Die Bundesjustizministerin legt ihren ersten Entwurf für eine Reform im Familienrecht vor. Umfassende Änderungen, wie sie die Ampel wollte, sind von der schwarz-roten Koalition nicht zu erwarten.
Leibliche Väter sollen Rechte besser geltend machen können

Wenn ein anderer Mann die rechtliche Vaterschaft für das von ihm gezeugte Kind hat, soll der biologische Vater in Zukunft einfacher die Vaterschaft anfechten können. Ein Entwurf von Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) sieht vor, dass die Anfechtung in den ersten sechs Lebensmonaten des Kindes grundsätzlich erfolgreich sein soll, wenn jemand nachweisen kann, dass er der biologische Vater ist.
Der Entwurf, der in Kürze den Ländern und Verbänden zur Stellungnahme vorgelegt werden soll, konzentriert sich insbesondere auf Fälle, in denen bereits ein anderer Mann mit Zustimmung der Mutter als rechtlicher Vater anerkannt wurde.
Es geht um die Bindung zum Kind
Wenn das minderjährige Kind älter als ein halbes Jahr ist, bleibt es grundsätzlich bestehen, dass eine bestehende sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater eine Anfechtung verhindert. Es gibt jedoch eine Ausnahme von dieser Regel, wenn auch der leibliche Vater eine solche Beziehung zum Kind hat, zu einem früheren Zeitpunkt hatte oder sich ernsthaft, aber erfolglos um eine solche Beziehung bemüht hat.
Die Altersgrenze im Entwurf basiert darauf, dass Kinder laut wissenschaftlichen Erkenntnissen ungefähr ab dem siebten Lebensmonat beginnen, klare und stabile Bindungen zu ihren Bezugspersonen zu entwickeln.
Urteil aus dem vergangenen Jahr
Die geplante Änderung basiert auf einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 2024. Gemäß diesem Urteil haben biologische Väter Anspruch auf ein effektives Verfahren, um ihre rechtliche Vaterschaft zu etablieren, sofern dies dem Kindeswohl nicht widerspricht.
Im vorliegenden Fall hat sich ein leiblicher Vater nach der Trennung von der Mutter durch alle Instanzen bis zum höchsten deutschen Gericht geklagt, um auch rechtlich als Vater anerkannt zu werden. Die Mutter des Kindes hatte jedoch einige Monate nach der Geburt ihren neuen Lebensgefährten als rechtlichen Vater eintragen lassen – jedoch erst, nachdem der Kläger einen Antrag auf Feststellung seiner Vaterschaft gestellt hatte. Der leibliche Vater hatte nach der Trennung weiterhin eine Beziehung zu seinem Sohn. Aufgrund der bestehenden sozial-familiären Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater wurde ihm die Feststellung seiner Vaterschaft jedoch verwehrt.
Interessen aller sollen berücksichtigt werden
«Das Bundesverfassungsgericht hat im letzten Jahr entschieden, dass diese pauschale Regelung leibliche Väter in ihren Grundrechten verletzt», sagte Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD). «Wir schlagen jetzt eine Regelung vor, die den Grundrechten aller Beteiligten Rechnung trägt.»
Das Gericht hatte angeordnet, dass der Gesetzgeber bis spätestens Ende Juni 2025 eine neue verfassungskonforme Regelung schaffen muss. Aufgrund der vorgezogenen Neuwahl des Bundestages wurde die Frist verlängert und endet nun am 31. März 2026.
Die geplante Reform ist das erste familienrechtliche Gesetzgebungsvorhaben der neuen Bundesregierung. Weitere sollen folgen. «Die gelebte gesellschaftliche Realität in Deutschland muss sich im Familienrecht widerspiegeln», sagte Hubig der Deutschen Presse-Agentur. «Das ist unsere Leitlinie.» Der neue Koalitionsvertrag beinhaltet jedoch nicht so umfassende Änderungen wie sie die Ampel-Regierung ursprünglich geplant hatte, die nach dem Ausscheiden der FDP aus der Koalition dann aber doch nicht umgesetzt wurden.
Keine Anerkennung im laufenden Verfahren
Der nun von Hubig vorgelegte Entwurf sieht eine «Anerkennungssperre» vor. Das bedeutet, dass grundsätzlich kein anderer Mann die Vaterschaft für ein Kind anerkennen kann, während ein gerichtliches Verfahren andauert, in dem ein Mann seine leibliche Vaterschaft feststellen lassen will. Damit soll verhindert werden, dass die Mutter des Kindes ihren neuen Partner oder einen anderen Mann nur deshalb bittet, die Vaterschaft für ihr Kind anzuerkennen, um zu verhindern, dass der leibliche Vater als rechtlicher Vater festgestellt wird.
Zweite Chance für den leiblichen Vater
Wenn eine Anfechtungsklage erfolglos ist, soll der biologische Vater in Zukunft eine weitere Gelegenheit bekommen. Sollte der rechtliche Vater eines Tages keine sozial-familiäre Beziehung mehr zum Kind haben, muss das Familiengericht auf den Antrag des leiblichen Vaters hin erneut über seinen Antrag entscheiden.
Mitspracherecht für Jugendliche
Der Vorschlag aus dem Justizministerium sieht eine weitere Neuerung vor: Ab dem vollendeten 14. Lebensjahr kann ein Kind durch die Verweigerung seiner Zustimmung verhindern, dass statt seines leiblichen Vaters ein anderer Mann sein rechtlicher Vater wird. Bisher reicht hier die Zustimmung der Mutter des Kindes aus.
Scheinvaterschaften verhindern
Auch bei einem anderen Projekt, das die Bundesregierung bald angehen möchte, geht es um Väter. Oder genauer gesagt um Männer, die – vermutlich gegen Bezahlung – vorgeben, der Vater eines Kindes zu sein, damit die Mutter ein Aufenthaltsrecht in Deutschland und eventuell auch Sozialleistungen erhält. Diese meist mittellosen Männer hätten überhaupt nicht die Absicht, Verantwortung für das Kind zu übernehmen, so das Bundesjustizministerium. Allerdings ist das Innenressort federführend bei diesem Vorhaben.
Maßnahmen gegen Scheinvaterschaft
Die Ampel-Regierung hatte im Juni 2024 einen Gesetzentwurf zur Verhinderung der missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft verabschiedet. Nach dem Scheitern der Koalition von SPD, Grünen und FDP wurde das parlamentarische Verfahren zu den Scheinvaterschaften jedoch nicht mehr abgeschlossen.
«Die Problematik ist seit vielen Jahren bekannt», sagt Hubig. Sie verspricht: «Wir bringen eine Lösung auf den Weg, die funktioniert.» Wichtig sei ihr dabei, dass binationale Paare nicht unter Generalverdacht gestellt würden.