weiterhin angespannt, aber wir können das Infektionsgeschehen mit unserem Verhalten beeinflussen», sagte Wieler. Erneut bekräftigte er seine Impfappelle und betonte, viele schwere Verläufe, Todesfälle und Langzeitfolgen könnten durch die Impfung vermieden werden. «Die Impfung ist und bleibt der beste und sicherste Weg zur Immunität», sagte er. Er forderte auch alle Menschen auf, die weiteren bekannten Schutzmaßnahmen einzuhalten, Wachsamkeit zu bewahren und insbesondere auf besonders gefährdete Gruppen zu achten.

Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete den neunten Tag in Folge einen Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz auf nun 1439,0 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen. Die Gesundheitsämter meldeten demnach 252.836 neue Fälle an einem Tag, registriert wurden zudem 249 weitere Todesfälle binnen 24 Stunden.

dpa